Management

Luftsicherheit: Interview mit Peter Andres, Leiter Konzernsicherheit bei Lufthansa

14.03.2012 - Die Deutsche Lufthansa AG ist ein weltweit operierendes Luftverkehrsunternehmen. Der Konzern ist in fünf Geschäftsfeldern aktiv, die Mobilität mit hohem Qualitätsanspruch und Diens...

Die Deutsche Lufthansa AG ist ein weltweit operierendes Luftverkehrsunternehmen. Der Konzern ist in fünf Geschäftsfeldern aktiv, die Mobilität mit hohem Qualitätsanspruch und Dienstleistungen für die Fluggesellschaften anbieten. Passage Airline Gruppe, Logistik, Technik, Catering und IT Services nehmen ­jeweils eine führende Rolle in ihrer Industrie ein. Zum Lufthansa Konzern gehören ­insgesamt über 400 Tochterunternehmen und Beteiligungsgesellschaften. Unser wissenschaftlicher Schriftleiter Heiner Jerofsky sprach mit Peter Andres, Leiter für Konzernsicherheit, über seine Aufgaben und Sicherheitsstrategien.

Der gute Ruf einer Airline hängt unmittelbar mit dem Begriff Sicherheit zusammen. Hohe Sicherheits-Anforderungen gelten nicht nur für Flugzeuge, sondern auch für alle Gebäude und Anlagen am Boden. Wie ist der Unternehmensbereich Corporate Security organisatorisch und personell auf­gestellt und wie würden Sie die konzern­eigenen Sicherheitsziele definieren?

Peter Andres: Die Konzernsicherheit der Lufthansa beschäftigt ca. 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, etwa zur Hälfte aufgeteilt in die „klassischen Bereiche" einer Sicherheitsabteilung und den „Spezialbereich" der Luftsicherheit, die uns allein aufgrund der umfangreichen Aktivitäten der Gesetzgeber sehr stark beschäftigt. Darüber hinaus gibt es in den Tochtergesellschaften (z. B. Cargo) und bei den Airlines im Verbund der Lufthansa (z. B. Swiss) weitere Sicherheitsorganisationen. Der Werkschutz in Frankfurt (als Teil der Shared Ser­vices) und natürlich eine Vielzahl von beauftragten Dienstleistern komplettieren das Bild. Die Ziele sind (sicherlich nicht überraschend) der Schutz der Mitarbeiter, Gäste und Vermögenswerte der Lufthansa gegen kriminelle oder terroristisch motivierte Vorfälle. Darüber hinaus wollen wir als Global Player der Airline-Branche auch die Regeln der Luftsicherheit mitgestalten und für die staatlichen Akteure dabei als kompetente Berater verfügbar sein.

Eine der Hauptaufgaben der Lufthansa-Konzernsicherheit ist der Schutz des gesamten Geschäftsbetriebes der Unternehmen im Lufthansa Konzernverbund sowie die Gewährleistung von Sicherheit für Passagiere und Personal. Wie können sich unsere Leser diese Mammut-Aufgabe im Einzelnen am Beispiel des Drehkreuzes Rhein-Main-Flughafen vorstellen?

Peter Andres: Gesetzlich gibt es in Deutschland eine Aufteilung der Luftsicherheitsverantwortung auf Bund, Länder, Flughäfen und Fluggesellschaften. Primär werden die Aufgaben in den Terminals am Flughafen Frankfurt von Bundespolizei und Fraport verantwortet. Aber dieser Flughafen ist ja mehr schon eine Stadt für sich, das heißt, dass auch Landespolizei- und behörden, Airlines und Zoll erhebliche Aufgaben haben. Dies drückt sich übrigens in einer exzellenten Zusammenarbeit aller Sicherheitsakteure hier vor Ort aus.

Die größte Unsicherheit und Bedrohung beim Flugverkehr sind terroristische Anschläge oder Flugzeugentführungen. Die Sicherheitsbehörden und die Airport-Betreiber unternehmen große Anstrengungen, um solche Verbrechen zu verhindern. Welchen Beitrag kann die Lufthansa leisten, um mögliche Sicherheitslücken zu erkennen und zu schließen?

Peter Andres: In Europa und den USA sind ja massive Anstrengungen zur Stärkung des Sicherheitssystems unternommen worden. Wir betrachten uns als Teil dieses Systems und beteiligen uns an der kompetenten Umsetzung und Weiterentwicklung in diesen Staaten. Schwieriger ist es in manchen anderen Teilen der Welt, wo wir mit unseren Sicherheitsvorstellungen besonders an den Flughäfen manchmal alleingelassen werden. Hier müssen wir die vorhandenen Maßnahmen in manchen Fällen durch eigene Aktivitäten ergänzen.

Die Sicherung aller Liegenschaften, Flugzeuge und technischen Einrichtungen, auch gegen allgemeine Kriminalität und andere Risiken, erfordert gut ausgebildetes Personal und ­einen hohen technischen Aufwand. Wie ­erreichen Sie stets einen hohen technischen Standard und welche Qualifikationen fordern Sie von Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?

Peter Andres: In gewisser Weise haben wir hier das Glück, dass sich ja unsere Flugzeuge und Anlagen häufig im Bereich der Flughäfen befinden und dort nicht durch eigene Anstrengungen der Lufthansa gesichert werden müssen. Gerade im Bereich der Cargo haben wir zur Absicherung der dort gelagerten großen Werte aber auch ein ausgefeiltes technisches Sicherheitssystem.

Das Thema Luftsicherheit erstreckt sich auch über alle Bereiche der Logistik. Die Luftfrachtabfertigung, Sonderfrachten oder Gefahrgut und der Frachtanteil in Passagiermaschinen sowie die Container der LSG verlangen die gleiche Sorgfalt wie der Passagierbereich. Wie sind diese riesigen Frachtmengen zu ­kontrollieren und welchen Einfluss hat Ihre Airline auf die Sicherheitsmaßnahmen bei ­Lagerung, Transport, Abfertigung und Be­ladung ihrer Flugzeuge mit Fracht?

Peter Andres: Gesetzlich ist die Airline gesamtverantwortlich für alles, was an Bord transportiert wird. Da die Konzernsicherheit in Personalunion auch die Sicherheitsaufgaben der Passage-Airline erfüllt, müssen wir damit unsere Tochterunternehmen (insbesondere Cargo und LSG Catering) sowie andere Lieferanten entsprechend beaufsichtigen. Die Sicherheitsregeln gerade für den Transport von Luftfracht sind ja in jüngster Zeit erheblich ausgeweitet worden. Die entsprechende Umsetzung ist aktuell eins der Hauptthemen für uns und die Sicherheitskollegen bei LH-Cargo.

Welche Aufgaben und Interessen hat die Lufthansa bei der Gewährleistung und Weiterentwicklung der Luftsicherheit in ­Zusammenarbeit mit den Luftsicherheits­behörden?

Peter Andres: Die Zusammenarbeit mit den Behörden ist eine ganz zentrale Aufgabe. Wir müssen kompetenter Gesprächspartner sein, damit die Dinge nicht nur am grünen Tisch entwickelt werden. Und leider ist es ganz typisch, dass nach einem Vorgang sehr schnell aus der Hüfte geschossen wird und sehr ineffiziente „Ad-hoc-Maßnahmen" eingesetzt werden, die dann aber in der Regel eine lange Lebensdauer haben, denken Sie an das Flüssigkeitsverbot seit 2006. Die Umsetzung der Regeln praktikabel zu halten, nach Effizienz und Innovation zu streben und auch die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts nicht aus dem Auge zu lassen, kann manchmal ganz gut einen Impuls aus der Airline vertragen. Auf der anderen Seite sind wir natürlich auch für die Umsetzung der Luftsicherheitsregeln gegenüber einer Behörde verantwortlich. Diese Compliance zu erreichen ist essenziell und eine unserer Kernaufgaben. Dafür haben wir ein ausgefeiltes Qualitätssicherungssystem entwickelt und müssen manchmal natürlich auch mit unangenehmen Botschaften auf die Fachbereiche unseres Konzerns einwirken.

Das Luftsicherheitsgesetz hat vorrangig den Zweck, Terroranschläge zu verhindern. Dazu ermächtigt und verpflichtet das Gesetz die Luftsicherheitsbehörden, die Fluggesellschaften und die Flughafenbetreiber, bestimmte Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen. Welche konkreten Tätigkeiten leiten Sie speziell für Ihre Airline aus diesem Gesetz ab und halten Sie diese Vorschrift weiter für nötig und ausreichend?

Peter Andres: Die Regeln des Gesetzes sind sinnvoll. Wir sind insbesondere verpflichtet, bestimmte Eigensicherungsmaßnahmen zu ergreifen und einige sensible Betriebsbereiche nach den speziellen Regeln des Gesetzes zu sichern. Man muss aber klar sagen, dass neben den deutschen Gesetzen für uns besonders die europäischen Regeln relevant sind, da die EU seit 2002 die Regelungskompetenz für Luftsicherheit von den EU-Mitgliedsländern übertragen bekommen hat und die EU-Normen unmittelbar gültiges Recht in Deutschland sind.

Für den Laien ist es verwirrend, dass an deutschen Flughäfen Wirtschafts-, Verkehrs-, Finanz- und Innenministerium, Landes- und Bundespolizei, Zoll, Ordnungsamt, Airport-Security, Sicherheitsdienste des Flughafenbetreibers (wie z. B. FraSec) und verschiedene private Sicherheitsdienstleister Sicherheitsaufgaben wahrnehmen. Wie ist die Zusammenarbeit und halten Sie diese Zuständigkeitsvielfalt für sinnvoll oder könnten Sie sich aus Sicht der Airline bessere Lösungen vorstellen?

Peter Andres: Das fügt sich eigentlich ganz gut ineinander...

Sie sind stellvertretender Chairman der AEA (Association of European Airlines) und in dieser Funktion stark in der politischen Arbeit mit den europäischen Behörden engagiert. Können Sie uns den Schwerpunkt dieser Arbeit beschreiben?

Peter Andres: Da die europäischen Vorschriften so maßgeblich für uns sind, ist die Arbeit in Brüssel ganz wichtig für uns. Die Entscheidungskomplexität ist hier noch um ein Vielfaches höher als auf nationaler Ebene, und daher ist es wichtig, mit allen Stakeholdern an der Luftsicherheit in permanentem Kontakt zu stehen und das z. T. mühsame und manchmal schmerzhafte Ringen um Kompromisse und Fortschritt eng zu begleiten.

Was muss sich der Leser unter Ihrer Tätigkeit als Mitglied der International Air Transport Association (IATA) in der „Security Executive Group" vorstellen?

Peter Andres: Da der Luftverkehr eine globale Industrie ist, haben wir auch Sicherheitsthemen, die einer globalen Lösung bedürfen. IATA ist das Sprachrohr der Industrie insbesondere gegenüber der ICAO (der UNO-Unterorganisation für den zivilen Luftverkehr), die ja den „Weltstandard" für Sicherheit im Luftverkehr seit den 50er Jahren weiterentwickelt. In vielen Fällen gibt es leider inzwischen überlappende oder widersprüchliche Sicherheitssysteme einzelner Staaten. Da müssen wir aufpassen, dass wir nicht alles doppelt machen müssen, um jedem Einfall einer Regulierungsbehörde gerecht zu werden.

Sie sind seit über 30 Jahren bei der Deutschen Lufthansa AG und kennen die Entwicklung des Konzerns und des Luftverkehrs. Wo liegen Ihrer Ansicht nach die Stärken dieses Traditionsunternehmens und welche privaten und beruflichen Wünsche haben Sie für die Zukunft?

Peter Andres: Über Stärken zu sprechen ist ja manchmal schwierig, gerade wenn man so lange und begeistert Teil einer Organisation ist. Wenn ich es trotzdem versuchen soll: Ich glaube, unsere Stärken liegen darin, eben nicht nur ein Traditionsunternehmen zu sein, sondern auch ein sehr innovatives und kundenorientiertes Unternehmen. Wir sind ständig bemüht, unsere Effizienz zu steigern, behalten die wirtschaftlichen Ziele im Auge, und wir sind nicht zuletzt eine Organisation mit einer starken Unternehmenskultur.

Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg bei Ihrer wichtigen Tätigkeit und bedanken uns für das angenehme Gespräch und die Einblicke in Ihren Arbeitsbereich.