Safety

Gehörschutz: Sechs Irrtümer

26.02.2015 - Falsche Annahmen zum Thema Lärm und Gehörschutz können gravierende Folgen haben. Sie können die gute Arbeit eines ansonsten wirksamen Gehörschutzprogrammes zunichte machen, so dass...

Falsche Annahmen zum Thema Lärm und Gehörschutz können gravierende Folgen haben. Sie können die gute Arbeit eines ansonsten wirksamen Gehörschutzprogrammes zunichte machen, so dass Gehörverlusten nicht effektiv vorgebeugt wird. Franz-Josef Nülle, Regional Product General Manager EMEAI für Gehörschutz bei Honeywell Safety Products räumt mit den sechs häufigsten Irrtümern auf.   

Irrtum 1:
Gehörschutz ist selbster­klärend.
Oberflächlich betrachtet, scheinen Gehörschutzprodukte recht intuitiv anwendbar zu sein - einfach in oder auf die Ohren stecken bzw. setzen und fertig! Eine umfassende Studie zu Gehörschutzprogrammen in Großbritannien hat jedoch aufgedeckt, dass sich bei Gehörschutzschulungen in Form von Postern und Infoblättern weniger als die Hälfte der „geschulten" Arbeitnehmer an die Inhalte erinnern konnte. Schulungen in größeren Gruppen scheinen dagegen eine nur geringe Wirkung zu haben. Individuelle Schulungen haben eine höhere Erfolgsgarantie.

Beim Einsetzen von Gehörschutzstöpseln aus Schaumstoff gilt: rollen, ziehen und halten. Sie werden zunächst zu einem schmalen, knickfreien Zylinder zusammengerollt. Anschließend wird der obere Teil der Ohrmuschel nach oben und hinten gezogen, um den Gehörgang zu begradigen. Dann werden die Gehörschutzstöpsel in den Gehörgang eingesetzt und so lange in Position gehalten, bis sie sich vollständig ausgedehnt haben.

Für den richtigen Sitz von Kapselgehörschützern sollte das Haar zur Seite geschoben und die Kapselgehörschützer so aufgesetzt werden, dass die Ohren von den Kapseln vollständig umschlossen werden. Schutzbrillen und Sehhilfen mit dünnen Bügeln führen zu keiner wesentlichen Verringerung der Dämmleistung. Schutzbrillen mit breiteren Gestellen können aber zu beträchtlichen Lücken an den Kapselkissen und damit zu einer Verschlechterung der Dämmleistung zwischen 5 und 10 dB führen.  

Irrtum 2:
Jeder Gehörschutzstöpsel bietet ­angemessenen Lärmschutz.
Ein Gehörschutzstöpsel, der nur in der Ohrmuschel sitzt und den Gehörgang nicht abdichtet, bietet lediglich geringen Schutz vor Lärm. Tatsächlich haben Untersuchungen zur Dämmleistung gezeigt, dass schlecht sitzende Gehörschutzstöpsel häufig einen Resonanzraum im Gehörgang schaffen, durch den der Lärmpegel sogar um einige Dezibel ansteigt (ähnlich dem Wölben einer Handfläche hinter der Ohrmuschel, um besser hören zu können).

Schlecht sitzende Gehörschutzstöpsel können zu großen Problemen führen, wenn Sicherheitsfachkräfte die Einhaltung der Gehörschutzbestimmungen lediglich visuell überprüfen. Sie könnten bei visuellen Überprüfungen davon ausgehen, dass jeder sichtbar im Ohr eingesetzte Gehörschutzstöpsel etwas Gutes bewirkt, und sich stattdessen nur auf die Arbeitnehmer konzentrieren, die überhaupt keinen Gehörschutz tragen. Tatsächlich bieten schlecht sitzende Gehörschutzstöpsel aber überhaupt keinen Schutz. Ein Hinweis auf einen gut sitzenden Gehörschutzstöpsel ist, dass er bei einem frontalen Blick in den Spiegel oder beim frontalen Betrachten des Kollegen praktisch nicht sichtbar ist. Schlecht sitzende Gehörschutzstöpsel ragen dagegen aus dem Gehörgang heraus und sind daher klar erkennbar.  

Irrtum 3:
Ein Gehörschutzstöpsel, der halb in den Gehörgang eingesetzt ist, bietet die Hälfte an Lärmschutz.
Wenn ein gut sitzender Gehörschutzstöpsel eine Dämmleistung von 30 dB hat, erscheint es auf den ersten Blick plausibel, dass ein halb eingesetzter Gehörschutzstöpsel auch die Hälfte der Dämmleistung bietet, also 15 dB. In Wahrheit bietet ein nur halb eingesetzter Gehörschutzstöpsel eine Dämmleistung von 0 dB.

Ein gutes Gehörschutzprodukt darf nicht alle Geräusche blockieren, sondern muss einerseits schädliche Lärmpegel verringern und gleichzeitig jene Geräusche und Signale durchlassen, die zur Durchführung der Arbeiten unerlässlich sind: Rufe von Kollegen, Warnsignale und Maschinenwartungsgeräusche.  Es gibt Gehörschutzprodukte, die kommunikationsfreundlicher sind als andere. Diese Gehörschutzprodukte mit gleichmäßiger Dämmwirkung dämpfen alle Frequenzen etwa gleich stark, sodass sich Sprache und Warnsignale natürlicher anhören, statt unhörbar oder verzerrt zu sein.

Irrtum 4:
Zur Vorhersage der Schutzwirkung ­unter realen Bedingungen muss der SNR halbiert werden.
Viele Studien kamen zu dem Schluss, dass die unter realen Bedingungen erreichte Dämmleistung manchmal weit unter dem im Labor ermittelten Dämmwert (Single Number Rating, SNR) liegt. Für diese Abweichung gibt es einige gute Gründe: Anwender in realen Arbeitsumgebungen werden unter Umständen nicht ausreichend geschult oder konzentrieren sich beim Anpassen ihrer Gehörschutzprodukte eher auf Komfort als auf höchstmöglichen Schutz. Oder sie nehmen absichtlich eine unzureichende Dämmleistung in Kauf, um ihre Kollegen und Maschinengeräusche besser verstehen zu können.

Das Gehörschutzteam von Honeywell Safety Products führte an acht Industriestandorten eine Studie durch, bei der mit Hilfe eines Testsystems zum ordnungsgemäßen Einsetzen von Gehörschutzstöpseln unter realen Bedingungen die Dämmleistung bei 100 Arbeitnehmern gemessen wurde, die Produkte unterschiedlicher Hersteller trugen.  Die Arbeitnehmer wurden angewiesen, ihre Gehörschutzstöpsel wie gewohnt einzusetzen. Anschließend wurde für jedes Ohr der persönliche Dämmwert (Personal Attenuation Rating, PAR) gemessen. Die PAR-Ergebnisse zeigten, dass ein Drittel der Arbeitnehmer eine Dämmleistung erreichte, die leicht über dem veröffentlichten SNR lag. Bei einem Drittel der Arbeitnehmer lag die Dämmleistung jedoch bis zu 5 dB unter dem veröffentlichten SNR und bei einem weiteren Drittel sogar deutlich darunter (bis zu 25 dB).

Irrtum 5:
Es gibt keine Möglichkeit, die ­tatsächliche Dämmleistung für einzelne Arbeiternehmer beim Tragen von Gehörschutzstöpseln zu ermitteln.
Neueste Testverfahren ermöglichen es, die individuelle Lärmexposition jedes Arbeitnehmers zu bestimmen.  Dazu müssen die Arbeitnehmer an einem speziellen Hörtest teilnehmen - zunächst ohne und dann mit Gehörschutzstöpseln. Die gemessene Abweichung gibt einen Hinweis darauf, wie gut die Arbeitnehmer durch ihre Gehörschutzstöpsel geschützt sind. Anhand der Ergebnisse kann man feststellen, ob eingehendere Schulungen zum richtigen Sitz der Gehörschutzstöpsel erforderlich sind oder ob ein anderes Gehörschutzstöpsel-Modell verwendet werden sollte. Eine Feldstudie zum optimalen Sitz unter realen Bedingungen ergab, dass viele Arbeitnehmer eine um 20 bis 30 dB höhere Dämmleistung erreichten, indem sie einfach das Modell wechselten. Diese neuesten Testverfahren helfen dabei, das Schutzniveau Ihrer Arbeitnehmer mit einem bestimmten Gehörschutzstöpsel genau zu bestimmen. Das Ergebnis ist ein persönlicher Dämmwert (PAR).

Irrtum 6:
Es gibt keine Möglichkeit, die Lärm­dosis zu ermitteln, der ein Arbeitnehmer im Laufe seines Arbeitstages trotz getragener Gehörschutzprodukte ausgesetzt ist.
Die In-Ear-Dosimetrie setzt Miniaturmikrofone ein, die unter die Gehörschutzstöpsel oder Kapselgehörschützer gesteckt werden, um die Lärmdosis zu messen, die wirklich am Trommelfell ankommt. Wenn die vom Arbeitnehmer verwendeten Gehörschutzprodukte ordnungsgemäß sitzen, wird die während der Schicht gemessene Lärmdosis unter 50% liegen. Wenn die Produkte jedoch nicht korrekt sitzen oder vom Arbeitnehmer bei hohem Lärmpegel wiederholt abgesetzt oder entfernt werden, wird der für die Schicht ermittelte Wert wesentlich höher ausfallen. Durch das sofortige Feedback erhalten Arbeitnehmer (und Sicherheitsfachkräfte) die entscheidenden Informationen, um unverzüglich Korrekturmaßnahmen ergreifen zu können.

Mit Hilfe der In-Ear-Dosimetrie wissen die Arbeitnehmer sofort, ob schädliche Lärmpegel an ihre Trommelfelle gelangen und wenn ja, wie hoch diese sind. Wenn die Lärmexposition am Trommelfell unterbunden wird, kann auch einem Gehörverlust wirksam vorgebeugt werden.

Wenn solchen einfachen Irrtümern beim Gehörschutz vorgebeugt wird, können auf stabilen Grundlagen Gehörschutzprogramme aufgebaut werden, die wirklich das bewirken, wofür sie entwickelt wurden: lärmbedingten Gehörverlust zu vermeiden.

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