Security

Lob der Einfachheit! Weniger ist oft mehr – zum Beispiel bei der Maschinensicherheit

21.11.2019 - Viele Maschinenbauer sind bei der Maschinensicherheit in die falsche Richtung gegangen und haben zusätzliche Schutzvorrichtungen angebracht, um Risiken zu reduzieren. Es stellt sic...

Viele Maschinenbauer sind bei der Maschinensicherheit in die falsche Richtung ­gegangen und haben zusätzliche Schutzvorrichtungen ­angebracht, um Risiken zu reduzieren. Es stellt sich nun heraus, dass die Verwendung weniger Geräte der ­bessere Ansatz ist und eine ­Vereinfachung die Sicherheit von Maschinen erhöht. Ein Beitrag von ­Tobias Blickle, Produktmarketingmanager bei ABB in Spaichingen.

Klettern ist eine riskante Sportart, die dank Vorrichtungen wie Seilen, Bandschlingen, in Felsrissen platzierbaren Klemmkeilen, Steigklemmen und Karabinern erheblich sicherer wird. Eine wichtige Regel bei der Absturzsicherung ist es, so wenig Hardware wie möglich zu verwenden. Kletterer wissen, dass jedes zusätzliche Gerät eine weitere potenzielle Fehlerquelle und eine nicht benötigte Komplexität darstellt. Für sicheres Klettern ist weniger mehr.

Die Entwickler von Komponenten für Maschinensicherheit sind zu der gleichen Erkenntnis gekommen: Einfachheit erhöht Sicherheit und Zuverlässigkeit. Die Entwicklung solch einfacher und sicherer Systeme schreitet jedoch nicht so schnell voran, wie es möglich wäre, da alte Gewohnheiten oftmals nur schwer aufgegeben werden. Hersteller und Anlagenbetreiber erkennen aber zunehmend, dass neuere Technologien nicht nur die Bedienerfreundlichkeit und Sicherheit erhöhen, sondern auch die Kosten für Sicherheitssysteme senken.

Diese Weniger-ist-mehr-Philosophie von Sicherheitseinrichtungen zeigt sich auch in der Norm DIN EN ISO 13849. Sie enthält die Gestaltungsleitsätze für sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen und stellt unter anderem Informationen zur Erhöhung der Sicherheit durch Reduzierung von Fehlerquellen bereit.

Traditionelle Schutzsysteme
Die heute angewandten Techniken zum Schutz des Menschen vor Gefahren durch die Maschine sind seit vier Jahrzehnten weitgehend unverändert. Türen und Schutzeinrichtungen mit Verriegelungsschalter sind nach wie vor die am weitesten verbreitete Methode zum Schutz des Bedieners. Für umfassenderen Schutz müssen in der Regel weitere Verriegelungseinrichtungen eingebaut werden.

„Jeder, der einmal Fehler in einem solchen Sicherheitskreis behoben hat, weiß, dass ein Kurzschluss in der Verkabelung oder in einem Gerät zu einem einkanaligen Fehler führt“, sagt Rich Gibson, Product Marketing Manager bei ABB. „Den Fehler zu suchen bedeutet, Türen zu öffnen und zu schließen, Verbindungen zu ziehen und die Verkabelung sichtbar zu überprüfen. Es ist leicht zu erkennen, dass mehr Geräte die Zuverlässigkeit reduzieren und den Wartungsaufwand erhöhen.“

Es ist aber auch leicht nachvollziehbar, warum dieser Ansatz verwendet wurde. Störsignale führten in 230-V-AC-Systemen oft zu Mikroverschweißen von Kontakten der Sicherheitsschalter. Dies stellte zum einen ein Wartungsproblem und zum andern – viel gravierender – eine Gefahr für die Bediener dar. Die Leistungsfähigkeit der Schalter musste so dimensioniert werden, dass sich verschweißte Kontakte wieder lösten. Heutzutage arbeiten digitale Geräte im Milliampere-Bereich und vermeiden daher das Verschweißen von Kontakten. Die alte Technologie ist damit überholt.

Die Vorteile der Einfachheit
Die heute üblichen einfacheren Sicherheitsschaltgeräte verwenden weitaus weniger kontaktbehaftete Schalteinrichtungen als vielmehr transistorgesteuerte Ausgangssignal-Schaltungen (OSSDs, output-signal switching devices). Damit können mehrere Geräte an einem Eingang einer Sicherheitssteuerung angeschlossen werden. Das vereinfacht die Verdrahtung erheblich und senkt die Anzahl der Geräte.

Die Verwendung von OSSDs ermöglicht es den Herstellern, ihre Designs zu vereinfachen sowie Verdrahtungsaufwand, Schaltschrank- und Gerätegrößen zu reduzieren – und das fast immer zu niedrigeren Kosten als mit herkömmlicher Technologie. Von den daraus resultierenden Vorteilen profitieren sowohl die Anlagenbetreiber als auch die Techniker, die für die Aufrechterhaltung des Anlagenbetriebs verantwortlich sind.

„Als ich in der Fertigung arbeitete, haben wir eine Untersuchung zu Sicherheitsrelais durchgeführt, die als defekt retour kamen“, erinnert sich Gibson. „Die Kunden sagten typischerweise, dass ein Kanal am Relais ausgefallen und gesperrt sei. Wir haben alle zurückgesendeten Relais getestet. In 88 % der Fälle wurde das Relais als „gut“ getestet. Das sagte uns, dass nicht das Gerät das Problem verursachte, sondern ein Defekt oder ein Kurzschluss in der Verkabelung des Sicherheitskreises. Die heutige Technologie verhindert weitgehend, dass diese Fehler unerkannt bleiben.“

Mit der heute verfügbaren Technologie kann die Fehlersuche oft vom Bediener selbst durchgeführt werden. Durch Ablesen der Status-LEDs an den Geräten lässt sich der Fehlerort einfach finden. Ausfallzeiten und Wartung werden reduziert.

Überdenken Sie Ihre Sicherheits­philosophie
Zu viele Maschinenhersteller und ihre Kunden betrachten Standards bei Sicherheitssystemen als eine Hürde, die sie zwar nehmen müssen, aber mit möglichst geringem Aufwand. Das zur Erfüllung der Norm erforderliche Minimum reduziert zwar die unmittelbaren Gerätekosten, aber das ist kurzsichtiges Denken.

Ein Beispiel: Die meisten Eltern wären nicht wirklich zufrieden, wenn ihr Kind ihnen ein Zeugnis mit der Bewertung „Ausreichend“ vorlegen würde. Das Kind hätte zwar den geforderten Standard für das Bestehen erfüllt und dies wahrscheinlich mit einem Minimum an Zeit und Aufwand – aber auf einem niedrigen Leistungsniveau.  

„Die Verantwortlichen für die Bereitstellung und Implementierung von Sicherheitssystemen sollten das Ziel haben, über die Erfüllung des niedrigsten erforderlichen Standards hinauszugehen“, betont Gibson. „Wenn sie ihr Ziel höher ansetzen, verringert sich nicht nur das Risiko für die Mitarbeitenden, sondern auch das Risiko kostspieliger Upgrades. Ich kann mich nicht erinnern, dass je eine Sicherheitsnorm abgeschwächt wurde, ganz im Gegenteil. Die Betreiber sind gezwungen, ihre Systeme zu aktualisieren oder nachzurüsten, um sie normgerecht zu halten. Meist gleichen die Kosten für diese Upgrades die Einsparungen bei der ursprünglichen Investition mehr als aus.“

Und natürlich entbindet fehlendes Wissen zu erforderlichen Aktualisierungen nicht von der Umsetzung. Nach einem Unfall an einer Maschine, die dem aktuellen Standard nicht entspricht, kann es zu empfindlichen Geldstrafen kommen.

Sollte eine Veränderung des Sicherheitskonzepts bei einer Bestandsanlage notwendig sein, empfiehlt es sich, Verriegelungseinrichtungen mit dynamischen und überwachten Ausgangssignalen wie zum Beispiel OSSD, die dem Stand der Technik, den einschlägigen Normen sowie dem Ergebnis der Risikobeurteilung entsprechen, zu verwenden.

Hin zur Simplizität
Ein anschauliches Beispiel dafür, wie neue Technologien den Übergang zu einfacheren Sicherheitssystemen unterstützen, ist der Sensor Eden von ABB. Der berührungslose Sicherheitssensor der Steuerungskategorie 4 eignet sich für die Überwachung von Türverriegelungen und die Erfassung von sicheren Positionen. Anders als bei Verriegelungseinrichtungen mit potentialfreien Kontakten, ist es möglich, bis zu 30 Eden-Sensoren in Reihe auf ein einzelnes Relais zu schalten ohne den Diagnosedeckungsgrad (DC) sowie den Performance Level zu verringern. Dies wird durch ständig überwachte und getestete Ausgänge realisiert um damit eine Fehlerzustandsmaskierung zu vermeiden. Das Wirkprinzip beruht statt auf Magnetismus auf Hochfrequenz und reduziert deutlich Probleme bei der Gerätemontage und durch störende Auslösungen. Die Sensoren besitzen Schutzart IP69K und halten Hochdruck- und Hochtemperatur-Reinigung aus – von besonderem Interesse für den Einsatz im Lebensmittel- und Getränkebereich.

Maschinenhersteller werden nicht durch neue Normen oder Anforderungen zu solchen modernen sicherheitsgerichteten Schaltungskonzepten gezwungen. Zunehmend werden sie jedoch den Druck von Kunden aus unterschiedlichen Branchen, insbesondere der Lebensmittel- und Getränkeindustrie spüren, die Geräte mit höherem Sicherheitsniveau bei gleichzeitig sinkendem Wartungsaufwand wahrnehmen.

In nicht allzu ferner Zukunft werden Hersteller und Anwender von Sicherheitssystemen auf die Sicherheitsschaltungen alter Schule zurückblicken, so wie wir heute auf die Verkabelung mit Guttapercha und Bergmannrohr zurückblicken: komplizierter, weniger sicher, aber aufwendiger zu warten. Mehr Sicherheit und höhere Zuverlässigkeit sind mit der heutigen Technologie einfach zu erreichen.

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