Security

Onvif: Wie geht es weiter mit dem globalen Schnittstellen­standard?

01.06.2012 - Das Open Network Video Interface Forum, kurz ONVIF genannt, hat es sich zum Ziel gesetzt, einen globalen Schnittstellenstandard für Netzwerkvideoprodukte zu schaffen. Damit ist es ...

Das Open Network Video Interface Forum, kurz ONVIF genannt, hat es sich zum Ziel gesetzt, einen globalen Schnittstellenstandard für Netzwerkvideoprodukte zu schaffen. Damit ist es möglich, dass Geräte verschiedenster Hersteller gemeinsam in einem System eingesetzt werden können. Dallmeier beteiligt sich seit 2009 als Contributing Member aktiv an der Entwicklung des ONVIF-Standards, insbesondere durch Herrn Daniel Fiala. Wir haben seine Rolle und seine persönliche Meinung genauer hinterfragt.

Herr Fiala, wie kamen Sie zu ONVIF?

Daniel Fiala: Ich bin bei Dallmeier unter anderem für den Bereich Integration und Schnittstellen verantwortlich, deshalb fällt auch ONVIF in mein Aufgabengebiet. Als Projektleiter habe ich ONVIF bei unseren Kameras integriert und auch die Integration von ONVIF in die Recorder entsprechend mit vorbereitet. Darüber hinaus ist ein gewisser Prozentsatz meiner Arbeitszeit ganz bewusst für die Arbeit innerhalb der ONVIF-Organisation bestimmt. ONVIF ist ein freies Forum, an dem sich jeder beteiligen kann, um ONVIF als Gesamtkonzept zu verbessern und zu erweitern. Das heißt, dass ich - ganz losgelöst von den Interessen unseres Unternehmens - versuche, den ONVIF-Standard voranzutreiben. Selbstverständlich ist es aber auch so, dass wir als aktives Mitglied frühzeitig von Entwicklungen erfahren und diese bei Dallmeier dann gleich umsetzen können.

Was ist Ihre Aufgabe bei ONVIF?

Daniel Fiala: Ich war zunächst als Vorsitzender der Working Group „Application Programmer‘s Guide" tätig. Hier ging es darum, eine Anleitung zu erstellen, wie Integratoren bzw. Managementsysteme mit ONVIF umzugehen haben. Oder anders gesagt: Wir haben ein Dokument erarbeitet, das dabei helfen soll, ONVIF und das dahinterliegende Konzept besser zu verstehen. Dadurch konnte ich mich intensiv in die Spezifikationen einarbeiten. Auf Basis meiner gewonnen Erfahrung wurde mir von ONVIF nun der Posten als Vorsitzender der „Technical Support Working Group" angeboten. Meine Aufgabe ist die Betreuung der ONVIF Mitglieder bei Fragen zu den Spezifikationen und deren Anwendung.

Am Markt wird immer wieder die Diskrepanz zwischen Marketingaussagen und der Realität, also dem tatsächlich bereits erreichten Standard, kritisiert. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Daniel Fiala: Um dies beantworten zu können, sollte man einen kurzen Blick auf die Entstehungsgeschichte von ONVIF werfen: Das Forum wurde erst 2008 gegründet, und im gleichen Jahr wurde die erste Version der Spezifikation fertig gestellt. Das ist ein sehr kurzer Zeitrahmen. Von daher ist es eigentlich verständlich, dass diese Spezifikationen nicht absolut fehlerfrei waren oder alle Bereiche zu einhundert Prozent abdeckten. Außerdem gab es einen gewissen Handlungsspielraum, wie gewisse Teile zu interpretieren sind. Deshalb kam es auch vor, dass zwei Produkte, die eigentlich beide den ONVIF-Test bestanden hatten, im Praxistest doch nicht problemlos zusammenarbeiteten.

Gibt es dafür bereits eine ­Lösung?

Daniel Fiala: Ja! Zum einen gibt es bei ONVIF regelmäßige Workshops, die sog. Plug Fests, bei denen alle Mitglieder ihre Systeme gegeneinander testen. Diese werden auch von Dallmeier seit einigen Jahren genutzt. Zum anderen ist die Anzahl der erforderlichen Zulassungstests rapide steigend: Während bei den ersten Konformitätsprüfungen lediglich 30 Tests für ein Produkt durchgeführt werden mussten, sind es derzeit bereits knapp 280. Dabei wurden viele der inkompatiblen Interpretationen eliminiert und das geforderte Verhalten stärker standardisiert. Außerdem arbeitet die ONVIF-Organisation gerade an den sog. „Conformance Profiles". Diese beschreiben einen Satz von Funktionen und Technologien, die sowohl vom Client als auch vom Gerät unterstützt werden müssen, um miteinander kommunizieren zu können. Dadurch ändert sich die Art der Tests: Künftig wird nicht einfach nur geprüft, ob ein Produkt „konform" oder „nicht konform" ist, sondern es wird auch die Verfügbarkeit einzelner Funktionalitäten getestet. Je nachdem erhält das entsprechende Produkt dann bestimmte Sub-Zertifikate. Also wenn beispielsweise die Funktion „Streaming" getestet wird, dann erhält das Produkt bei bestandener Prüfung den Stempel „S". Wenn ein Gerät und ein Client beide den Stempel „S" haben, können diese dann sicher miteinander kommunizieren. Das schafft eine viel größere Transparenz.

Findet ONVIF auch außerhalb der Videoüberwachung Anwendung?

Daniel Fiala: Ja, dass dies möglich ist, haben wir bei Dallmeier in der „Convergence Area" gezeigt. Diese findet im Rahmen der IT-Sicherheitsmesse it-sa statt und demonstriert die Verbindung von Zutrittskontrolle, Identity-Management, Karten-Management, IT-Security und Videoüberwachung.

Und das funktioniert über ONVIF?

Daniel Fiala: ONVIF verwendet wenn möglich nur Technologien, die bereits am Markt etabliert sind. Eine dieser Basis-Technologien ist Web-Services, das ein sehr hohes Potential für schnelle Integration besitzt. Web-Services ist ein abstraktes Framework, das unabhängig von Betriebssystemen und Programmiersprachen ist. So wurde eine gemeinsame Plattform geschaffen, bei der alle Geräte dieselbe Sprache sprechen, auch wenn sich wie im Falle der Convergence Area die Dialekte noch unterscheiden. So konnten die Kollegen der Partnerfirmen zum Beispiel erste Kommandos bereits innerhalb eines halben Tages an unsere Kameras abschicken, obwohl sie noch nie mit Videotechnik zu tun hatten! Insbesondere diejenigen, die sich mit Geräte-Integration auskennen, wissen, welch beachtliche Leistung dies ist. Mit herstellerspezifischen Protokollen wäre eine derart schnelle Integration unmöglich.

ONVIF ist Ihrer Meinung nach also ein Erfolg?

Daniel Fiala: Vielleicht verdeutlichen wir das mit einem kleinen Beispiel: Derzeit gibt es über 1.300 ONVIF-zertifizierte Produkte von über 100 Anbietern. Davon sind ungefähr 1.200 Kameras. Das heißt also, dass ein ONVIF-konformes Managementsystem etwa 1.200 Kameratypen von über 70 Herstellern ansprechen kann - und zwar mit nur einem einzigen Protokoll! Also, ich würde das definitiv als Erfolg bezeichnen.