Management

GIT-Interview mit John M. Edwards, Leiter Cargo Security, IATA

09.03.2013 - GIT-Interview mit John M. Edwards, Leiter Cargo Security, IATA. Vor 60 Jahren gegründet, repräsentiert die International Air Transport Association (IATA) heute rund 240 Fluggesells...

GIT-Interview mit John M. Edwards, Leiter Cargo Security, IATA. Vor 60 Jahren gegründet, repräsentiert die International Air Transport Association (IATA) heute rund 240 Fluggesellschaften, die rund 94 % des internationalen Flugverkehrs stellen. John M. Edwards ist Leiter des Segments Frachtsicherheit bei IATA – mit ihm sprach Matthias Erler von GIT SICHERHEIT über die Veränderungen dieses Bereichs seit 2001 und über das neu gegründete Air Cargo Security Industry Forum ACSIF.

GIT SICHERHEIT: Herr Edwards, eines der Themen auf Ihrem im März abgehaltenen IATA World Cargo Symposium in Rom war überschrieben mit dem Titel „Frachtsicherheit ist komplex und kostspielig – weiß das auch der Kunde und kümmert es ihn überhaupt?“. Was macht die Luftfrachtsicherheit so teuer?

J. M. Edwards: Sicherheit ist kostenintensiv – und nichts anderes gilt für die Luftfrachtsicherheit. Der Frachtversand ist mit einer Vielzahl von Formen, Größen und Gewichten konfrontiert. Manches kann in der Liefer- und Transportkette schon gleich zu Anfang gesichert werden, anderes dagegen nicht. Somit benötigen wir vielfältige Lösungen. Und jede Lösung benötigt eine Kombination aus Mitarbeitern und Ausrüstung, Training, Managementsystemen und Qualitätssicherung.

Viele Sicherheitslösungen erfordern Forschungsarbeit, die Entwicklung von Standards und Prozessen und die Koordination aller, die an der Lieferkette beteiligt sind. Dazu kommen Secondary-Screening-Abläufe, Notfallpläne, Alarmmanagement, Daten- und Systemsicherung und vieles mehr.

Wenn die Fracht erst am Startflughafen gesichert werden kann, bedarf es noch zusätzlicher Organisation – dadurch erhöht sich das Risiko von Beschädigungen, Fehlversänden, Diebstahl und Verspätung.

Welche zusätzlichen Maßnahmen hat man nach 2001 ergriffen?

J. M. Edwards: Die Antwort allein auf diese Frage würde einen eigenen Artikel füllen! Die wichtigste Entwicklung war die Einführung der IATA Operational Safety Audit (IOSA). Damit wollen wir die Sicherheit weltweit verbessern und die Zahl der erforderlichen Audits reduzieren. Es ist ein weltweites Programm, das auf ICAO-Standards und Best-Practice-Modellen beruht – einschließlich eines international anerkannten und akzeptierten Evaluationssystems. Letzteres umfasst auch die Sicherheit – insoweit gibt es tatsächlich eine direkte Verbindung zu der gleichzeitig entwickelten IATA SEMS (Security Management Systems). SEMS stellt einen strukturierten und standardisierten Rahmen für Sicherheitsprozesse zur Verfügung und fördert einen wirtschaftlich arbeitenden Ansatz des Sicherheitsmanagements.

Erwähnenswert ist auch die Entwicklung der „Global Aviation Safety Roadmap“, die wir gemeinsam mit führenden Interessensgruppen der Industrie eingeführt haben – darunter Flugzeughersteller und Flughafenbetreiber.

Das Thema Geschwindigkeit ist ein zentrales Thema, wenn es um den Transport von Gütern geht. Produkte müssen „just in time“ und nach dem „Build to order“-Prinzip geliefert werden. Ist dies durch die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen im Luftfrachtgeschäft gefährdet?

J. M. Edwards: Nein, das ist überwiegend nicht der Fall – jedenfalls solange der gesunde Menschenverstand regiert. Die Bedrohung der Luftfracht fängt in dem Moment an, in dem sie als für den Lufttransport vorgesehen identifiziert ist. Wo immer dies praktikabel ist, sollte die Luftfracht zu diesem Zeitpunkt gesichert werden – oder zumindest so nah an diesem Zeitpunkt beginnen wie möglich. Einmal gesichert, geht es nur noch darum, die Fracht vernünftig vor rechtswidrigen Eingriffen zu schützen. Weiterer Inspektionen vor dem Start bedarf es dann nicht.

Wo das in dieser Form nicht möglich ist, sind technologische Forschung und Entwicklung gefordert, um Lösungen zu finden, die zu den konkreten Anforderungen des Geschäftsmodells passen. Man kann nicht umgekehrt erwarten, dass Flughafenbetreiber ihr Geschäft an die Lösung anpassen.

Die Einführung eines einheitlichen europäischen Sicherheitsstandards, wie die Richtlinie 2320, wird derzeit angestrebt. Was ist hier der Stand – und welche Aspekte halten Sie hier für wichtig?

J. M. Edwards: Am 11. Januar 2008 haben das Europäische Parlament und der Europäische Rat sich auf eine Neufassung der EU-Regelung verständigt, die die Richtlinie 2320 ersetzen soll. Ziel ist es, einen hohen Grad von Flugsicherheit in allen Mitgliedsstaaten sicherzustellen – und zwar durch klarere Regulierung und durch strikte Einhaltung. Sicherheitsprogramme auf nationaler sowie auf Flughafen- und Flughafenbetreiberebene sollen sicherstellen, dass die allgemeinen Regeln angewendet und aufrechterhalten werden. Die Mitgliedsstaaten können auch strengere Maßnahmen einführen, solange sie „relevant, objektiv, nicht-diskriminierend und proportional“ zum jeweiligen Risiko sind.

Wie beeinflussen Sie von IATA diesen Prozess?

J. M. Edwards: Die Kommision erachtet den Beitrag der beteiligten Kreise in der Industrie als wesentlichen Faktor bei der Erarbeitung einer guten Rechtsgrundlage – dafür verdient die Kommission unseren Beifall. Wo es angemessen ist, beeinflusst IATA seit vielen Jahren die Entwicklung, Implementierung und Umsetzung von Sicherheitsrichtlinien und Verordnungen, und wir werden es auch weiterhin tun. Wir haben seit langem ein pragmatisches Verhältnis zur Kommission und zu vielen Mitgliedsstaaten. Wo immer es möglich ist, arbeiten wir eng mit anderen Verbänden zusammen, mit denen wir Vorschläge entwerfen und unsere Reaktionen auf Vorschläge der Kommission koordinieren. Das verbessert nicht nur die Gesetze – dadurch spiegeln sich auch die Herausforderungen, denen sich der Markt gegenüber sieht, besser in diesen Gesetzen wider.

Zu den jüngsten Aktivitäten Ihres Verbands zählt die Gründung des „Air Cargo Security Industry Forum“, ACSIF. Was ist der Zweck dieses Forums und was hat es bisher erreicht?

J. M. Edwards: ACSIF ist eine gemeinsame Initiative zwischen IATA – vertreten durch mich persönlich – und FIATA, vertreten von Piet Timmermans. Sie wurde eingerichtet, um Brücken zwischen den Industrieverbänden zu schlagen – inzwischen haben wir unsere Aufgaben und Ziele definiert und bereits 25 Mitgliedsverbände gewonnen. Das Verhältnis unter den Verbänden soll damit gestärkt, Kommunikation und Informationsaustausch sollen verbessert werden – und vor allem wollen wir unsere Positionen untereinander abstimmen nach der Philosophie „Viele Stimmen – eine Botschaft”.

Herr Edwards, besten Dank für das Gespräch.

Kontakt:

International Air Transport Association (IATA),
Genf, Schweiz
Tel.: +41 22/770-2525
Fax: +41 22/770-2641
www.iata.org