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RoHS-Richtlinie: Everfocus ist vorbildliches Beispiel

29.06.2012 - RoHS-Richtlinie: Everfocus ist vorbildliches Beispiel. Seit dem 1. Juli 2006 gelten die Stoffverbote des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes (ElektroG). Es setzt u.a. die europäi...

RoHS-Richtlinie: Everfocus ist vorbildliches Beispiel. Seit dem 1. Juli 2006 gelten die Stoffverbote des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes (ElektroG). Es setzt u.a. die europäische RoHS-Richtlinie in deutsches Recht um. Im Einzelnen sind viele Fragen offen – der Umgang mit der Stoffverbots-Richtlinie ist eine EU-weite Herausforderung für Hersteller und Importeure.

Dass sich Blei und Cadmium nicht unbedingt als Zutaten für einen wellnessfördernden Gesundbrunnen anbieten, ist spätestens seit der Umweltbewegung in den 70er und 80er Jahren Gemeingut. Gerade elektrische und elektronische Geräte enthalten freilich noch jede Menge anderer chemische Bestandteile, die sich mindestens genauso unerfreulich auswirken können wie diese – und von denen Boden, Wasser und Luft tunlichst verschont werden sollten: Quecksilber gehört dazu, aber auch sechswertiges Chrom, polybromiertes Biphenyl (PBB) und polybromierter Diphenylether.

Die Europäische Union hat all diese Stoffe seit längerem auf dem Kieker und hat deshalb in den letzten Jahren verschiedene Richtlinien erlassen. Da diese – anders als EU-Verordnungen – grundsätzlich keine unmittelbare Rechtswirkung entfalten, mussten sie in den einzelnen Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden: In Deutschland geschah dies in Gestalt des Elektrogesetzes, das nicht nur die RoHS-, sondern auch die WEEE-Richtlinien (hier geht es um elektrischen und elektronischen Abfall) umsetzt – seit dem 1. Juli sind nun auch die Stoffverbote in Kraft.

Regeln mit Ausnahmen

Was nun speziell die RoHS-Richtlinie betrifft, so geht es z.B. um Geräte für den Haushalt, IT- und Telekommunikationsgeräte, Unterhaltungselektronik, Beleuchtungskörper sowie um elektrische und elektronische Werkzeuge. Bei letzteren gibt es z.B. Ausnahmen für „ortsfeste industrielle Großwerkzeuge“ – woraus man bereits das durchaus Komplexe im Umgang mit RoHS bzw. ElektroG ersehen kann, wie RoHS-Experte Udo Faust erläutert. Ausnahmen bestehen außerdem z.B. für medizinische Geräte sowie für Überwachungsund Kontrollinstrumente.

Udo Faust kennt die Schwierigkeiten mit den neuen Regeln von seiner Tätigkeit als Sicherheitsexperte bei Mitsubishi und aus seiner Praxis als Unternehmensberater sehr genau: Baut ein Hersteller bspw. einen Inverter, bringt er ihn also auf den Markt, so kommt es für die RoHS-Konformität darauf an, in welcher der vielen denkbaren Applikationen er eingebaut werden soll. Die Verwendung in einer Industriemaschine – sprich: in einem „industriellen Großwerkzeug“ – ist unproblematisch. Landet derselbe Inverter aber in einem Laufband für Fitnessstudios – geht es also um ein Sportgerät – dann haftet der Hersteller für die Einhaltung der RoHS-Richtlinien bzw. der Regeln des ElektroG.

Divergierende Auslegungspraxis

Weitere Anforderungen an das Management der RoHS-Konformität ergeben sich aus dem Umstand, dass die Richtlinie zwar in den einzelnen Ländern umgesetzt wird, dies aber durchaus nicht immer zu einer einheitlichen Bewertung dessen führt, was sie besagen sollen. Geht unser Beispiels-Inverter bspw. in eine Split-Klimaanlage (unter 12 kW Kühlleistung) nach Italien, dann muss er nach italienischer Lesart RoHS-konform sein, während dies nach deutscher Vorstellung nicht notwendig ist.

Die Vereinheitlichung dieser abweichenden Auslegungspraxis in den einzelnen Ländern wird wohl noch zwei oder drei Jährchen dauern, meint Udo Faust. Verantwortlich dafür, dass die Geräte keine gefährlichen Stoffe enthalten und somit nach ElektroG bzw. der landesspezifischen Umsetzungsnorm den Gesundheits- und Umweltstandards der Richtlinie entsprechen, sind die Hersteller. Nach der Definition der Richtlinie ist Hersteller kurz gesagt jeder, der Elektro- oder Elektronikgeräte unter seinem Markennamen herstellt oder verkauft, oder derjenige, der die Geräte in einen EU-Staat einführt oder ausführt. Hersteller ist auch, wer Geräte anderer Anbieter unter seinem Markennamen weiterverkauft – es sei denn, dass der Markenname dieses anderen Anbieters auf dem Gerät erscheint. Details sind auch hier noch durchaus umstritten.

Management der Verantwortung

Will man also ein entsprechendes Gerät auf den Markt bringen, muss man sich sozusagen an der Lieferantenkette kontrollierend zurückhangeln: Denn das Endprodukt ist nur gesetzeskonform, wenn auch jede einzelne Baugruppe konform ist. Die Baugruppe nur, wenn z.B. jeder darin verwendete Widerstand konform ist. Und dieser Widerstand enthält wiederum Drähte, die möglicherweise mit Lot überzogen sind, das zu stark mit Blei belastet ist – und darauf kommt es an: Denn beurteilt wird jedes noch homogene, also nicht weiter aufzuteilende Werkstück, also auch das – ja abkratzbare – Blei am Draht des Widerstands.

An diesem Beispiel wird die Problematik der neuen Normen für den Hersteller sehr deutlich, wie Udo Faust feststellt: Er muss für Dinge gerade stehen, die er angesichts der Komplexität der Lieferanten- und Zulieferersysteme in den modernen Fertigungsprozessen nur schwer bis überhaupt nicht kontrollieren kann. Er kann folglich nur ein möglichst gutes Gefahren- und Sorgfaltsmanagement aufbauen, das die RoHSKonformität so weit wie möglich gewährleistet. Geht es einmal schief, muss er sich an seine Lieferanten halten – deren Zuverlässigkeit muss er sicherstellen, will er nicht auf seiner Verantwortlichkeit sitzen bleiben.

Kontrolle – aber wie?

Für die Unternehmen stellt sich deshalb die Frage, durch welche Maßnahmen es sich möglichst gut absichern kann. Nur wenige Unternehmen haben sich bereits so früh mit dem Thema befasst, wie z.B. die Firma Everfocus, dessen Deutschlandchef Dirk Reinders allerdings auch ein Lied von der aufwendigen Umsetzung der ElektroG-Forderungen singen kann. Bereits 2004 hat man mit ersten Beratungen zum Thema RoHS gestartet – daraufhin informierte man zunächst einmal das Mutterhaus in Taiwan. Dieses hat dann in einem ausgesprochen langwierigen Prozess sämtliche Produkte auf die inkriminierten Bestandteile hin untersucht, und eine Stückliste mit einer jeweiligen Gefährdungseinschätzung erstellt.

Für den ganzen Prozess der Schadstofflokalisierung, die Überprüfung, welche Lieferanten gegebenenfalls RoHS-konform liefern können, etc. – brauchte man bei Everfocus nicht weniger als ein Jahr, berichtet Dirk Reinders. Kosten und Arbeitsaufwand waren für das Unternehmen beträchtlich – auch deshalb, weil man sich u.a. dafür entscheiden musste, eine komplette Multiplexerserie und eine DVR-Linie aus dem Programm zu nehmen, weil dies wirtschaftlicher darzustellen war, als die Umsetzung der RoHSAnforderungen.

Enforcement ohne Anhaltspunkt

Rechtsverbindliche Aussagen lassen sich– mangels Praxis und mangels näherer Vorschriften zum „Enforcement“, also der praktischen Durchsetzung der Norm selbst – noch nicht machen, wie z.B. der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) seinen Mitgliedern mitteilt. Immerhin gibt es bereits ein Dokument, das das britische Handelsministerium (Department of Trade and Industry, DTI) vor kurzem erarbeitet hat: Dieses „RoHS Enforcement Guidance Document“ soll nach Vorstellung ihrer Autoren gewissermaßen als Vorlage für Verwaltungsvorschriften dienen, die die zuständigen Behörden der einzelnen EU-Ländern zwecks Durchsetzung und Kontrolle der RoHS-Richtlinien erlassen werden. Dies kann freilich noch dauern.