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Museumssicherheit: Schutz der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden

21.09.2011 - Welche Systeme für die Sicherheit der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) sorgen: Im Gespräch mit SKD-Sicherheits-Chef und Verdienstkreuzträger Michael John und dem Sicherhei...

Welche Systeme für die Sicherheit der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) sorgen: Im Gespräch mit SKD-Sicherheits-Chef und Verdienstkreuzträger Michael John und dem Sicherheits-Experten Paulus Vorderwülbecke, Leiter Sicherungstechnik bei VdS (Vertrauen durch Sicherheit).

Herr John, Sie sind Leiter der Abteilung Technischer Dienst der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Was war in Sachen Museumssicherheit die besondere sicherheitstechnische Herausforderung?

Michael John: Die Sicherheit unserer Besucher und Mitarbeiter wird durch das Baurecht abgedeckt, beispielsweise durch Bauordnungen, die Versammlungsstättenverordnung, die Vorschriften zu Flucht- und Rettungswegplänen, Notausgängen, Arbeitssicherheit. Dann ist da auch die Sicherheit unserer etwa einer Million Kunstgüter, von denen einzelne mehr als zweistellige Millionenbeträge wert sind. Die öffentliche Ausstellung solcher enormen Werte bedingt immer ein Gesamtkonzept aus mechanischen, personellen und elektronischen Maßnahmen. Jede dieser Kategorien muss für sich bewertet werden und ins Gesamtkonzept passen. Was nutzen beispielsweise die WK4-Tür und eine Top-Alarmanlage in einem Raum mit einfacher Gipskarton-Wand?

Herr Vorderwülbecke, können Sie das genau so bestätigen?

Paulus Vorderwülbecke: Das kann VdS uneingeschränkt bestätigen. Genau aus diesem Grund bieten wir nicht ausschließlich die Prüfung und Anerkennung hochwertiger Produkte zur Sicherungstechnik an, sondern arbeiten immer auch Gesamtkonzepte aus. Konkret sind hier die Sicherungsrichtlinien für Museen und Ausstellungshäuser, VdS 3511, zu nennen, die ihre Leser auf www.vds.de kostenlos herunterladen können.

Grundsätzlich sind Kunst- und Kulturgegenstände in Museen vielfältigen Gefahren ausgesetzt. Da sind einerseits z. B. Diebstahl, Raub und Vandalismus. Letztes Jahr wurde in Paris Museumskunst für eine halbe Milliarde Euro gestohlen - einer der teuersten Einbrüche aller Zeiten. Übrigens begünstigt durch eine defekte Alarmanlage. In Schweizer Museen gab es sogar Raubüberfälle. Zusätzlich sind Museen auch noch einer hohen Brandgefahr ausgesetzt, wie das nächtliche Feuer in der Anna-Amalia-Bibliothek zeigte. Brände haben oft ganz profane Ursachen: Ein altes Stromkabel im Vorführraum „brennt durch" oder ein defekter Schalter an der Kasse erzeugt Funken; durch eine Überlastung alter Verkabelung wird Wärme erzeugt, die zu einem Schwelbrand führt usw. Weitere Gefahren können natürlichen Ursprungs sein: Stürme oder Überschwemmungen verursachen vielfach erhebliche Zerstörungen.

Michael John: Ja, während der Hochwasserereignisse der Weißeritz und der Elbe im Jahr 2002 sah der Dresdner Zwinger streckenweise aus wie eine Wasserburg. Wir mussten am ersten Tag der Bedrohung durch Oberflächenwasser der Weißeritz spontan improvisieren, damit unsere Schätze den Tag überstehen. Glücklicherweise war es ein Diensttag, ausreichend Museumspersonal war präsent. Wir transportierten ca 3.000 Gemälde in fünf Stunden aus den bedrohten Kellerräumen in die sicheren oberen Geschosse. Danach evakuierten wir mit Hilfe der Bundeswehr und spezieller Transportfirmen etwa 25.000 Plastiken der Skulpturensammlung aus den ebenfalls bedrohten Kellerräumen im Albertinum.

Paulus Vorderwülbecke: Schon ein Rohrbruch in den hauseigenen Wasserleitungen kann zum Totalverlust von Kunstwerken führen. Abhilfe bzw. Hilfe bei der zeitnahen Erkennung solcher Schäden kann durch eine Gefahrenmeldeanlage geschaffen werden, die (u. a.) mit Wasser- oder Feuchtigkeitsmeldern ausgerüstet ist. Wenn ein kritisches Ereignis bemerkt wurde, können sehr zeitnah schadenverhütende Maßnahmen eingeleitet werden - diese Maßnahmen können ganz unspektakulär mit der sofortigen Unterbrechung der Wasserversorgung beginnen.

Michael John: Eine weitere spezielle Herausforderung an die Sicherheitsmaßnahmen ist die denkmalgeschützte und überlieferte Bausubstanz. Ich erinnere nur an den weltbekannten Dresdner Zwinger, das im Wiederaufbau befindliche Dresdner Schloss oder das Albertinum.

Paulus Vorderwülbecke: Gerade in den denkmalgeschützten Gebäuden vieler Museen werden aus Angst vor der aufwändigen und gegebenenfalls auch die Bausubstanz beeinflussenden Leitungsverlegung bei der Installation konventioneller Gefahrenmeldeanlagen Abstriche gemacht. Die Millionenschäden an zerstörten Werken und die hohen Kosten für den Wiederaufbau nach dem Brand in der Weimarer Anna-Amalia-Bibliothek 2004 - übrigens auch durch einen Defekt im hauseigenen Stromleitungsnetz ausgelöst - hätten durch eine sinnvoll konzipierte Gefahrenmeldeanlage verhindert oder zumindest in ihren Ausmaßen verringert werden können. Dort, wo leitungsgebundene Technik nicht einsetzbar ist, lassen sich oft auch moderne, funkbasierte Gefahrenmeldeanlagen ohne wesentliche Beeinträchtigungen der historischen Bausubstanz installieren. Funklösungen empfehlen sich auch, wenn sich der unmittelbare Installationsort für die Melder, beispielsweise wegen wechselnder Ausstellungen, häufiger ändert. Ein wie so oft aus einem ganz alltäglichen Computerdefekt resultierender Brand im Weltkulturerbe Schloss Augustusburg in Brühl beispielsweise konnte letzten Sommer dank VdS-zertifizierter Multisensor-Brandmelder schnellstens detektiert und gelöscht werden, noch bevor das Feuer auf andere Räume übergriff.

Michael John: Kritisch für mich ist natürlich auch die außergewöhnlich große Wertansammlung in vielen der zu uns gehörenden zwölf Museen. Einzelne Exponate sind weltbekannt und haben unschätzbaren Wert. Erinnert sei an die Sixtinische Madonna von Rafael, die Dinglinger-Arbeiten im Grünen Gewölbe (allen voran „Der Hofstaat des Großmoguls") und den unglaublichen „Grünen Diamant". Dann müssen wir noch mit einer außergewöhnlich hohen Besucherzahl umgehen - allein im Jahr 2010 wollten 2,6 Millionen Menschen die Schätze in unseren Museen sehen.

Wer hat das Konzept erarbeitet?

Michael John: Wir stimmen die Herangehensweise an Sicherungskonzepte im Vorfeld mit dem LKA Sachsen ab. Die Experten der Polizei geben uns eine sicherungstechnische Empfehlung. Diese wird gemeinsam von uns Museumsverantwortlichen, den Fachplanern der Gefahrenmeldetechnik, Architekten, der Bauverwaltung als Bauherr und mitunter auch unseren Versicherern, beispielsweise bei Bauten für Sonderausstellungen, erarbeitet. Dabei stehen die mechanischen und elektronischen Maßnahmen im Vordergrund. Flankierend stellt das Museum aber bereits das organisatorische und personelle Konzept vor, indem wir aufzeigen, welche Regelungen wir für das Haus planen, wie die Aufsicht instruiert wird und vorgehen soll. Eine entscheidende Rolle spielt auch das Sicherheitszentralen-Management.

Paulus Vorderwülbecke: Die Sicherheitszentrale, die so genannte Leitstelle, muss nicht nur ständig einsatzbereit sein, sie darf auch nicht angreifbar sein - weder real noch virtuell, also etwa über Computerverbindungen nach draußen. Mit zu diesem Thema gehört zudem, dass nicht nur die Wahrnehmung und Verarbeitung von Meldungen gewährleistet sein muss, sondern vor allem auch die Frage „was passiert dann?" von vornherein beantwortet wird. Zu jeder möglichen Meldung, sei es „Wegnahme", „Sabotage" oder ähnliches, muss eine klare Handlungsanweisung bestehen, damit nicht in der Hektik eines Ernstfalls Fehlentscheidungen gefällt werden. In Dresden sind diese Anforderungen durch den Kollegen John rundum berücksichtigt.

Michael John: Vielen Dank. Und organisatorische wie personelle Randbedingungen werden durch die Dienstordnungen der Museen - unter anderem die Depotordnung, Schlüsselordnung, Ordnung für den Aufsichtsdienst, Regelung von Fremdhandwerkern - sowie durch die Personalkonzepte für die Aufsicht und die Sicherheitszentralen gebildet. Auch Themen wie die jeweiligen Anforderungen an das Personal und die Ausrüstung der Kollegen, gegebenenfalls mit Waffe, Funkgerät, Spezialkleidung, müssen dabei beachtet werden. Einfluss auf unsere Planungen und Überlegungen haben auch die Arbeitsumgebungen der Kollegen, also Servicebereiche wie der Pausenraum und die Umkleide. Diese dürfen als potentielle Einfallstore für Kriminelle keinesfalls übersehen werden. - Von Seiten der elektronischen Sicherungstechnik ist vor allem das Konzept der Vorfeldüberwachung, die sogenannte Perimetersicherung, zu behandeln. Dazu kommen Fenster- und Türüberwachung, Raumüberwachung, Einzelobjektsicherung verschiedener Kunstwerke sowie Videoüberwachung. Es gilt das Prinzip der Zwiebelschalen.

Paulus Vorderwülbecke: Das Zwiebelschalenprinzip hat sich in der Sicherungstechnik gut bewährt. Ziel ist, einen Täter oder eine drohende Tat möglichst frühzeitig zu erkennen, Maßnahmen zu koordinieren und aufeinander abzustimmen. Dabei können etliche Maßnahmen durchaus auch von der Haustechnik geleistet werden, etwa die Optimierung von Beleuchtungsquellen. Generell sollten aber immer dann, wenn es um spezielle Techniken geht, wie etwa um Einbruchmelde- oder allgemein um Gefahrenmeldetechnik, zertifizierte Experten in die Planung einbezogen werden. Die VdS-anerkannten Errichter von Gefahrenmeldetechnik sind hierfür prädestiniert. Sie haben ihr Können in umfangreichen Prüfungen unter Beweis gestellt haben. Listen finden Sie auf www.vds.de.

Welche Technik wurde denn eingesetzt?

Michael John: Für den Verbund verschiedener Gefahrenmeldezentralen mit Management-Software nutzt die Staatliche Kunstsammlung Dresden Siemens-Systeme. Allerdings arbeitet Siemens auch mit einer Vielzahl von Spezialfirmen wie Rode Melder, Sick, Axis, Schmeissner und vielen anderen zusammen. Verbaut wird schlussendlich das jeweils am besten geeignete technische Produkt - bei der letztendlichen Entscheidung ist aber auch die Vorlage eines VdS-Zertifikates ein Kriterium. Natürlich bemühen wir uns, diesen Standard auch ohne eine formale Versicherung der Dauerausstellungsexponate einzuhalten, denn es ist die höchste Qualitätskontrolle.

Welche Sicherheitsgewerke sind außerdem im Einsatz im Museum?

Michael John: Zur Prävention von Bränden, die, wie Paulus Vorderwülbecke betonte, ständig entstehen können, nutzen wir eine Brandmeldeanlage, Rauchansaugsysteme und Linearmelder - in aller Regel mit VdS- Anerkennung. Unsere Videoüberwachung erfolgt durch sowohl analoge als auch digitale Videotechnik von Axis und Siemens, und zwar über alle Sicherheitsschritte hinweg - von der Aufzeichnung über die Übertragung bis zur Langzeitspeicherung. Dank dieser Videotechnik ist es möglich, eventuelle Alarme der Einbruchmeldeanlage ohne Zeitverzögerung aufzuklären. So wussten wir vor ein paar Wochen schon nach kurzer Zeit, dass die Ursache für die Auslösung von Bewegungsmeldern ein Eichhörnchen in einem Raum für Ausstellungsvorbereitung war. Schwieriger war dann schon die Befreiung des Tierchens, im gegenseitigen Interesse. Die Filmemacher von „Ice Age" hätten ihre Freude an unserer Jagd gehabt. Die Fluchtwegtechnik stammt von Dorma, unsere elektronische Schließanlage von Zeiss-Ikon. Die Zeiterfassung allerdings läuft über Faber-Castell: Also per Bleistift.

Und wer hat die Anlagen errichtet?

Michael John: Auch das lag in den Händen von Siemens und Siemens-Sub-Firmen für beispielsweise die Verkabelung oder die Montage. Natürlich unterstützt die Staatliche Kunstsammlung Dresden außerdem wann immer möglich die hiesigen Fachkräfte, wir nutzten auch die Dienste lokaler Anbieter wie Schlüssel-Felgner, der Firma Häbold oder des lokalen Bosch-Dienstleisters.

Jetzt stehen noch welche Ausbaustufen an?

Michael John: Ein ganz großes Projekt ist natürlich die Fertigstellung des Ausbaus unseres Schlosses, die hoffentlich bis etwa 2020 abgeschlossen sein wird. Und die Sanierung des mathematisch-physikalischen Salons im Zwinger soll 2012 beendet sein, die Sanierung der Gemäldegalerie Alte Meister dann 2013 bis 2015. Bei sämtlichen baulichen Maßnahmen werden die Bildung von Sicherungsbereichen und die entsprechenden mechanischen Widerstandsklassen an Türen und Fenstern, der sogenannten Außenhaut, abgestimmt.

Wie lautet das derzeitige Fazit des Sicherheitsexperten zum aktuellen Stand in Sachen Sicherheit?

Michael John: Aktuell gilt für alle zwölf unserer Museen: die Versicherer sind zufrieden, externe Gutachter und Analysten sind zufrieden, ich bin zufrieden. Der Schwerpunkt für die nächsten Jahre liegt dann nicht mehr auf neuen Errichtungen, sondern auf der konzeptgerechten und trotzdem bezahlbaren Betreibung und Wartung der Systeme.

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