Management

Deutschland braucht ein Frühwarnsystem!

Technisch möglich, wir müssen es nur anpacken - ein "Ruck-Beitrag" von Dipl.Ing. Ulrich Skubsch

08.06.2010 - Wir brauchen ein effizientes Frühwarnsystem - die Technik dafür ist längst vorhanden. „Es kommt nicht darauf an, die Zukunft genau vorherzusagen, sondern auf die Zukunft vorbereite...

Wir brauchen ein effizientes Frühwarnsystem - die Technik dafür ist längst vorhanden. „Es kommt nicht darauf an, die Zukunft genau vorherzusagen, sondern auf die Zukunft vorbereitet zu sein" - so brachte es bereits der griechische Staatsmann Perikles etwa 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung auf den Punkt.

Die Richtigkeit dieser Erkenntnis wurde uns allen von der unseligen "Aschewolke" wieder einmal vor Augen geführt. Aber auch die traurigen Geschehnisse rund um die "Loveparade" belegen das. Weitere Katastrophen können hoffentlich verhindert werden - wenn wir handeln. Ein Beitrag von Dipl. Ing. Ulrich Skubsch, Sachverständiger für elektronische Alarmsysteme und Funkübertragung.


Die Aschewolke, die sich nach Ausbruch eines isländischen Vulkans über den europäischen Luftraum legte, hat extreme finanziellen Einbußen und erhebliche Kosten verursacht - und selbst nach Wiederaufnahme des Flugbetriebs herrschte noch tagelanges Chaos für die wartenden und auf den Flughäfen campierenden Passagiere.


Wäre das alles vermeidbar gewesen? Nun, es wäre bedingt vermeidbar gewesen, wenn die Koordination des totalen Flugverbotes im Vorhinein hätte geplant bzw. berücksichtigt werden können. Hier eröffnet sich ein enormes Spektrum an Möglichkeiten, die den Rahmen dieses Beitrages sprengen würden. Allerdings lohnt sich ein Blick auf vergleichbare asymmetrische Bedrohungslagen und Szenarien, die unsere Branche beschäftigt: Etwa Bedrohungslagen mit Spätfolgen durch Expansion von toxisch kontaminierter Umgebungsluft oder Beeinflussung unserer Nahrungsmittel. Stichwort: Schmutzige Bombe, Vergiftung des Trinkwassers etc.


Solche Szenarien, die uns alle betreffen können, haben eines gemeinsam: Wir möchten vorher gewarnt werden - und zwar rechtzeitig, zumindest aber so früh wie irgend möglich! Dies sieht auch die Regierung so. Zwar wurden nach Ende des kalten Krieges in vielen Landesteilen die ca. 100.000 Sirenenanlagen seitens des Bundes als überflüssig und zu teuer deklariert (1995) - heute sollen bundesweit nur noch 35.000 klassische Sirenen in Funktion sein - aber die Notwendigkeit eines Bevölkerungs-Frühwarnsystems wird heute nicht mehr bezweifelt.


Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BBK)
Aufgabe des BBK ist nicht nur die Warnung der Bevölkerung - der Schutz kritischer Infrastrukturen steht damit in direktem Zusammenhang. Christoph Unger, Präsident des BBK, definierte 2006 die Kernpunkte einer „Neuen Strategie", die gemeinsam von Bund und Ländern verfolgt werden müssten. Ein ganz wesentlicher Kernpunkt dabei: Ein neues Warnsystem für die Bevölkerung! Die Behörde richtet großes Engagement also auf die Warnung und Information der Bevölkerung - dazu gehören insbesondere der Ausbau des integrierten Warnsystems mit dem Kernelement der satellitengestützten Warninformation über Rundfunk sowie die Entwicklung von Konzepten für eine umfassende Information der Bevölkerung einschließlich der Risiko- und Krisenkommunikation. Die Wiedererrichtung eines flächendeckenden Sirenennetzes in der Bundesrepublik Deutschland ist nicht vorgesehen. Allerdings werden neue Möglichkeiten der flächendeckenden Alarmierung der Bevölkerung getestet.


Es muss dringend etwas geschehen
So weit so gut - können wir uns also getrost dem Tagesgeschäft widmen? Leider heißt die Antwort Nein. Denn, was bei all diesen durchaus ehrenwerten Bemühungen völlig fehlt, ist eine Weckfunktion. Was nützt es dem friedlich schlafenden Bürger, wenn dieser nachts um 3 Uhr seinen Fernseher oder sein Radio einschalten muss? Er schläft doch schließlich! Schon 2007 hat Axel Dechamps es in der „Zeit" zum Thema gemacht: „Es muss dringend etwas geschehen«, sagte damals der oberste Katastrophenschützer in der Berliner Innenbehörde. Auch der digitale Behördenfunk in Deutschland wird bereits seit 13 Jahren diskutiert. Und immer noch ist man hier weit davon entfernt, über ein funktionsfähiges Kommunikationsnetz zu verfügen. Sicherlich ist diese höchst peinliche behördliche und industrielle Beschäftigungstherapie für niemanden akzeptabel, schon gar nicht als Beispiel für das Zeitmaß bei der Schaffung eines landesweiten Frühwarnsystems. Laut Bundesratsbericht sieht der Bund nach dem Aufbau des Satellitengestützten Warnsystems (SatWas) für sich „keinen weiteren Handlungsbedarf" („Die Zeit" 2007).


Rückkehr des alten Sirenensystems?
Befragt man die vielen Freiwilligen, dort wo die Katastrophenübungen durchgeführt werden und immer wieder in Aufarbeitungsdiskussionen analysiert werden, wird vielerorts das alte Sirenensystem zurückgefordert. Die Bezahlung wird in entsprechenden Landesbereichen immer kategorisch abgelehnt - wo sollten die Finanzmittel auch hergenommen werden?


Allerdings geht man hier regelmäßig von falschen Zahlen aus: Immer wieder wird auf Basis der alten motorgetriebenen und wartungsintensiven Sirenenanlagen kalkuliert: Heute braucht niemand mehr den Drehstrommotor mit aufwendigem Steuerschrank und jährlichem Wartungszyklus. Der Druckkammerlautsprecher mit Elektronik, das Solarpaneel mit Puffer-Akku und einer Empfangseinheit kostet nur noch einen Bruchteil des ursprünglichen Systems und ist extrem wartungsarm. Dazu kommt, dass neben den Sirenensignalen sogar individuelle Durchsagen möglich sind - z.B. die Aufforderung, die Fenster zu schließen, in den Häusern zu bleiben etc.


Verantwortliche Entscheider verstecken sich hinter immer gleichen Argumenten, niemand will das neue Warnsystem bezahlen. Katastrophen in Friedenszeiten sind Ländersache und nur im Kriegsfall fallen sie in die Zuständigkeit der Bundesregierung. Diese schuf zwar vor Jahren das BBK, hier beschäftigt man sich allerdings nicht wirklich merklich mit der Installation eines durchgängigen Warnsystems und ist offensichtlich mit dem SatWas in seiner jetzigen Form hochzufrieden. Wie sinnvoll die Verknüpfung von modernen automatisiert arbeitenden Managementsystemen mit einem Frühwarnsystem funktioniert, kann derweil im Ausland besichtigt werden.


Die immer wieder genannte Heimrauchmelder/Funkempfänger-Lösung zur Überbrückung der letzten Meile - der Funkwecker im Rauchmelder-Gehäuse also - ist schlicht und einfach nicht zu Ende gedacht. Es ist die Energieversorgung hier anders als bei einer Funkuhr, die sich einmal am Tag zum Empfang des Korrektur-Bursts selbst auf Empfang schaltet und die eigene Quarzuhr-Zeit somit korrigiert und präzisiert. Ein Alarmierungsempfänger muss kontinuierlich auf Empfang sein - entsprechend ist sein Energiebedarf.


Sofort einsetzbar: Das RDS-System
Eindeutig, unmissverständlich und vor allem sofort einsetzbar ist das RDS-System mit automatisierter Einschaltung, Alarmdurchsage und Multi-Ausgabe-Funktion. Autarke und neben der Netzstromversorgung bewährte Energieversorgung sind Garanten für problemlosen Einsatz. Aber wir wären nicht ein Land mit einer Vielzahl an wissenschaftlichen Instituten und vernetzten und koordinierten Universitäten mit den diversen „Spin Offs", also aus wissenschaftlicher Arbeit hervorgegangenen Unternehmen, wenn es so etwas vermeintlich neues Tolles wie dieses nicht gäbe: Forscher am Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen wollen die Bevölkerung mit hupenden Autos vor Katastrophen warnen.


Das Ziel sind die unzähligen parkenden Autos, die - spezielle Autoradios vorausgesetzt - bei Gefahrenlagen plötzlich hupen sollen und somit den Bürger wecken könnten um dann wiederum das Einschalten von TV Gerät oder Radio zu veranlassen! Schade nur, dass diese Technik ebenfalls noch gar nicht entwickelt wurde und zunehmend die parkenden Autos in Tiefgaragen verschwinden, die in abgelegenen Bereichen von modernen Wohnanlagen dann gar nicht mehr gehört werden. Kein Architekt wird deswegen nun in den neuen Wohnanlagen die Schlafzimmer an den lärmenden Verkehrsstraßen ausrichten.


Warum wird nicht etwas über den Tellerrand geschaut? Unser Nachbar Schweden macht es uns vor: 47.000 Radiowecker bei schwedischen Bürgern sind dazu vorbereitet, bei Alarm plötzlich in voller Lautstärke die Warnung zu übermitteln und sogar in einem aus den Autoradios bekannten Laufschriftband (RDS) per Text lesen zu lassen, was Hintergrund der Alarmierung und was die Basis Information darstellt. Mit Weitblick wurde auch der Gehörlosen gedacht, ein mit dem Gerät gekoppelter Summer vibriert im Alarmfall unter dem Kopfkissen und lässt auch diese Menschen aufmerken.


In Deutschland entwickelt
Dieses System wurde in Deutschland/Schleswig Holstein entwickelt, ja sogar zur vollen Zufriedenheit inzwischen weltweit erprobt, aber - Föderalismus sei Dank - nach dem Motto „Der Prophet gilt nichts im eigenen Land" einfach in die letzte Ecke der behördlichen Schubladen verbannt. Aber warum? Kostenargumente ziehen nun wirklich nicht: Stückzahlen vorausgesetzt kostet so ein Funkwecker unter 40 €. Ein vor wenigen Wochen durchgeführter Versuch im Roten Rathaus in Berlin ließ die „Probe- Warnung" dem erstaunten Auditorium nach nur zwei Tagen Vorbereitungszeit auf dem Display des dortigen Radio-Weckers erscheinen. Mitten im laufenden Sendebetrieb von Deutschland-Radio Kultur wurde für die Berliner Bevölkerung zwar ersichtlich, aber nicht verständlich der Schriftzug der RDS-Display-Anzeige „manipuliert".


Eine Technik, die, längst fertig gestellt, weltweit bereits im Einsatz erprobt wurde und - nun kommt die Verknüpfung mit aktuellen „Safe City"-Gedanken - in die Strategie des Schutzes kritischer Infrastrukturen schnellstens eingebracht werden kann, fristet ein unverständliches Schattendasein.


Europaweit ist die Höhe der Messlatte (= unsere sicherheitspolitische Vorbereitung auf Unvorhergesehenes) bereits definiert:
Störungen und Ausfälle in der Energieversorgung, in den Bereichen der Mobilität, Kommunikation und des Notfall- und Rettungswesens können erhebliche volkswirtschaftliche Schäden nach sich ziehen und weite Teile der Bevölkerung unmittelbar betreffen.
Der Schutz von Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden, ist „die" wichtige Aufgabe vorsorgender Sicherheitspolitik.

Ohne zeitverzögernde Genehmigungsstrukturen lassen sich sensorisch initiierte Gefahrenlagen sofort in Maßnahmen einbinden und die Frühwarnung ist wirklich unverzüglich platzierbar. Die intelligenten Managementsysteme der letzten Generation gestatten eine Verknüpfung mit anderen Subsystemen und die japanische „Erdbebenfrühwarnung" findet ihren Automatismus gleichermaßen wie die Tsunami-Frühwarnung im philippinischen Küsten-Dorf ohne jegliche Infrastruktur!


Wir brauchen eine Warnkultur

Der Katastrophenforscher Willi Streitz von der Universität Kiel fordert zu Recht eine Warnkultur, „ein Bewusstsein dafür, wie es nach der Warnung weitergeht". Die richtige Richtung ist aufgezeigt und darf, nein, muss von den Kompetenz- und Entscheidungsträgern so schnell wie möglich im Schulterschluss auf die Reihe gebracht werden. Das Bewusstsein dafür, dass jederzeit das Unvorhergesehene eintreten kann, ist seit der isländischen Asche einmal mehr ins Rampenlicht gerückt worden. Warten wir bitte nicht erst, bis die Schmerzschwelle bereits hinter uns liegt!

Kontakt

Ulrich Skubsch USK Consult Ing.- u. Sachverständigenbüro

Heisterbusch 12
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