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Angriffe auf Geldautomaten und deren Auswirkungen

04.10.2022 - Ein Beitrag von Min. Dir. a. d. Reinhard Rupprecht über physische Angriffe und die Sicherung von Geldautomaten.

Zum ersten Mal seit 1968 ist die Zahl der Geldautomaten (GAAs) in Deutschland in nennenswertem Ausmaß gesunken. Von mehr als 58.000 Geräten wurden ca. 1.500 abgebaut (FAZ vom 10. Juli 22). Diese Reduzierung ist im Zusammenhang mit vermehrten physischen Angriffen auf GAAs zu sehen und hat die Bargeldversorgung in manchen Orten und Stadtteilen erheblich beeinträchtigt. Am 1. Juli 2022 hat das BKA das Bundeslagebild „Angriffe auf Geldautomaten 2021“ veröffentlicht. Aus ihm ergeben sich auch Trends für das Jahr 2022. Ein Bericht von Min. Dir. a. d. Reinhard Rupprecht.

Nach dem Bundeslagebild wurden 2021 insgesamt 579 physische Angriffe auf GAAs registriert (13,7 % weniger als im Vorjahr), 137 Skimming-Attacken (9,9 % unter dem Vorjahresergebnis) und 21 sogenannte logische Systemangriffe. In 392 Fällen wurden Sprengangriffe verübt, die in mehr als der Hälfte (51,8 %) im Versuchsstadium steckenblieben. Die Zahl liegt immer noch um fast 10 % über dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre.

Bemerkenswert ist ein 125 %iger Anstieg der Sprengungen mit festen Explosivstoffen, eine Folge vor allem erfolgreicher Vorkehrungen gegen Gassprengungen. Der Beuteschaden betrug bei den physischen Angriffen 19,5 Millionen Euro (+ 14 % gegenüber 2020), bei den technischen Manipulationen 660.000 Euro. Die durch Sprengungen verursachten Gebäudeschäden lagen 2021 im zweistelligen Millionenbereich. Unter den Bundesländern war NRW von Sprengangriffen am stärksten belastet (152 Fälle), gefolgt von Hessen (56) und Niedersachsen (55). In den ostdeutschen Ländern (ohne Berlin) sind insgesamt nur 29 Sprengungen verübt worden, in den drei norddeutschen Ländern Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern nur 7.


Grenzüberschreitende Angriffe

Die starke Betroffenheit der westdeutschen Bundesländer beruht darauf, dass viele Angriffe von Tätern aus den Regionen Utrecht und Amsterdam verübt werden, häufig mit einem marokkanischen Migrationshintergrund. Es sind feste Tätergruppierungen, die arbeitsteilig vorgehen, mit schnellen Fluchtfahrzeugen ausgerüstet. Seit zwei Jahren nutzen sie überwiegend feste Sprengstoffe (TNT, Semtex und TATP), die sie selbst herstellen. Bei einer Razzia in mehreren Bundesländern und den Niederlanden ist der Polizei im Juni 2022 ein großer Schlag gegen GAA-Sprenger gelungen. 17 verhaftete Mitglieder einer Bande aus den Niederlanden stehen in Verdacht, mindestens 12 GAAs in Deutschland gesprengt und einen Schaden von mehr als vier Millionen Euro verursacht zu haben.

Die anhaltend rückläufigen Fallzahlen von sogenannten Skimming-Angriffen, bei denen die Täter durch den Einsatz manipulierter Lesegeräte die Magnetstreifendaten der Zahlungskarten ablesen und die eingegebene PIN mittels einer Minikamera auslesen, zeigt, dass die Umstellung auf Zahlungskarten mit dem EMV (Europay International, Mastercard und Visa)-Chip ebenso wie die Ausrüstung der GAAs mit Antiskimming-Modulen wirksam ist. Die Täter können die mit Magnetstreifen ausgestatteten Kartendoubletten im SEPA (Single Euro Payment Area)-Raum nicht mehr verwenden.

Infiltrationen von Netzwerken von Geldautomaten bzw. kartenausgebenden Banken wurden 2021 nur noch 21 Mal registriert (dreimal Jackpotting mittels Malware und 18 mal mittels Blackbox). Während für 2022 weiterhin ein Rückgang der technischen Manipulationsversuche an GAAs zu erwarten ist, bleibt die Prognose der Entwicklung physischer Angriffe ungünstig. Allein in NRW wurden im 1. Halbjahr 2022 mindestens hundert physische Angriffe registriert, obwohl im Herbst 2021 deutsche und niederländische Ermittler 24 Mitglieder der niederländischen „Sprengerszene“ verhaften konnten.


Hohe Priorität bei den Ministerien

NRW-Innenminister Herbert Reul hat der Bekämpfung dieser hochgefährlichen Kriminalität eine hohe Priorität eingeräumt. Seit Februar 2022 gilt der Grundsatz, nachts jeden verfügbaren Streifenwagen einzusetzen. Im April 2022 wurde eine Sonderkommission eingerichtet, die analysieren soll, was bei Ermittlung, Fahndung und Prävention „besser werden müsse“. Zusammen mit den Geldinstituten erstellt die Polizei für jeden einzelnen GAA eine Gefahrenbewertung.

Auch in Hessen haben Innenministerium, Landespolizei und Banken eine „Allianz Geldautomaten“ geschlossen. Sie will künftig das Risikoanalysetool „Geldautomatenlagebild operativ“ einsetzen. Mit ihm können alle GAAs, die mit qualitativen Daten wie Standort, Fabrikat und Sicherheitsvorkehrungen hinterlegt sind, einer Risikobewertung mit einer Wahrscheinlichkeitsprognose für künftige Sprengangriffe unterzogen werden. Diese algorithmisch berechnete Wahrscheinlichkeit aufgrund aller relevanten Daten einschließlich bisher bekannter Angriffe in der Region, für potenzielle Täter erkennbarer Präventionsmaßnahmen und schneller Fluchtmöglichkeiten entspricht dem von mehreren Polizeibehörden zur Abwehr von Wohnungseinbrüchen angewandten „predictive policing“.


Aufstellungsstandort eines Geldautomaten

Den geringsten Schutz vor physischen Angriffen bietet die wandfreie Aufstellung eines GAA außerhalb von Gebäuden, etwa an einer Tankstelle oder auf einem Parkplatz, vor allem, wenn der GAA nicht ununterbrochen überwacht wird, die Tankstelle also nachts nicht besetzt und nicht in Echtzeit videoüberwacht ist. Auch die geringe Entfernung eines Standortes von der nächsten BAB-Auffahrt erhöht die Attraktivität des GAA für Angreifer.


Bauliche und technische Sicherung von Geldautomaten

Richtlinien des GVD (VdS 5052:2017-01(03)) beschreiben detailliert bauliche, technische und organisatorische Schutzmöglichkeiten. Gemäß VdS 2472 muss der GAA im Betonboden oder Sockel fest verankert sein. Der Versorgungsraum für das „Rearloading“ des GAA sollte fensterlos, mechanisch durch einbruchhemmende Türen gesichert und elektronisch gegen unbefugten Zugang überwacht sein. Das Bankfoyer, in dem der GAA steht, muss videoüberwacht und während etwaiger Schließzeiten auch durch EMA gesichert werden.

Ein automatisch auslösbares Vernebelungssystem zwingt Täter zum Tatabbruch und zur Flucht, wie der versuchte Angriff durch drei Täter auf einen GAA in der Sparkasse Gelsenkirchen am 16. Januar 2022 gezeigt hat. Der Einbau von Pollern vor dem Bankfoyer sichert den Raum vor dem Aufbruch durch den Aufprall eines gepanzerten Fahrzeugs. Das Wertbehältnis des GAA muss mindestens dem Widerstandsgrad IV gem. VdS 2450 (Tabelle 4.-2) bzw. EN 1143-1 mit dem Zusatz „EX“ und „GAS“ (Schutz gegen einen definierten Angriff mit Sprengstoffen bzw. mit Gasgemischen) entsprechen.

Zum Schutz vor Angriffen mit Gas sollten Wertbehältnisse so konstruiert sein, dass sie Widerstand gegen einen Angriff mit der Gasmenge leisten, die professionelle Täter einhalten, um die Banknoten nicht zu zerstören. Das geschieht durch den Verschluss systembedingter Öffnungen mit Riegelabdeckung oder einer Volumenreduzierung. „Gas Protection Units“ können einströmendes Gas erkennen und neutralisieren. Im Zertifizierungsverfahren bescheinigt VdS für einen „Exgas“-geprüften Geldautomatentyp beim Test mit 150 Gramm Festsprengstoff bzw. 140 Liter Gasgemisch, dass mit EAM (energieabsorbierende Module) eine erfolgreiche Sprengung verhindert werden kann. Der mit der Sprengung beabsichtigte Gelddiebstahl lässt sich durch die Installation eines Einfärbemittels verhindern (Richtlinien dazu: VdS 2538). Die Auslösung des Systems erfolgt durch Lageveränderung der Banknoten-Kassetten.


Taterfolg lässt sich verhindern

Physische Angriffe auf GAAs sind wegen der Beuteschäden und der hohen Gebäudeschäden durch die Sprengung mit Verletzungs- und Lebensgefahr für anwesende Personen hochgefährlich. Es handelt sich zumeist um organisierte Kriminalität professioneller Banden, die auch wegen ihres internationalen Aktionsradius schwer zu ermitteln sind.

Die Betreiber der für die Bargeldversorgung der Bevölkerung wichtigen GAAs sind den Angriffen aber nicht hilflos ausgeliefert. Die angedeuteten baulichen und technischen Schutzvorkehrungen können den Taterfolg verhindern. Die tägliche Leerung des GAA vereitelt auf jeden Fall den Taterfolg, den schadensträchtigen Angriffsversuch aber nur, wenn sie für den Täter erkennbar ist. Dasselbe gilt für die durchgeführten Sicherheitsmaßnahmen, damit die durch einen Angriffsversuch entstehenden Gefahren und Schäden vermieden werden.

Checkliste für einen sicheren Geldautomaten

  • Risikoanalyse und Sicherheitskonzeption
  • Standort- und Aufstellungssicherheit
  • bauliche und technische Sicherung des Versorgungsraumes
  • Überwachung des Bankfoyers (Beleuchtung, EMA, Video- u. Audiosystem)
  • Vernebelungssystem
  • Sicherung der Wertbehältnisse gem. EN 1143-1/VdS 2450
  • Zertifizierung gegen Sprengangriffe
  • Banknoteneinfärbung gem. VdS 2538
  • Antiskimming-Module und PIN-Schutz
  • Videoüberwachung des Karten­slots mit Täteransprachemöglichkeit (remote)