Management

Alexander Borgschulze im Interview mit GIT SICHERHEIT

03.03.2017 - Alexander Borgschulze, Leiter Unternehmenssicherheit der Flughafen München GmbH (FMG) stand unserem wissenschaftlicher Schriftleiter Heiner Jerofsky über seine Aufgabe und seiner n...

Alexander Borgschulze, Leiter Unternehmenssicherheit der Flughafen München GmbH (FMG) stand unserem wissenschaftlicher Schriftleiter Heiner Jerofsky über seine Aufgabe und seiner neuen Funktion beim Bayerischen Verband für Sicherheit in der Wirtschaft Rede und Antwort.

Der Münchner Airport gehört dank seiner überproportionalen Wachstumserfolge in wenigen Jahren zu den passagierstärksten Flughäfen Europas. Im Jahr 2015 wurden ca. 41 Millionen Fluggäste und 337.000 t Luftfracht befördert. Das waren rund 380.000 Flugbewegungen. Der FMG-Konzern beschäftigt ca 8.900 Mitarbeiter/innen aus mehr als 50 Nationen. An diesem internationalen Verkehrsflughafen wird dem Thema Sicherheit oberste Priorität eingeräumt. Für einen sicheren Flughafen arbeitet die Unternehmenssicherheit mit ca. 160 Personen Hand in Hand mit weiteren ca. 900 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Tochtergesellschaft CAP Flughafen München Sicherheits-GmbH.

GIT SICHERHEIT: Noch einmal herzlichen Glückwunsch zur Wahl zum Vorsitzenden des Bayerischen Verbandes für Sicherheit in der Wirtschaft (BVSW). Wie sehen Sie die Rolle des BVSW in der heutigen Zeit und was sind Ihre nächsten Ziele für die Sicherheitsbranche im Freistaat?

Alexander Borgschulze: Vielen Dank. Wir leben in Deutschland und insbesondere in Bayern auf einem hohen Sicherheitsniveau. Die Kooperation zwischen Behörden und Sicherheitsorganisationen funktioniert sehr gut. Eine stark verbundene Sicherheitswirtschaft ist ein Garant für eine stabile und funktionierende Gesellschaft. Für dieses starke Miteinander bieten wir eine branchenübergreifende Plattform für den Informationsaustausch zu sicherheitsrelevanten Herausforderungen in der Privatwirtschaft an. Im vergangenen Jahr haben wir, der BVSW, gemeinsam mit dem BDSW (Landesgruppe Bayern), eine Kooperationsvereinbarung mit dem Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr geschlossen. Diese gilt es nunmehr fortzuschreiben und hinsichtlich Erfordernisse zur Bewältigung der aktuellen Sicherheitslage mit Blick auf die Unternehmen anzupassen.

Der Flughafen München gehört zu den sichersten Flughäfen der Welt. Daran hat auch der Flughafenbetreiber mit dem Bereich Unternehmenssicherheit einen gehörigen Anteil. Welche Hauptaufgaben und Dienstleistungen gehören zu Ihrem Tätigkeitsbereich?

Alexander Borgschulze: Die Aufgabe „Sicherheit“ am Flughafen München wird von verschiedenen Behörden und Institutionen wahrgenommen, hierbei arbeiten alle Beteiligten eng und vertrauensvoll zusammen. Wir als Flughafenbetreiber sind mit knapp 1.000 Mitarbeitern für die sogenannten Eigensicherungspflichten nach dem Luftsicherheitsgesetz verantwortlich. Zu unseren Aufgaben gehören unter anderem die Organisation und Durchführung der Zugangs- und Sicherheitskontrollen bei Personen, Fahrzeugen und Warenlieferungen zum Schutz der Sicherheitsbereiche des Flughafens. Zudem obliegen uns die baulichen, technischen und personellen Schutz- und Sicherungsmaßnahmen auf dem gesamten Flughafencampus. Dabei unterstützt uns eine eigene Hundestaffel, die zum Auffinden von Sprengstoffen aller Art ausgebildet ist. Im operativen Sicherheitsmanagement betreiben wir u.a. eine 24/7 erreichbare Sicherheitsleitstelle sowie den sogenannten Streifendienst zur Absicherung und Bestreifung des gesamten Flughafengeländes. Kurz gesagt: Wir stellen den zentralen Ansprechpartner nach innen und außen in sämtlichen Sicherheitsfragen dar und legen dabei sehr viel Wert auf die Kooperation mit Sicherheitspartnern, -behörden und Vertretern des operativen Betriebes.

Wie muss man sich die Arbeit der Sicherheits-Leitstelle eines Großflughafens vorstellen? Welche Bedeutung haben dabei Visualisierungs- und Kommunikationstechniken?

Alexander Borgschulze: Die Sicherheitsleitstelle am Flughafen München ist wie das Herzstück eines pulsierenden Netzwerks. Über das von der Unternehmenssicherheit verwaltete Einsatz-Leit- und Informationssystem, welches die technische Grundlage für die Alarmverfolgungsmaßnahmen darstellt, empfängt die Leitstelle alle technischen Alarme und visualisiert deren Ursachen. Dies geschieht vielfach durch die unmittelbare Aufschaltung von Kameras. Im Einzelfall lassen sich dadurch gezielt und in kürzester Zeit Einsatzmaßnahmen wie z.B. die personifizierte Überprüfung vor Ort umsetzen. Gleichzeitig ist unsere Leitstelle das Bindeglied zwischen Polizei- und anderen Sicherheitsbehörden sowie zu den übrigen Bereichen des Flughafens, bspw. der Passagier- und Verkehrssteuerung. Hierdurch lassen sich sicherheitsrelevante Vorfälle schnell kommunizieren und gemeinsam abwickeln. Zudem garantieren wir die Dokumentation von sicherheitsrelevanten Ereignissen, dies dient der schnellen Informationsweitergabe für Entscheidungsträger.

Welche Bedeutung hat lückenloser Perimeterschutz bei der derzeitigen Sicherheitslage und wie und mit welchem personellen und technischen Aufwand können Sie das erreichen?

Alexander Borgschulze: Ein lückenloser Perimeterschutz hat eine sehr hohe Bedeutung. Diese und viele weitere Maßnahmen sind uns durch nationale und europäische Regularien auferlegt und müssen jederzeit t aufrechterhalten werden. Derzeit überwachen wir eine ca. 42 Kilometer lange Außen- und Inneneinfriedung. Gemeinsam mit unserem Sicherheitsdienstleister, der CAP Sicherheits-GmbH, gewährleisten wir, dass keine Beeinträchtigung des Schutzwertes des Sicherheitszaunes eintritt. Dafür findet eine permanente Bestreifung statt. Unsere Aufgabenwahrnehmung erfolgt hierbei in enger operativer Abstimmung mit der Bundes- und Landespolizei, die in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen tätig sind.

Wie können Sie personell und technisch die zahlreichen Zufahrten und Eingänge in den Sicherheitsbereich des Flughafens nachvollziehbar kontrollieren?

Alexander Borgschulze:
Zu den Eigensicherungspflichten des Flughafenbetreibers gehört die physische Sicherung der so genannten „§8-Linie“ (benannt nach dem entsprechenden Paragraphen im Luftsicherheitsgesetz) zur Abtrennung der Sicherheitsbereiche von den öffentlichen Bereichen. Über unser Zutrittskontrollsystem stellen wir sicher, dass nur berechtigte Personen, die im Besitz eines entsprechenden und gültigen Ausweises sind und mit Plaketten ausgestattete Fahrzeuge in diese Bereiche gelangen. Nach festgestellter Zutrittsgenehmigung findet eine Sicherheitskontrolle von allen Personen, Fahrzeugen und mitgeführten Gegenständen sowie Waren statt, um sicherzustellen, dass keine verbotenen Gegenstände in die Sicherheitsbereiche verbracht werden. Neben den Kontrollstellen wird die §8-Linie alarmgesichert. Das heißt, dass der durch den Perimeterschutz erreichte Schutzwert auf Terminals und sonstige Gebäude und Einrichtungen übertragen wird.

Wie groß ist der Aufwand für ein sicheres Ausweis- und Schlüsselmanagement?

Alexander Borgschulze: Der personelle und technische Aufwand hinter dem Ausweis- und Schlüsselmanagement ist immens. Unser derzeitiges Budget zur Wahrnehmung der Eigensicherungspflichten liegt im mehrstelligen Millionenbereich pro Jahr, womit der Personal- und Sachaufwand abgedeckt wird. Fast jeder am Campus Tätige ist im Besitz eines Flughafenausweises und Schlüssels, mit dem Zutritt zum jeweiligen Arbeitsbereich garantiert wird. Somit ist die Unternehmenssicherheit die erste Anlaufstelle für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie die Schnittstelle zur Luftsicherheitsbehörde, die die Zuverlässigkeit eines jeden Mitarbeiters bestätigt oder ablehnt. Knapp 30.000 Lichtbildausweise werden in unserem System aktiv verwaltet, hinzu kommt die Betreuung von knapp 60.000 mechanischen und elektronischen Schließungen. Für jedes Bürogebäude oder auch Terminal existiert ein ausgeklügeltes Schließ- und Berechtigungskonzept, welches einen geregelten Zutritt gewährleistet.  

Wie muss sich der Laie Ihr Notfallmanagement vorstellen?

Alexander Borgschulze: Ein Flughafen unserer Größe muss jederzeit auf Notfälle und die daraus resultierenden Folgeerscheinungen vorbereitet sein. Alle denkbaren Szenarien sind planerisch hinterlegt und können bei Eintreten entsprechender Umstände abgerufen werden. Die verschiedenen Notfallszenarien werden nach bestimmten Kriterien ausgelöst und in enger Abstimmung zwischen allen beteiligten Parteien abgearbeitet. Die Koordination des FMG Notfallmanagements wird zentral vom Geschäftsbereich Aviation durchgeführt. Dabei ist ein enges Zusammenspiel zwischen der Flughafenfeuerwehr, den Rettungsdiensten, sowie der Verkehrsleitung, aber auch der Austausch zwischen unternehmenseigenen Bereichen sowie zuständigen Behörden (bspw. der Polizeien, des Landratsamtes, des Gesundheitsamtes) zwingend erforderlich. Diese Maßnahmen werden regelmäßig sowohl im Rahmen von Planübungen als auch im Rahmen von aktiven Übungen in verschiedensten Szenarien durchgespielt.

Für die Sicherheit am Flughafen sind außer Ihnen noch die Sicherheitsbehörden und die Luftverkehrsgesellschaften zuständig. Wie funktioniert diese Zusammenarbeit in der täglichen Praxis und wie engmaschig ist das Netzwerk zu anderen Flughafenbetreibern?

Alexander Borgschulze: Die Passagierkontrolle ist eine hoheitliche Aufgabe und wird von der Sicherheitsgesellschaft München im Auftrag der bayerischen Staatsregierung durchgeführt. Mit den Leitstellen der Polizei findet ein täglicher Lage- und Informationsaustausch statt. Sowohl grundsätzliche als auch strategische Themen werden im von der Unternehmenssicherheit initiierten „Arbeitskreis Security“ besprochen, an dem sämtliche Security-Stakeholder wie z.B. Bundes- und Landespolizei, Luftsicherheitsbehörden, Airlines und Vertreter des Flughafenbetreibers teilnehmen. Darüber hinaus engagieren wir uns in nationalen und europäischen Flughafen- und Luftverkehrsverbänden. So sind wir Mitglied im internationalen Verband ACI Europe (Airports Council International) und auf nationaler Ebene im BDL (Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft) und in der ADV (Arbeitsgemeinschaft deutscher Verkehrsflughäfen). Hier finden regelmäßige Treffen statt, die uns einen Benchmark untereinander ermöglichen. Auch das Netzwerk zu anderen Flughäfen ist heutzutage sehr wichtig. So stehen wir regelmäßige im Austausch mit anderen deutschen, österreichischen und schweizerischen Flughäfen sowie den FMG-Schwesterflughäfen.

Über welche besonderen Qualifikationen verfügen Ihre Mitarbeiter? Bieten Sie Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen an?

Alexander Borgschulze: Unsere Sicherheitsmitarbeiter werden nach dem europäischen und nationalen Schulungssystem geschult und fortgebildet. Die Qualifikation zur Luftsicherheitskontrollkraft kann im Flughafen-eigenen Schulungszentrum oder dem Schulungszentrum der Tochtergesellschaft CAP Sicherheits-GmbH in 5 bis 10 Wochen erworben werden. Heute mehr denn je müssen wir uns auf unsere Beschäftigten verlassen können. Um unser hohes Sicherheitsniveau halten zu können, sind Aus- und Fortbildung ein wesentlicher Bestandteil der beruflichen Qualifikation eines jeden Mitarbeiters am Flughafen München. Luftsicherheitsschulungen sind aber keinesfalls nur eine Sache für unsere Sicherheitsmitarbeiter. Jeder Flughafenmitarbeiter, der einen Flughafenausweis beantragt, muss eine Luftsicherheitsbasisschulung absolvieren, die alle fünf Jahre zu wiederholen ist.

Welche Sicherheitstechnik halten Sie für besonders innovativ und haben Sie bei Neuanschaffungen von technischen Einrichtungen ein Mitspracherecht?

Alexander Borgschulze: Unser Bereich ist u.a. für die Sicherheitsplanung und den damit verbundenen Einsatz von Sicherheitstechnik zuständig. Dabei bestimmen wir in Abstimmung mit der Luftsicherheitsbehörde den Sicherheitsstandard und die technischen Einrichtungen und Verfahren. Die eingesetzte Sicherheitstechnik und das Testen innovativer Technologien orientieren sich an den Erfordernissen der in der behördlichen Zuständigkeit liegenden Passagierkontrollmaßnahmen.

Was motiviert Sie und wie sehen Ihre nächsten Ziele aus?

Alexander Borgschulze: Unsere Motivation resultiert aus dem Anspruch, ein hohes Sicherheitsniveau zu gewährleisten. Das schließt ein, dass wir unsere betrieblichen Abläufe, unsere Passagiere, Mitarbeiter und Gästen konsequent schützen, um unser Leitziel „Wir sind ein sicherer Flughafen – Jetzt und auch in Zukunft“ zu erfüllen. Dafür überprüfen und optimieren wir permanent unsere technischen Maßnahmen sowie unsere operativen Prozesse. Ich bin mir sicher, dass wir auch die künftigen Herausforderungen meistern werden.

Danke für das Gespräch. Es ist gut zu wissen, dass der Bereich Unternehmenssicherheit am Münchner Flughafen in guten Händen ist.