Management

Hans-Gernot Illig, Vorstandsvorsitzender von SimonsVoss, im Interview

22.03.2012 - SimonsVoss blickt auf ein ausgesprochen erfolgreiches Jahr zurück - und landete hinsichtlich Ertrags­quote und Umsatzwachstum nach ­einer Erhebung einer Strategie­beratungsgesellsc...

SimonsVoss blickt auf ein ausgesprochen erfolgreiches Jahr zurück - und landete hinsichtlich Ertrags­quote und Umsatzwachstum nach ­einer Erhebung einer Strategie­beratungsgesellschaft unter den ­ersten Zehn der führenden Mittelständler. Innovationskraft und hohe Kundennähe seien die Basis dieses Erfolgs. Derzeit investiert das ­Unternehmen 6 Millionen Euro in eine neue Produktionsstätte in ­Sachsen-Anhalt. Ab Mitte 2013 sollen dort digitale Schließzylinder und die neu eingeführten digitalen Beschläge „Smart Handle" ge­fertigt werden und durch das integrierte Logistikzentrum an ­Kunden in aller Welt verschickt werden. Auch in den nächsten Jahren will man ­deutlich wachsen. Matthias Erler von GIT-SICHERHEIT.de sprach darüber mit dem Vorstandsvorsitzenden des Unternehmens, Hans-Gernot Illig.

Herr Illig, Ihr Unternehmen hat vor kurzem den Neubau eines Produtions- und Logistikzentrums angekündigt. Und Sie möchten auch in den kommenden Jahren „deutlich über dem Markt" wachsen. Worauf stützen sich dieser Erfolg und der ­Optimismus für die Zukunft?

Hans-Gernot Illig: Wie produzieren ja seit zehn Jahren an unserem Standort und haben unsere räumlichen Kapazitäten hier insgesamt erschöpft. Deshalb wollten wir nicht in die vorhandenen Strukturen investieren und entschieden uns statt dessen für einen Neubau. Diesen konnten wir so konzipieren, dass der Produktionsfluss schneller wird. Wir haben neue Produktionsmethoden eingeführt, die die Kapazität erhöhen. Hätten wir so weiter gearbeitet wie bisher, wären wir bis Ende 2013 am Anschlag gewesen.

Wie planen Sie hier ­zeitlich?

Hans-Gernot Illig: Der Bau soll im Jahr 2012 begonnen werden und bis Mitte 2013 wollen wir die Produktion an den neuen Standort Osterfeld verlagert haben.

Sie sprachen gerade die Produktionsmethoden an - was verändert sich insoweit?

Hans-Gernot Illig: Wir entwickeln uns im Moment weg von einer rein manuellen hin zu einem halbautomatisierten Fertigung. Unsere Produktion ist sehr arbeitsintensiv; diffizile und kleinste Komponenten müssen zusammengeführt werden. Dafür haben wir teils gelernte Uhrmacher beschäftigt. Eine Vollautomatisierung lohnt sich derzeit nicht, und die sehr qualifizierte Handarbeit bleibt wichtig. Teilautomatisierung lohnt sich aber durchaus.

Sie produzieren ausschließlich in ­Deutschland...

Hans-Gernot Illig: Ja, und das bleibt auch langfristig so, wir setzen auf Qualität „Made in Germany". Wir haben auch keine Produkte, die man schnell in China machen lassen kann. Dafür ist die Fertigung zu eng mit der Entwicklung verknüpft. Vor allem arbeiten wir sehr stark auftrags- und projektbezogen. Wir produzieren keine Massenware die einfach vom Band läuft - schon deshalb, weil das Thema Tür ausgesprochen vielfältig ist. Ihre Bestandteile ermöglichen Tausende von Kombinationsmöglichkeiten - eine solche Variantenvielfalt kann man nicht komplett auf Lager haben.

Und Sie wachsen kontinuierlich?

Hans-Gernot Illig: Wenn Sie sich die letzten Jahre anschauen, gab es zwar 2007 und 2008 in der Branche durchaus Einbrüche, 2009 war besonders hart. Aber wir blieben mit unseren Umsätzen mit positiven Wachstumsraten immer deutlich über der allgemeinen Marktentwicklung. 2010 schlossen wir mit einer deutlichen Steigerung ab, 2011 hatten wir sogar einen sehr guten zweistelligen Umsatzzuwachs.

Worauf führen Sie diese Stärke zurück?

Hans-Gernot Illig: Wir bieten ein sehr modernes Produktspektrum und haben eine sehr starke Entwicklung. Wir investieren kontinuierlich mehr als 10 Prozent unseres Jahresumsatzes in neue Produkte. Im Schnitt basieren 50 % unserer Umsätze auf neuen Produkten, also Produkten die jünger als drei Jahre sind. Wichtig ist unsere Projektierungsstärke. Das bedeutet, dass wir sehr intensiv mit unseren Kunden, d. h. Fachhandelspartnern und Endnutzern zusammenarbeiten, um zu einer optimalen Lösung zu kommen. Unsere gesamte Organisation ist sehr kundenorientiert ausgerichtet. Das hat uns vor kurzem eine Studie bestätigt (Top 100 des Mittelstandes). Demnach gehört SimonsVoss zu den zehn innovativsten Unternehmen Deutschlands. Zusammengefasst sind unsere Erfolgsfaktoren also: Stärke der Entwicklung, Innovation und Kundennähe. Das wird auch daran deutlich, dass wir zwar produzierendes Unternehmen sind, 50 Prozent unserer Mitarbeiter aber in Vertrieb und Marketing, Produktmanagement und technischer Kundeunterstützung tätig sind. Auch hier heben wir uns deutlich vom Durchschnitt des Wettbewerbs ab.

Was macht Sie für die Zukunft so optimistisch?

Hans-Gernot Illig: Nun, einerseits hat die Vergangenheit ja gezeigt, dass wir uns selbst in turbulenten Zeiten durchaus wacker schlagen. Mein Optimismus speist sich aber auch aus unserer sehr starken Marktstellung in unseren Kernmärkten Zentraleuropas. Seit Mitte letzten Jahres haben wir zudem unser Produktspektrum um RFID-Komponenten und elektronische Beschlagslösungen ergänzt. Das ist insbesondere für den britischen, spanischen und italienischen Markt interessant. Wir haben ein eigenes, auf Mifare Classic und Desfire basierendes System, das unsere elektronischen Schließzylinder und Beschlagslösungen ergänzt.

Sie haben hervorgehoben, dass Sie sehr kunden­nah arbeiten - wie sieht das praktisch aus?

Hans-Gernot Illig: Gerade in großen Projekten ist es wichtig, intensiv mit dem Endkunden zusammenzuarbeiten, um letztlich eine kundenspezifische Gesamtlösung zu finden. Typisches Problem eines Versorgers, um ein Beispiel zu nennen, ist der Umstand, dass es mehrere Tausend Türen in einer Vielzahl von Gebäuden gibt, die systematisch erfasst werden sollen. Das geht nicht mit Produkten von der Stange, weil es sich um eine komplexe Aufgabe handelt - zum Beispiel organisatorisch komplex mit unterschiedlichsten Zutrittsberechtigungen. Selbst klimatische Fragen können eine Aufgabe komplex machen.

Inwiefern?

Hans-Gernot Illig: Bei Hitze, Kälte oder Feuchtigkeit, etwa an der Küste, stellt sich die Frage, ob ein mechanischer Schließzylinder ausreicht oder ob der Schließkanal beispielsweise durch Sandkörner blockiert werden kann. Andere Standorte sind im Winter sehr kalt. Diesen und vielen anderen Themen muss mit angepassten Eigenschaften und durch geeignetes Management des Gesamtsystems begegnet werden. Hier kommt uns die, wie ich finde, typisch deutsche Eigenschaft des systemischen Denkens zustatten. Es ist ein ingenieurgetriebenes Denken, mit dem man flexibel und schnell auf Marktanforderungen reagieren kann. Diese Denk- und Arbeitsweise prägt auch uns, das können wir nicht verleugnen.

Die Prognosen für die ­weitere Entwicklung unserer Wirtschaft insgesamt fallen nicht ganz so positiv aus. Sehen Sie ­SimonsVoss davor gefeit?

Hans-Gernot Illig: Wir verfolgen die Entwicklung sehr aufmerksam, insbesondere die Eurokrise und deren Auswirkungen auf das Kaufverhalten unserer Kunden. 2012 könnte durchaus schwieriger werden als 2011, Szenarien sind in diesem Feld sehr schwierig. 2011 war aus vielen Gründen ein sehr gutes Jahr, es wäre deshalb nicht verwunderlich, wenn 2012 nicht ganz so stark würde.

Vor ein paar Jahren war noch eine Übernahme von Simons Voss durch Assa Abloy die Rede - das Kartellamt hat das damals nicht genehmigt. Ist das Thema Zusammenschluss damit auf absehbare Zeit erledigt?

Hans-Gernot Illig: Zum einen sind die damals das Urteil tragenden Begründungen noch nach wie vor wirksam. Außerdem hat sich unsere ­Eigenständigkeit bewährt.

Wo sehen Sie hinsichtlich Ihrer Produkte und Lösungen die meisten Zukunftschancen - und in welchen Märkten wachsen Sie am stärksten?
Hans-Gernot Illig: Wir sehen uns ja nicht als Produkt- sondern als Systemhersteller. Das kommt uns entgegen, da wir weiterhin einen starken Trend erkennen hin zu elektronischen Schließ- und Zutrittssystemen sowie zur Komplettvernetzung bzw. zur virtuellen Vernetzung von Anlagen.

Welche Kunden entscheiden sich für die komplette und welche für die virtuelle ­Vernetzung?

Hans-Gernot Illig: Eine Komplettvernetzung empfiehlt sich bei Anlagen mit vielen Türen und hohem Administrationsbedarf. Die Programmierung von Zutrittsberechtigungen nicht vor Ort, sondern eben vernetzt durch eine Zentrale, spart gerade bei großen Anlagen sehr viel Zeit. Bei solchen Online-Lösungen sind wir eindeutig Pioniere. Das umfasst elektronische, batteriebetriebene Schließzylinder und die Vernetzung elektronischer Schließanlagen. Wir starteten damit im Jahr 2000, waren also unserer Zeit weit voraus. Die Vernetzung erleichtert die Umprogrammierung, generiert aber auch Alarme in Echtzeit, wenn ein Unberechtigter sich Zugang verschaffen will. Diese Echtzeitfunktionalität kann man mit virtueller Vernetzung nicht erreichen. Virtuelle Vernetzung kann aber bestimmte Teil­eigen­schaf­ten einer vernetzten Lösung darstellen. Damit kann man kostengünstig eine reine Offline-Lösung austauschen und sein Schließsystem effizienter administrieren. Die Sicherheitsfeatures, die überall bedeutsam sind, wo die Meldung von Gefahren wichtig ist, erfordern aber eine vollvernetzte Anlage.

Was sind derzeit die neusten Entwicklungen aus Ihrem Hause?

Hans-Gernot Illig: Hier ist, wie gesagt, zunächst einmal unser neues Produktspektrum im RFID-Bereich zu nennen - im Laufe des Jahres 2012 werden wir das in die Zielmärkte einführen. Darüber hinaus arbeiten wir intensiv an NFC-Systemlösungen. Unsere NFC-Lösung für Mobiltelefone heißt Mobilekey und kann schon im App-Store geladen werden. Bei dieser „Near Field Communication" - also Nahfeld-Kommunikation, geht es darum, RFID-Chips in Mobile-Endgeräte zu integrieren. Derzeit hängen die Anwendungsbereiche vor allem mit Bezahlfunktionen zusammen. In Zukunft können solche Systeme die Kartensysteme ersetzen.

Welche Anwendungsgebiete schweben Ihnen hier vor?

Hans-Gernot Illig: Ein Beispiel ist der Dienstleistungs- und Servicebereich. Nehmen Sie etwa einen Altenpflegedienst. Dort gibt es eine Eingangstür mit elektronischer Schließung, der Pflegedienst besteht aus wechselnden Personen. Bislang müssen die Pflegekräfte die Schlüssel jeweils abholen. Bei dem NFC-System kann die Leitzentrale die jeweiligen Berechtigungen nun stundengenau über das Smartphone der einzelnen Pflegekräfte programmieren. Man geht davon aus, dass NFC-Technik in Mobiltelefonen künftig viele Funktionen erfüllt, von denen Schließsysteme nur eines von vielen darstellen.

Gerade die Sicherheit scheint ein Problem ­dieser Technologie darzustellen?

Hans-Gernot Illig: Es gibt noch eine Reihe von Problemen, die in diesem Zusammenhang gelöst werden müssen. Was ist etwa, wenn der Akku leer ist, oder wenn das Mobile-Endgerät verloren geht? Es müssen Dienste geschaffen werden - und ihre Anwendung muss hochsicher sein, weil es um vertrauliche Daten geht. Es bedarf einer entsprechenden Infrastruktur, also eines durchgängigen Systems. Hier sind auch die Hersteller von Endgeräten wie Smartphones gefordert - derzeit wird noch über Standards diskutiert. Wir müssen dem Kunden letztlich ein Gesamtsystem zur Verfügung stellen, mit dem die Administration von NFC-fähigen Systemen möglich ist. ­Unsere Endkunden, vor allem große Konzerne, fragen bereits danach.

Herr Illig, besten Dank für das Gespräch.

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