Management

Interview mit Harald Olschok, Hauptgeschäftsführer des BDSW

18.09.2012 - Der BDSW vertritt die Interessen der ­Sicherheitswirtschaft gegenüber Politik und Behörden sowie Wissenschaft und Wirtschaft. Zu den über 800 BDSW-Mitgliedern zählen Unternehmen au...

Der BDSW vertritt die Interessen der ­Sicherheitswirtschaft gegenüber Politik und Behörden sowie Wissenschaft und Wirtschaft. Zu den über 800 BDSW-Mitgliedern zählen Unternehmen aus allen Bereichen der Sicherheitswirtschaft: Die Mitgliedsunternehmen des BDSW bieten vor allem hochwertige Sicherheitsdienstleistungen wie Flughafen­sicherheit, Schutz von kerntechnischen Anlagen, militärischen Liegenschaften und Industrieanlagen an. Die BDGW vertritt 44 ordentliche und 34 außerordentliche Mitglieds­unternehmen. Unser wissenschaftlicher Schriftleiter Heiner Jerofsky sprach mit Dr. Harald Olschok, Hauptsgeschäftsführer des BDSW (Bundesverband der Sicherheitswirtschaft) und BDGW (Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste) über die neue Orientierung des Verbandes, aktuelle Entwicklungen der Branche und über effiziente Sicherheitsdienstleistungen für Industrie, Handel, ­Banken, Versicherungen und Behörden.

GIT-SICHERHEIT.de: Herr Dr. Olschok, die Sicherheitswirtschaft leistet zweifelsohne ihren Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg von ­Unternehmen. Sie ist aber mit ihren Dienstleistungen auch selbst ein bedeutender ­Wirtschaftsfaktor geworden. Wie groß ist
der Umsatz der Sicherheitswirtschaft in Deutschland und wie viele Arbeits- und
Ausbildungsplätze sind dadurch gesichert?

Dr. Harald Olschok: Die zivile Sicherheitswirtschaft umfasst die elektronische und mechanische Sicherheitstechnik sowie die Sicherheitsdienstleistung. Der Gesamtumsatz beträgt über 10 Mrd. €, beschäftigt werden ca. 250.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der größte Anteil entfällt auf die Sicherheitsdienstleistung. Noch einige konkrete Zahlen dazu: Private Sicherheitsdienstleister beschäftigen fast 175.000 Sicherheitsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter und haben im Jahr 2011 nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes einen Umsatz von fast 5 Mrd. € erwirtschaftet. Seit genau zehn Jahren gibt es die Möglichkeit, einen Ausbildungsberuf in der Sicherheitswirtschaft zu erlernen. Den dreijährigen Ausbildungsberuf zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit haben mittlerweile über 7.000 junge Menschen erfolgreich abgeschlossen. Hinzu kommen knapp 600 Servicekräfte für Schutz und Sicherheit. Jedes Jahr starten fast 1.000 junge Menschen die Lehre zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit, fast 300 beginnen ihre Ausbildung für den zweijährigen Ausbildungsberuf.

Die Umsätze privater Sicherheitsdienstleister sind im Jahr 2011 um 5,5 % im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Wo sehen Sie noch Wachstumsmärkte für die Branche?

Dr. Harald Olschok: Die deutlichen Zuwächse bei den Umsätzen privater Sicherheitsdienstleister sind vor allem auf die gute wirtschaftliche Lage zurück zu führen. Wenn es der Wirtschaft gut geht, wird auch in Sicherheit investiert. Umgekehrt wird in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auch bei den Budgets für die Sicherheit gespart. Für einen gewissen Umsatzschub hat im vergangenen Jahr natürlich auch die Einführung des Mindestlohns unter dem Dach des Arbeitnehmer Entsendegesetzes gesorgt. Insbesondere in den neuen Bundesländern ist es zu deutlichen Lohnsteigerungen gekommen. Die Umsatzzahlen deuten darauf hin, dass es unseren Mitgliedsunternehmen gelungen ist, die gestiegenen Lohnkosten an die Kunden weiter zu geben.
Mittelfristig ist nach wie vor ein Outsourcing-Potenzial in der deutschen Wirtschaft, aber auch beim Staat vorhanden. Dieses Potenzial kann insbesondere dann realisiert werden, wenn es uns gelingt, die Leistungs­fähigkeit unserer Branche weiter zu steigern und das Image zu verbessern. Der Einsatz von gut ausgebildeten und vor allem auch marktgerecht entlohnten Mitarbeitern und die optimale Integration von Dienstleistung und Sicherheits­technik sind dafür wichtige Voraussetzungen.
Auch im Veranstaltungsschutz gibt es noch Wachstumspotenzial. Wir leben in einer „Eventgesellschaft". Die Herausforderungen werden - siehe die Katastrophe bei der „Loveparade" - immer größer. Die Polizei wird sich aus Ressourcengründen immer mehr mit eigenen Kräften aus dem Schutz von Großveranstaltungen zurückziehen und die Vorgaben an die Veranstalter verschärfen. Das begünstigt leistungsfähige private Sicherheitsdienstleister.

Der BDSW hat sich für alle Unternehmen aus der Sicherheitswirtschaft geöffnet. Konnten Sie seitdem schon neue Mitglieder aus anderen Segmenten der Sicherheitswirtschaft aufnehmen und stehen Sie damit in Konkurrenz zu anderen Verbänden, wie BHE, VSW, BDWi oder VfS?

Dr. Harald Olschok: Schon seit vielen Jahren haben wir mit Teilsegmenten von Bosch und EADS zwei Großunternehmen aus dem Bereich der Sicherheitstechnik im Verband, die z. B. in den Fachausschüssen Technik und Bundeswehr aktiv mitarbeiten. Aber auch einige mittelgroße Sicherheitstechnikfirmen haben gerade in letzter Zeit Interesse an einer Mitgliedschaft im BDSW bekundet. Mit anderen Unternehmen, die sich auf besonders sensible Auslandseinsätze konzentrieren, sind wir im Gespräch. Wie kein anderer Sicherheitsverband stehen wir im Blickpunkt der politischen und öffentlichen Diskussion, wenn es um Fragen der Inneren Sicherheit geht. Die Bedeutung, die sich unsere Branche durch die Leistungsfähigkeit unserer Mitgliedsunternehmen erworben hat, wird inzwischen auch von der Politik anerkannt und zeigt sich an der Aussage der Innenministerkonferenz, dass private Sicherheitsdienste ein wichtiger Bestandteil der Sicherheitsarchitektur in Deutschland sind.
In einer immer komplexer werdenden Welt ist es auch für Verbände wichtig, mit anderen Verbänden Allianzen einzugehen, um gemeinsame Interessen durchzusetzen. So haben wir beispielsweise seit vielen Jahren eine gegenseitige Mitgliedschaft mit dem BHE. Im VSW Mainz sind wir Mitglied. Der BDSW-Vizepräsident Peter H. Bachus ist dort im Vorstand. Den BDWi nutzen wir als Dachverband, um gemeinsame Interessen der Dienstleistungswirtschaft voran zu bringen. Wolfgang Waschulewski ist im Vorstand des BDWi. In der ASW sind wir Mitte der 90er Jahre als einer der ersten Verbände außerhalb der „VSW-Welt" Mitglied geworden, als die Satzung geändert wurde. Auch hier ist mit Gregor Lehnert ein BDSW-Vizepräsident im Vorstand. Wir sind Mitglied in anderen (Dach-)Verbänden und bringen dort unseren Sachverstand ein. Warum sollten nicht auch Unternehmen Mitglied in mehreren Verbänden sein?

Welche Firmen können Mitglied im BDSW werden? Welchen Vorteil haben Kunden, wenn sie ein Mitgliedsunternehmen beauftragen? Müssen BDSW-Mitglieder bestimmte Voraussetzungen erfüllen und empfehlen Sie Ihren Mitgliedern eine Zertifizierung nach DIN 77200 oder bei Errichtern eine VdS-Anerkennung?

Dr. Harald Olschok: In der Vergangenheit konnten nur Sicherheitsdienstleister ordentliche Mitglieder im Verband werden. Durch die Neuausrichtung können auch Sicherheitstechnikfirmen oder Sicherheitsberatungsunternehmen ordentliche Mitglieder im BDSW bei vollem Stimmrecht werden. Egal ob Sicherheitstechnik oder -dienstleistung, Mitglieder können nur Unternehmen werden, die einen umfangreichen Fragebogen beantworten und bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehören u.a. eine mindestens einjährige unbeanstandete Tätigkeit sowie die Vorlage von Unbedenklichkeitsbescheinigungen von Berufsgenossenschaften, Sozialversicherungsträger und Steuerbehörden. Wir nehmen nur zuverlässige und leistungsfähige Unternehmen auf, denen die Kunden vertrauen können.
Wir arbeiten schon seit längerem an einem BDSW-Qualitätsstandard. Unsere Mitglieder sind in ihrem eigenen unternehmerischen Interesse an einer permanenten Verbesserung ihrer Dienstleistungen und Produkte interessiert. In unseren zahleichen Fachausschüssen und Arbeitskreisen werden dazu wichtige Grundlagen erarbeitet. Eine zunehmende Bedeutung hat dabei die Erarbeitung von Normen gerade auch im Bereich der Sicherheits­dienstleistung. Wir sind Mitglied in der Koordinierungsstelle Sicherheits­wirtschaft (KOSI) und im Normenausschuss Dienstleistungen (NADL) bei DIN.
Die DIN 77200 Sicherungsdienstleistungen - Anforderungen war seit ihrer Verabschiedung im Jahr 2002 nicht für eine „Konformitätsprüfung" (Zertifizierung) vorgesehen. Dies wird sich ändern. Die Innenministerkonferenz fordert eine Zertifizierung von privaten Sicherheitsdiensten. Der BDSW unterstützt dies und hat daher vorgeschlagen, die DIN 77200 gründlich zu überarbeiten und zertifizierungsfähig zu machen. Der zuständige Arbeitskreis beim DIN hat unserem Antrag zugestimmt. Die Arbeiten dazu haben bereits begonnen. Die Anerkennung durch den VdS ist für die gesamte Sicherheits­wirtschaft in Deutschland von großer Bedeutung. Daran wird sich auch trotz europäischer Normungsvorhaben im Bereich der Sicherheitstechnik so schnell nichts ändern. Von den 300 vom VdS anerkannten Wach- und Sicherheits­unternehmen sind 177 Mitglied im BDSW. Die Entwicklung der DIN EN 50518 wird aus Kostengründen wahrscheinlich zu einer Konzentration in diesem Marktsegment führen. Wir unterstützen deshalb die Bestrebungen des VdS, die Vorgaben für eine sichere, technische Alarmübertragung und der sich daran anschließenden Interventionsdienstleistung stärker als bisher zu trennen und die Leistungsfähigkeit der Dienstleistung durch eine entsprechende Zertifizierung zu dokumentieren.

Der BDSW beschreibt Unternehmenssicherheit als ein komplexes Produkt. Alle Bereiche, wie Dienstleistungen und Sicherheitsprodukte, werden jeweils von Mitgliedsunternehmen angeboten, in vielen Fällen auch das Gesamtpaket. Sehen Sie in dieser Entwicklung einen Trend und müssen sich jetzt auch mittelständische Bewachungsunternehmen neu orientieren oder kooperieren?

Dr. Harald Olschok: Unter den heutigen Marktgegebenheiten ist eine Sicherheitsdienstleistung nur dann erfolgreich, wenn sie eine optimale Verbindung von Dienstleistung und Sicherheitstechnik anbietet. Dies haben die meisten unserer Mitglieder erkannt. Dies wollen wir in unserer Namensänderung zum Ausdruck bringen. Diejenigen Mitgliedsunternehmen, die dieses Gesamtpaket nicht anbieten können oder auch nicht wollen, kooperieren mit anderen. Unternehmen, die z. B. keine eigene Notruf- und Serviceleitstelle haben, können über die VdS-Anerkennung der Interventionsstelle eine vollwertige Dienstleistung in der sicheren Alarmkette anbieten. Die bereits erwähnte DIN EN 50518 für Notruf- und Serviceleitstellen hat bereits zu ersten Kooperationsmodellen bei mittelständischen Unternehmen geführt. Die Herausforderungen für die Unternehmenssicherheit werden immer komplexer. Auf diese Herausforderungen ihrer Kunden müssen sich unsere Mitgliedsunternehmen einstellen. Sie müssen ihre Kompetenz in der Sicherheitsberatung weiter verbessern bzw. mit spezialisierten Beratungsunternehmen kooperieren, damit sie den Anforderungen ihrer Kunden gerecht werden können. Die Kernkompetenz „Sicherheit" muss weiter ausgebaut werden. Dies gilt weniger für die Dax-Unternehmen bzw. die sog. Global Player mit eigenen Sicherheitsabteilungen. Aber die KMU (Kleine und Mittelständische Unternehmen), die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bilden, vernachlässigen häufig das Thema Sicherheit und schaden sich damit selbst und auch der ganzen deutschen Volkswirtschaft. Dies wollen wir gemeinsam mit unseren Mitgliedsunternehmen verbessern.

Als Folge aus den Schadensfällen im Geld- und Wertbereich ist seit 2011 der neue BDGW Sicherheitsstandard in Kraft. Sind damit die Geld- und Werttransport­unternehmen aus der Vertrauenskrise? Was muss man sich unter dem BDGW Sicherheitsstandard vorstellen und welche Anforderungen bei der Durchführung von Geld- und Werttransporten hat ein Unternehmen dabei zu erfüllen?

Dr. Harald Olschok: Die BDGW hat nach den Schadenfällen im Jahr 2006 die bis dato gültigen Sicherheitsvorschriften gründlich überarbeitet Sie gelten ab 2007 und wurden 2011 marginal geändert. Bis zur Novellierung standen die Vorgaben für sichere Geld- und Werttransporte im Vordergrund. Mit der Prüfsäule 2 werden für die internen Abläufe bei der Geldbearbeitung weit reichende Vorgaben gemacht und die Einhaltung überprüft. Es wird eine interne Revision und eine Überprüfung durch externe Wirtschaftsprüfer gefordert. Diese Maßnahmen werden durch den Handel und die Kreditinstitute begrüßt.

Die jahrzehntelange gute Zusammenarbeit der BDGW mit den Sachversicherungen und den Berufsgenossenschaften hat dazu geführt, dass Geldtransporte in Deutschland die mit Abstand sichersten in Europa sind. Für 2009 und 2010 weist die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) nur zwei Überfälle auf Spezialgeldtransporte aus. Für 2011 liegen uns die Zahlen noch nicht vor. Dabei muss man berücksichtigen, dass täglich über 3.500 gepanzerte Spezialfahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sind, über 3 Mrd. € transportieren und jährlich rund 20 Millionen Transportvorgänge durchführen. Welches Risiko diese Branche bergen kann, wird durch über 750 Überfälle in Großbritannien oder knapp 100 Überfälle in Frankreich in 2010 deutlich. Natürlich lauern in jedem Unternehmen gewisse Risiken durch Innentäter. Jeder einzelne der ca. 11.000 Beschäftigten in unseren Mitgliedsunternehmen transportiert in den Fahrzeugen bzw. zählt und bearbeitet in den Geldbearbeitungszentren tagtäglich Millionen von Euro. Damit keiner auf „dumme Gedanken" kommt, werden die modernsten Überwachungstechniken eingesetzt. Jeder Wertdienstleister hat zahlreiche Auflagen zu erfüllen und hat ein eigenes Interesse an geringen Schadenfällen. Wir wissen, dass es bei einigen wenigen Kunden immer noch Vorbehalte gegen Wertdienstleister gibt. Wir wissen aber auch, dass einige wenige Kunden durch ihre mangelnden Kontrollen eine nicht unerhebliche Mitverantwortung für die Schadenfälle Heros und Arnolds haben. Mein persönlicher Eindruck ist aber auch, dass es einige Berater gibt, die gerne auf diese Schadenfälle hinweisen und damit versuchen, das Misstrauen gegenüber unseren Mitgliedsunternehmen am Leben zu erhalten, um so auch Beratungsleistungen zu generieren.

Der Markt für Bargelddienstleistungen war in jüngster Vergangenheit gekennzeichnet durch zahlreiche Veränderungen, die nicht ohne Einfluss auf die Wertdienstleister-­Branche geblieben sind. Wie sehen Sie die aktuelle Entwicklung für Wertdiens­tleistungen insbesondere beim privaten ­Bargeldrecycling?

Dr. Harald Olschok: Die Bundesbank hat schon vor längerer Zeit deutlich gemacht, dass sie sich nach und nach von einem Teil der Bargeldbearbeitung in Deutschland zurückziehen wird. Ein Anteil von 60 % an der gesamten Bargeldbearbeitung wird als ausreichend angesehen. Sie wird sich auf die Rolle als „Großhändler" konzentrieren. Für den Bereich der Münzgeldver- und -entsorgung sind dafür bereits im letzten Jahr die Weichen gestellt worden. Münzgeldein- und -auszahlungen sind nur noch dann kostenlos, wenn dies über sog. sortenreine Normcontainer erfolgt. Leider hat die Bundesbank im Zuge dieser Entwicklungen auch die sog. Eigenkonten von Wertdienstleistern abgeschafft, die eine unbürokratische und kostengünstige Münzgeldversorgung ermöglicht hatten. Diese Entscheidung hat dazu geführt, dass die Wertdienstleister mit Kreditinstituten Kooperationsverträge vereinbaren mussten, weil nur diese noch Konten bei der Bundesbank haben. Das Ziel, die Münzgeldkreisläufe zur Bundesbank zu verringern, wurde erreicht. Die ursprüngliche Hoffnung von uns, dass unsere Mitgliedsunternehmen als sog. Finanzdienstleister eine eigenständige Rolle im Bargeldrecycling spielen können, hat sich bis heute nicht realisieren lassen. Die juristischen Hürden der Bundesanstalt für Finanzdienstleistung (BaFin) sind für unsere Mitgliedsunternehmen unter den derzeitigen Bedingungen zu hoch. Sie konnten noch nicht überwunden werden. Dennoch ist für mich dieses Kapitel noch nicht endgültig abgeschlossen. Die Bundesbank wird sich in den nächsten fünf Jahren weiter aus der Fläche zurückziehen. Dies wird dazu führen, dass auch das Thema Bargeldrecycling schon aus Kostengründen weiter diskutiert werden wird. Es wird auch im Bereich des Banknoten-Recycling, also zu Bargeldkreisläufen jenseits der Filialen der Deutschen Bundesbank, kommen. Welche Bedeutung dabei unsere Mitgliedsunternehmen einnehmen, wird die künftige Entwicklung zeigen.

Seit dem 1. März 2012 ist der Mindestlohn für Sicherheitsdienstleistungen auf mindestens 7,00 bis 8,75 € pro Stunde, je nach Bundesland, gestiegen. Hat das Auswirkungen auf die Beschäftigtenzahl oder können Sie andere negative Folgen beobachten? Wird der Mindestlohn auch bei Aufträgen der öffentlichen Hand (Stichwort: Vergabegesetze) gezahlt?

Dr. Harald Olschok: Die Zahlen des Statistischen Bundesamts belegen eindeutig, dass es im vergangenen Jahr zu keinem Rückgang der Beschäftigten gekommen ist. Im Gegenteil: Es sind ca. 4.000 Beschäftigte neu eingestellt worden. Deutlich stärker sind jedoch die Umsätze gestiegen. Die Wertschöpfung nimmt, bedingt durch den Einsatz von Sicherheitstechnik, weiter zu. Die Einführung des Mindestlohns ist für die künftige Entwicklung im Bereich der Sicherheits­dienstleistung eine überaus wichtige Entscheidung. Die bisherigen Überprüfungen durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) auf Einhaltung des Mindestlohns zeigen zwar, dass sich die aufgedeckten Verstöße in Grenzen halten. Ohne diese Überprüfungen wäre es jedoch nicht möglich gewesen, die Löhne vor allem in den neuen Bundesländern in so kurzer Zeit auf das bekannte Niveau zu bringen.
Die öffentlichen Auftraggeber sind natürlich genauso wie die privaten dazu gehalten, die Mindestlöhne einzuhalten. Aber hier wird die künftige Entwicklung besonders spannend. Es gibt einige Bundesländer, so z. B. Berlin und Brandenburg, in Kürze auch Nordrhein-Westfalen, die in Vergabegesetzen von ihren Lieferanten Mindestlöhne fordern, die teilweise deutlich über unseren Mindestlöhnen liegen. Wir hoffen natürlich, dass es den Sicherheitsdienstleistern auch bei der nächsten Erhöhungsstufe des Mindestlohns am 1. Januar 2013 gelingt, die notwendigen Preiserhöhungen durchzusetzen und es zu keinen Beschäftigungseinbußen kommt. Für viele Kunden ist es sicher nicht einfach, dass innerhalb von nur neun Monaten erneut die Preise erhöht werden müssen. Auch wir hätten uns einen längeren Anpassungszeitraum gewünscht. Dies war jedoch aus gewerkschaftspolitischen Gründen nicht machbar. Wir wollen deshalb bereits Ende dieses Jahres die Verhandlungen für einen Anschlusstarifvertrag für den Mindestlohn ab dem 1. Januar 2014 aufnehmen. Damit soll für unsere Mitgliedsunternehmen, aber vor allem auch für deren Kunden, eine entsprechende Vorlaufzeit eingeräumt werden. Je größer die anstehenden Lohn- und Preiserhöhungen ausfallen, umso früher müssen diese bekannt gemacht werden. Vor allem aber auch die demografische Entwicklung in Deutschland wird dazu führen, dass die Preise für die Dienstleistung „Sicherheit" in den nächsten Jahren deutlich steigen werden (müssen)!

Der Mindestlohn ist ein Anfang, doch höher qualifizierte Mitarbeiter sind bestimmt nicht zum Mindestlohn zu haben. Wie beurteilen Sie die Berufs- und Verdienstchancen etwa für Meister und Fachkräfte für Schutz und Sicherheit?

Dr. Harald Olschok: Wir haben in den letzten zehn Jahren enorme Anstrengungen unternommen, die Qualifizierung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutlich zu erhöhen. Ausdruck dafür sind die beiden Ausbildungsberufe und die Überarbeitung der früheren IHK-Geprüften Werkschutzfachkraft. Die Beschäftigten mit einer deutlich höheren Qualifikation erwarten zu Recht auch eine entsprechend höhere Entlohnung. Und das wird vom „Markt" leider noch viel zu wenig honoriert. Viele Kunden fordern hohe Qualifikationen, sind aber nicht bereit, dafür auch Facharbeiterlöhne zu gewähren. Das gilt insbesondere für öffentliche Auftraggeber. Das führt zwangsläufig dazu, dass insbesondere die Auszubildenden nach einer erfolgreichen Prüfung zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit Sicherheitsdienste verlassen, weil sie keine adäquate berufliche Perspektive haben. Es bleibt eine spannende Herausforderung für uns, den Kunden deutlich zu machen, dass die Tätigkeiten auf Basis des Mindestlohns in der Regel unqualifizierte Sicherheitsdienste bzw. Hilfsarbeiten sind. Dies ändert sich möglicherweise dann, wenn die Forderung nach einer Zertifizierung von privaten Sicherheitsdiensten der Innenministerkonferenz in die Realität umgesetzt wird und für bestimmte Tätigkeiten auch gewisse Qualifikationen mit einer entsprechenden Entlohnung verbindlich gefordert werden.

Ihr Verband wirft Bildungsträgern vor, sinnlose Lehrgänge für das Sicherheitsgewerbe anzubieten. Liegt das auch an der Förderpraxis der Bundesagentur für Arbeit? Wie wollen Sie ein bundeseinheitliches Niveau in der Weiterbildung und Qualifizierung von Sicherheitsfachkräften erreichen und welche Lehrgänge, Abschlüsse halten Sie für sinnlos?

Dr. Harald Olschok: Mit der Servicekraft und Fachkraft für Schutz und Sicherheit sowie der Geprüften Schutz- und Sicherheitskraft haben wir ein konsistentes Aus- und Fortbildungssystem für die Sicherheitswirtschaft entwickelt. Dieses beruht auf klaren Vorgaben. Beschäftigte, die in diesen Berufen qualifiziert werden, wissen, was sie erwartet. Dies ist bei den „Fantasieabschlüssen" von Bildungsträgern nicht der Fall. Häufig werden in mehrmonatigen Förderkursen Inhalte vermittelt, die nur unwesentlich über die Vorgaben der Gewerbe­ordnung, sei es das Unterrichtungsverfahren oder die Sachkundeprüfung, hinausgehen. Bei den Beschäftigten wird der Eindruck erweckt, mit diesen Abschlüssen hätten sie den Anspruch auf eine Karriere in der Sicherheits­wirtschaft. Die Maßnahmen werden häufig von der Bundesagentur für Arbeit gefördert, weil die Sachbearbeiter nicht die entsprechenden Marktkenntnisse haben. Wir haben uns deshalb erstmals an die Industrie- und Handelskammern sowie die Bundesagenturen für Arbeit gewandt und gefordert, dieses Treiben zu beenden. Wir haben auch den Vorsitzenden der Geschäftsführung der Bundesagentur für Arbeit, Herrn Weise, darüber informiert und ihn gebeten, die Verschwendung von öffentlichen Beitragsgeldern zu verhindern. Dies fördert weder die Seriosität unserer Branche noch die Qualifikation der Arbeitslosen.

Aus Finanznot will der britische Staat zentrale hoheitliche Aufgaben ausgliedern und vermehrt private Sicherheitsdienste beauftragen: Polizeiliche Ermittlungen und die Festnahme von Verdächtigen inklusive. Einzige Ausnahme sind hoheitliche Akte wie die Vollstreckung von Durchsuchungs- und Haftbefehlen. Wie ist Ihre Meinung zu einer derartigen Privatisierung der öffentlichen Sicherheit?

Dr. Harald Olschok: Eine Privatisierung der öffentlichen Sicherheit wird es in Deutschland natürlich nicht geben. Aber auch in Deutschland muss wie in Großbritannien immer wieder neu darüber nachgedacht werden, wie man mit den begrenzten polizeilichen Ressourcen den enormen sicherheitspolitischen Herausforderungen gerecht werden kann. Die immer höher qualifizierten Polizistinnen und Polizisten mit Bachelorstudium an einer Polizeihochschule können nicht mehr die gleichen Aufgaben wahrnehmen wie ihre Kollegen in den vergangenen 50 Jahren. Die verfassungsrechtliche Vorgabe der Schuldenbremse wird dazu führen, dass in den nächsten Jahren auch der Kostenfaktor „Innere Sicherheit" auf den Prüfstand gestellt wird. Die finanzielle und demografische Entwicklung insbesondere in den östlichen Bundesländern wird dazu führen, dass in den nächsten Jahren auch bei der Polizei massiv Stellen abgebaut werden. Die Polizei wird künftig viel mehr als bisher Sicherheit „managen" und immer weniger mit eigenen Kräften selbst durchführen.
Als Modell sei auf das Luftsicherheitsgesetz in Deutschland verwiesen. Die Gewährleistung der Luftsicherheit ist natürlich eine staatliche Aufgabe. Die Fluggastkontrollen an deutschen Verkehrsflughäfen werden jedoch von privaten Sicherheitsdienstleistern im Auftrag der Bundespolizei durchgeführt. Dieses Modell ist auch auf andere Bereiche anwendbar. Der Schutz von Veranstaltungen, des öffentlichen Personenverkehrs oder auch von Einrichtungen der Kritischen Infrastruktur sind Beispiele, die die Innenministerkonferenz genannt hat. Die Bundesregierung arbeitet an den rechtlichen Grundlagen, damit im nächsten Jahr Piraten durch vom Staat lizenzierte private Sicherheitsdienste auf Schiffen unter deutscher Flagge wirksam bekämpft werden können. Das ist keine Privatisierung der öffentlichen Sicherheit, zeigt aber, dass sich die Sicherheitsarchitektur in Deutschland nachhaltig verändern wird. Der BDSW hat den Anspruch, diese Veränderungen mitzugestalten und die Interessen seiner Mitgliedsunternehmen auch in diesen neuen Aufgabenfeldern wirksam zu vertreten!

Vielen Dank für das gute und aufschluss­reiche Gespräch.

 

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