Management

Interview mit Markus Wild Sicherheitskoordinator der Chiemgau Arena

03.03.2015 - Die Wettkämpfe des Biathlon-Weltcups werden in neun Orten in acht Ländern ausgetragen. In Deutschland trifft man sich traditionell im Januar zwei Mal, in Oberhof und anschließend i...

Die Wettkämpfe des Biathlon-Weltcups werden in neun Orten in acht Ländern ausgetragen. In Deutschland trifft man sich traditionell im Januar zwei Mal, in Oberhof und anschließend in Ruhpolding. Vom 14. bis 18. Januar kämpften die Biathleten an fünf Wettkampftagen in der Ruhpoldinger Chiemgau Arena um Weltcuppunkte. Unser wissenschaftlicher Schriftleiter Heiner Jerofsky sprach mit dem verantwortlichen Sicherheitskoordinator des Ruhpoldinger Biathlon-Weltcups Markus Wild über seine Aufgaben, das Sicherheitskonzept und die Bedeutung der Technik bei dieser sportlichen Massenveranstaltung.

GIT SICHERHEIT.de: Wieder ist die jährliche sportliche Großveranstaltung in Ruhpolding ohne nennenswerte Störungen zu Ende gegangen. Biathlon erfreut sich sehr großer Beliebtheit bei den Zuschauern. Mit wie vielen Besuchern hatten Sie es in diesem Jahr zu tun und gab es besondere Herausforderungen bezüglich der Sicherheit?

Markus Wild: In diesem Jahr besuchten an fünf Wettkampftagen ca. 65.000 Zuschauer die Chiemgau Arena. Besondere Herausforderungen im Sinne von besonderen Gefahrenlagen ergaben sich nicht. Das A und O für ein erfolgreiches Sicherheitsmanagement ist eine gute Vorbereitung und ein gutes Verständnis derer, die mit verschiedenen Sicherheitsaufgaben betraut sind. Vertrauensvolle Zusammenarbeit ist hierbei keine Worthülse, sondern stellt den sicheren Verlauf der Veranstaltung dar. Natürlich wird im Vorfeld eine intensive Sicherheitsbetrachtung durchgeführt. Eine entsprechende Sicherheitsanalyse sowie eine Lageeinschätzung werden unter Einbindung der öffentlichen Stellen und der Polizei durchgeführt. Erkenntnisse daraus fließen ­anschließend in das Sicherheitskonzept des Veranstalters ein.

Können Sie unseren Lesern kurz Ihre Aufgaben bei dieser weltweit beachteten Sportveranstaltung skizzieren? Wer beauftragt Sie und seit wie vielen Jahren sind Sie für die Sicherheit von Sportlern, VIPs und Besuchern in Ruhpolding verantwortlich?

Markus Wild: Die IBU (Internationaler Biathlon Verband) ist der Ausrichter der Wettbewerbe. Wie seit Jahrzehnten tritt als Veranstalter das OK Ruhpolding (Gemeinde Ruhpolding und Skiclub Ruhpoldung) auf. Ruhpolding hat eine lange Tradition als Biathlon-Standort. Seit 2011 besitzt Ruhpolding die neu errichtete Chiemgau Arena, in der 2012 die Biathlon-Weltmeisterschaft mit über 200.000 Zuschauern einen sicheren und erfolgreichen Verlauf feierte. Das Organisationskomitee (OK) des Veranstalters besitzt die Aufgabe, den ordnungsgemäßen und sicheren Verlauf der Biathlon Wettkämpfe sicherzustellen. Ich werde vom OK seit vielen Jahren als Sicherheitskoordinator eingesetzt. Als Sicherheitskoordinator habe ich die Aufgabe, das für den Veranstalter wichtige Sicherheitskonzept zu erarbeiten. Dies geschieht unter Abstimmung mit den für die öffentliche Sicherheit verantwortlichen Stellen und Behörden. Außerdem sind in einem Sicherheitskonzept weitere mit Sicherheit befasste Stellen wie z. B. die Feuerwehren, die Rettungsdienste und Notärzte als auch der für den Veranstalter tätige Sicherheits- und Ordnungsdienst einzubinden. Deren Aufgaben und Maßnahmen im Gefahren- und Schadensfall zu beschreiben, sind Inhalte des Sicherheitskonzeptes. Das Herzstück des Sicherheitskonzeptes stellt das Kommunikationskonzept dar. Das Areal der Chiemgau Arena umfasst 56 Hektar. Da müssen Kommunikationspunkte, Regeln etc. genauestens bekannt und benannt sein, sodass die verschiedenen Einheiten zielgerichtet arbeiten und kommunizieren können, und das nicht nur im hoffentlich nie eintretenden Schadensfall.

Wie muss sich der Leser Ihre Planungen und Ihr Sicherheitskonzept von der Eröffnungsfeier bis zum Massenstart am letzten Wettkampftag vorstellen?

Markus Wild: Die Planungen für den nächsten Weltcup beginnen schon am folgenden Tag nach dem letzten Weltcuptag. Neben den Abteilungen für den Sicherheitsbereich ist eine Fülle weiterer Funktionsbereiche wie z. B. die Verpflegungsservice, die Sportbetreuung und natürlich die Stadionverwaltung, die den ganzjährigen Betrieb der Arena sicherstellt, vertreten. Erkenntnisse unterschiedlichster Art werden zentral gesammelt und daraus Rückschlüsse für die unterschiedlichen Funktionsbereiche gezogen. Ein stetiges Verbessern der Organisation und der Sicherheit stehen hierbei im Vordergrund.

Sind bei der Veranstaltung, neben den Wünschen des Ausrichters, auch Auflagen der Gemeinde, des oberbayerischen Landkreises Traunstein, der Feuerwehr, des Rettungsdienstes und der Polizei zu beachten?

Markus Wild: Natürlich, die Erkenntnisse der Polizei stellen einen wesentlichen Teil der Sicherheitsplanung dar. Wichtige Bausteine für das Sicherheitskonzept ist aber auch das Katastrophenschutzkonzept des Landkreises Traunstein. Auflagen aus der Versammlungsstätten-Verordnung sind ebenfalls zu beachten. Weiterhin fließen auch Vorgaben aus dem Baye­rischen Feuerwehrgesetz ein. Das Bayerische Rote Kreuz unterstützt den Veranstalter nach den Vorgaben des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes. Inhalte der Vorgaben für die Sicherheit finden sich auch in dem nach LStVG erstellten Genehmigungsbescheid.

Wie hoch sind das VIP- und Presse-Aufkommen und ergeben sich daraus Sicherheitsplanungen besonderer Art?

Markus Wild: Der Ausrichter verlangt eine strikte Trennung der verschiedenen Personengruppen. Die IBU macht zur Auflage, dass verschiedene Kontroll-, Aufenthalts- und Zutrittszonen für Zuschauer, VIPs, Sportler, Offizielle und Pressevertreter geschaffen werden. Hinzu kommen etwa 1.000 Freiwillige, die in verschiedenen Zutrittsbereichen als Helfer den Veranstalter unterstützen. Damit die Zutritte „gemanagt" werden können, wird ein seit Jahren bewährtes Akkreditierungs- und Zutrittskontrollsystem eingesetzt. Ergänzt wird dieses System durch den Einsatz von Ordnern, die an neuralgischen Stellen mit entsprechenden Lesegeräten eingesetzt werden, um einen ordnungsgemäßen Zutritt zu ermöglichen. Biathlon genießt ein hohes Zuschauer- und Medieninteresse. Die Rennen verfolgen Millionen Menschen an den Bildschirmen. Aufgrund dieser Tatsache haben auch die TV- und Rundfunkgesellschaften einen entsprechenden Sicherheitsanspruch.

Wie und von wo aus erfolgt die Koordination aller Sicherheitskräfte während der Veranstaltungen? Gibt es eine Sicherheits-Leitstelle und wie ist sie technisch ausgestattet?

Markus Wild: Die Grundlage der Koordination und der Aufgabenerfüllung bildet hier wieder das Sicherheitskonzept. Die Umsetzung der im Konzept beschrieben Maßnahmen erfolgt durch den Leiter des Fachbereichs und dessen Gruppenleiter. Damit die Fülle der Aufgaben delegiert, durchgeführt, und überwacht werden können, wird eine Sicherheitszentrale eingerichtet. Sie wird mit allen erforderlichen technischen Einrichtungsgegenständen ausgestattet, damit der Sicherheits- und Ordnungsdienst seinen Aufgaben nachkommen kann. Ein wichtiger Aspekt ist die notwendige Dokumentation aller sicherheitsrelevanten Vorgänge. Weiterhin besitzt die Polizei im Stadion einen eigenen Leitstand. Die Polizei arbeitet sehr eng mit der Sicherheitszentrale des Veranstalters zusammen. Ergänzt wird das ganze Konzept mit der Einrichtung eines Lagezen­trums, aus dem im Schadensfall koordinierende Maßnahmen gesteuert werden können.

Gibt es genügend Raum- und Notausgänge im Falle einer Räumung?

Markus Wild: Schon bei der Planung des neuen Stadions wurde viel Wert darauf gelegt, dass sich entsprechende Räumungskonzepte umsetzen lassen. Schon in der Vorplanung sind die notwendigen Platzbedarfe großzügig ausgelegt worden. Während des Weltcups wird die bestehende Anlage mit einer temporären Tribüne ergänzt. Diese Tribüne ist so ausgelegt und gebaut, dass ein gefahrloses Räumen im Fall der Fälle möglich ist. Die Behörden, die für die Abnahme der Tribüne zuständig sind, bestätigen uns in unseren Bemühungen. Zur Stadionöffnung, während und nach den Rennen steht eine ausreichende Anzahl von Erstversorgungsstellen des Sanitätsdienstes des Bayerischen Roten Kreuzes zur Verfügung, die darüber hinaus noch über Meldefunktionen verfügen.

Welche Sicherheitsmaßnahmen sind für das Rahmenprogramm und zur wettkampffreien Zeit geplant?

Markus Wild: Nicht nur während der Rennen, sondern auch außerhalb der Wettkämpfe gibt es eine Fülle von Sicherheitsmaßnahmen. Das Stadiongelände muss nicht nur gegen unberechtigten Zutritt gesichert sein, sondern auch unter anderem Eigentumsdelikte sollen verhindert werden. Darüber hinaus befinden sich auf dem Gelände die Übertragungstechnik der TV- Gesellschaften. Die Sicherungsmaßnahmen erstrecken nicht nur auf Objektschutzmaßnahmen wie z. B. Streifengänge. Die Fülle der Maßnahmen, die im Einzelnen getroffen werden, würde den Rahmen des Interviews bei Weitem sprengen.

Welche Bedeutung für die Sicherheit haben Videoüberwachungssysteme bei dieser Veranstaltung? Welche Art von Kameras werden eingesetzt?

Markus Wild: Sicherheitstechnik zur Überwachung, auch oder insbesondere von Sportstätten, spielt heute eine große Rolle. Nicht nur zu Sportveranstaltungen, sondern auch zu Zeiten, wenn es „ruhiger" in der Chiemgau Arena ist. Es gilt nicht nur den Tribünenbereich mit seinen Versorgungsgebäuden zu überwachen. Das Areal erstreckt sich natürlich auch auf die Rennstrecken. Gerade im Hinblick auf die Dokumentationsionsfähigkeit gibt es entsprechend hohe Anforderungen, die das Videoüberwachungssystem erfüllt.

Haben Sie Einfluss auf die Auswahl und die Qualität der eingesetzten Sicherheits-Mitarbeiter? Werden von Ihnen Qualitäts- und Ausbildungsstandards gefordert?

Markus Wild: Der Einsatz und die Anzahl der eingesetzten Sicherheitsmitarbeiter sind nach deren Aufgaben geregelt. Bei der Vergabe der Sicherheitsleistung wird streng auf die Qualitäts- und Ausbildungskriterien geachtet. Umfangreiche Prüfungen auch im Hinblick auf ihre Serviceorientiertheit müssen der Dienstleister und seine Mitarbeiter bestehen. Schließlich stehen diese u. a. bei den Einlass- und Behältniskontrollen an den Eingängen an der Schnittstelle zu unseren Zuschauern. Wir verlassen uns da auf langjährig bewährte Partner. Darüber hinaus wird für die Einweisung in die Tribünenblöcke, das Ticketing und sonstige Bereiche, die der Zuschauerlenkung dienen, Ordnerpersonal eingesetzt, das sich aus freiwilligen Helfern zusammensetzt. Die Ordner erhalten entsprechende Seminare zu den Themen Sicherheit, Recht und Umgang mit Menschen sowie eine Unterweisung in ihre spezifischen Aufgabenstellungen. Diese Schulungen werden im Vorfeld mit großem Aufwand betrieben. Zwei Interessen verfolgen wir mit dieser Maßnahme. Die eingesetzten Ordner erhalten somit nicht nur die entsprechende Qualifikation zum sicheren Verlauf einer Großveranstaltung, die im Übrigen in der Richtlinie der Innenministerkonferenz zum sicheren Verlauf von Großveranstaltungen zu finden ist, sondern darüber hinaus gewinnen die Ordner auch einen tieferen Einblick in unsere Sicherheitsorganisation. Wir sind davon überzeugt, Nachhaltigkeit in Bezug auf unsere Sicherheitsphilosophie zu erzeugen.

Sie sind hauptberuflich für den Werkschutz eines großen Industrieunternehmens verantwortlich. Darüber hinaus auch noch ehrenamtlich engagiert in der Weiterbildung von Fachkräften und Meister für Schutz- und Sicherheit. Wie erholen Sie sich von Ihren vielfältigen Aufgaben?

Markus Wild: In der Tat bleibt mir nur wenig Freizeit. Ich lebe mit meiner Lebenspartnerin in Südbayern in einer der schönsten Gegenden Deutschlands, dort, wo andere Urlaub machen. Wir nehmen gerne das Angebot wahr, das uns die reizvolle Umgebung mit Bergen und Seen bietet.

Vielen Dank für das offene Gespräch und die Einblicke in die Sicherheitsplanungen einer so wichtigen Großsportveranstaltung.