Brandschutz

Brandschutz für den Offshore-Windpark Riffgat

09.01.2014 - Seit Jahrzehnten gehören sie ­besonders in Norddeutschland zum ­typischen Landschaftsbild: Soweit das Auge reicht, erstrecken sich Windkraftanlagen am Horizont und drehen ihre schn...

Seit Jahrzehnten gehören sie ­besonders in Norddeutschland zum ­typischen Landschaftsbild: Soweit das Auge reicht, erstrecken sich Windkraftanlagen am Horizont und drehen ihre schneeweißen ­Rotorblätter im Wind. Vergleichs­weise hilflos stehen Feuerwehren immer wieder brennenden Wind­rädern ­gegenüber - fehlt es doch oftmals an ­geeigneten Brand­schutzkonzepten.

130 m und mehr recken sich die Windräder hoch in den Himmel und decken mit ihren riesigen Rotorblättern eine Fläche ab, in der mühelos ein vollständiges Fußballfeld unterzubringen wäre. Die hoch oben angebrachte Gondel des Windrads ist nur über eine im Inneren des Turms befindliche enge Wendeltreppe erreichbar - an Land ein beschwerlicher Aufstieg, bei Offshore-Anlagen auf See zeitweise witterungsbedingt nahezu unmöglich. Für ein effektives Eingreifen im Brandfall fehlt es oftmals nicht nur an entsprechenden Ausbildungen; durch die enorme Höhe kann mittels Drehleiter und konventioneller Löschmethoden auch kaum gelöscht werden.

Herabstürzende Rotorblätter und brennende Einzelteile können die Einsatzkräfte derart gefährden, dass die Praxis beim Brand einer Windrad-Gondel in der Regel folgendes Szenario vorsieht: den Bereich um das Windrad großräumig absperren und die Anlage kontrolliert abbrennen lassen. Ein Totalverlust der Windkraftanlage und ein herber finanzieller Verlust für die Investoren. Offshore ist ein Eingreifen selbst bei kleineren Brandszenarien, die an Land noch problemlos bekämpft werden konnten, gänzlich ausgeschlossen. Die Offshore-Anlagen sind in der Regel unbemannt. Techniker befinden sich nur an wenigen Tagen im Jahr für Wartungs- und Reparaturarbeiten auf hoher See. Zur ursachlichen Verhinderung von Bränden werden in der Regel Systeme für den Blitz- und Überspannungsschutz sowie Anlagen der Schutztechnik wie Sicherungen oder Leistungsschalter eingesetzt.

Das Herzstück schützen
Die wichtigsten technischen Einrichtungen der Windparks lassen sich glücklicherweise umfassend vor Brandrisiken schützen, wie beispielsweise die Umspannstation und die Versorgungsplattformen. Eine Branderkennung im frühestmöglichen Stadium, kombiniert mit Systemen zur aktiven Brandvermeidung sowie verschiedenen Methoden der Löschtechnik, können ein ganzheitliches Schutzkonzept bilden und so den Funktionserhalt der Einrichtung sichern. Mit einem solchen Schutzkonzept wurde jüngst die Umspannstation des Offshore-Windparks Riffgat ausgestattet, die voraussichtlich 2014 ans Netz gehen wird.

Stromerzeugung auf hoher See
Die insgesamt 30 Windkraftanlagen des Offshore-Windparks Riffgat sind seit Sommer 2013 vom Nordstrand der ostfriesischen Insel Borkum aus zu sehen. Das Herzstück, die 36 m hohe Umspannstation, wurde bereits Mitte Februar 2013 mit Hilfe eines Schwerlastkranschiffs auf ihre Unterkonstruktion im Meer, das sogenannte Jacket, gehoben. Im Inneren der Station: viel Technik und eine hochmoderne Brandschutzlösung. Künftig soll die 450 Millionen Euro teure Anlage mit 108 MW Leistung, ein gemeinsames Projekt des Oldenburger Energie- und Telekommunikationskonzerns EWE und der Enova Unternehmensgruppe, rund 120.000 Haushalte mit klimafreundlicher Energie versorgen. Dazu wurden 30 Windkraftanlagen des Typs Siemens SWT-3.6-120 mit je 3,6 MW Leistung und einer Höhe von 150 m auf einer Fläche von rund 6 km² errichtet.

Ein Stromnetz mitten im Meer
Um die durch die einzelnen Windkraftanlagen gewonnene Energie zu kanalisieren und dem Umspannwerk auf See zuführen zu können, mussten alle Anlagen des Windparks durch Seekabel miteinander verbunden werden. Dazu erfolgte die Innerparkverkabelung in redundant ausgelegten Ringen, so dass auch beim Ausfall von einzelnen Kabelabschnitten der Betrieb der Anlage sichergestellt werden kann. Insgesamt wurden fast 25 km Seekabel in verschiedenen Leistungsstärken mit integrierten Lichtwellenleitern zur Datenübertragung und Steuerung der Riffgat-Anlagen verlegt, die letztendlich alle in der Umspannstation zusammenlaufen.

Eine rund 80 km lange 155-kV-Verbindung, die sogenannte Exporttrasse, leitet die erzeugte Energie schließlich von der Umspannstation des Windparks bis ins Umspannwerk Emden/Borßum auf dem Festland, von wo aus der Strom dann in das deutsche 220-kV-Netz eingespeist wird. Die Umspannstation ist somit der zentrale Knotenpunkt der gesamten Offshore-Anlage. Eine schwerwiegende Störung oder gar ein Ausfall würde die Produktivität des Windparks vollständig zum Erliegen bringen. Der Funktionserhalt des Umspannwerks nahm bei der Projektplanung entsprechend einen sehr hohen Stellenwert ein.

Selbsthilfe im Brandfall
Die 2.035 t schwere Umspannstation beherbergt die zentrale Technik des Windparks. Hier befinden sich alle elektrotechnischen Einrichtungen, die Betriebsüberwachung, die Netzersatzanlage, die Sicherheitstechnik und auch eine umfassende Brandschutzeinrichtung.

Den Zuschlag für die Planung und Umsetzung eines ganzheitlichen Konzeptes erhielt das Unternehmen Wagner. Das Planungsteam setzte dabei nicht auf ein einziges System, sondern auf eine Kombination von unterschiedlichen Systemen und Techniken. Entstanden ist eine komplexe Anlage, bestehend aus Brandfrüh­erkennung, Brandvermeidung, Gaslöschtechnik, Sprinklern, Schaumlöschanlagen und einem Gefahrenmanagementsystem. Die Entscheidung, die komplette Brandschutzanlage inklusive aller Komponenten aus einer Hand zu beziehen, fiel dabei ganz bewusst. „Wir haben die komplette Brandschutzlösung für das Umspannwerk des Riffgat-Windparks gestellt. Das hat den enormen Vorteil, dass wirklich alles optimal aufeinander abgestimmt ist. Man darf kein Risiko eingehen, dass ein Millionenprojekt wie Riffgat im Störfall Schaden nimmt bzw. zerstört wird", so Dipl.-Ing. Michael Kind, Leiter der Wagner Niederlassungen Hamburg und Hannover.

Schnellabsenken und halten
Den Kern der Brandschutzeinrichtung bildet das Titanus-Ansaugrauchmeldesystem. Insgesamt 34 Einheiten des Systems zur Brandfrüherkennung wurden in den verschiedenen Bereichen verbaut und entnehmen kontinuierlich Proben aus der Umgebungsluft. Der optische Melder der Titanus-Technologie besitzt eine besonders hohe Sensibilität und reagiert wesentlich schneller als handelsübliche Punktmelder. Im Falle einer Branddetektion wird mittels FirExting-Gaslöschtechnik mit Stickstoff der Sauerstoffgehalt im Raum auf 13,8 Vol.-% abgesenkt. Dem Brand wird somit die Sauerstoffzufuhr genommen und das Feuer erstickt.

Insgesamt rund 400 kg Stickstoff werden zum Zweck der Schnellabsenkung in 140 l-Flaschen auf der Umspannstation vorrätig gehalten. Da eine Löschanlage nur über einen bestimmten Zeitraum hinweg löschen kann und das Löschmittel dann erst für den nächsten Einsatz wieder neu aufgefüllt werden muss, wird dieser Umstand durch die zusätzliche Installation des OxyReduct-Brandvermeidungssystems ausgeglichen. Um nach der Schnellabsenkung durch die Gaslöschanlage einen verbleibenden Schwelbrand oder eine Rückzündung vermeiden zu können, wird der reduzierte Sauerstoffgehalt mittels der OxyReduct Brandvermeidungstechnologie auf dem niedrigen Level gehalten, bis die Gefahr eines erneut aufkommenden Brandes ausgeschlossen werden kann.

Da die Anlage den dafür notwendigen Stickstoff mittels Membrantechnologie selbst vor Ort aus der Umgebungsluft gewinnt, kann das niedrige Sauerstoffniveau im Schutzbereich beliebig lange gehalten werden - notfalls sogar über Tage hinweg. Somit können die mit dem System ausgestatteten Bereiche wie Kontrollräume, Einrichtungen der Klimaanlagen und Batterien zuverlässig vor Schäden durch Feuer geschützt werden.

Sprinkler und Schaumlöschanlagen als Sonderlösung
Anstelle der FirExting-Gaslöschanlagen und der OxyReduct-Brandvermeidungssysteme wurden einige Bereiche, wie die Traforäume und die Netzersatzanlagen mit den Dieselmotoren, mit Sprinklertechnik ausgestattet. In Außenbereichen, wie zum Beispiel dem Hubschrauberlandeplatz, kommen Schaumlöschanlagen zum Einsatz. Sprinkler- und Schaumlöschsysteme wurden dabei nur in Bereichen eingesetzt, die mittels Gaslöschtechnik nicht oder nur sehr schwer auszustatten gewesen wären. Der Anteil wurde dabei aus gutem Grund bewusst klein gehalten. Besonders im Hinblick auf den Umweltschutz sind strenge Auflagen zu beachten. So dürfen anfallendes Löschwasser oder Löschschaum nicht ins Meer gelangen, sondern müssen aufgefangen und aufwendig auf dem Festland entsorgt werden.

Kontinuierliche Überwachung vom Festland
Damit kein Vorfall auf der Umspannstation unbemerkt bleibt, sind alle Brandschutzeinrichtungen in das Gefahrenmanagementsystem VisuLAN eingebunden. Sämtliche Meldungen der Titanus-Ansaugrauchmelder wie Infoalarm, Voralarm sowie der Hauptalarm in Zweimelderabhängigkeit werden hier erfasst und lösen spezifische, im Vorfeld festgelegte Aktionen aus. Die Alarmierung durch den Infoalarm löst so beispielsweise deutlich vor dem eigentlichen Hauptalarm aus. Das Personal auf dem Festland ist somit schon frühzeitig informiert, bevor Störungen ein Feuer überhaupt auslösen können. Im Ernstfall ein kostbarer Zeitvorteil. Zudem dokumentiert das System alle Vorfälle, die im Zusammenhang mit dem Brandschutzsystem stehen. VisuLAN kann somit auch wertvolle Hinweise bei der Nachbereitung eines Brandfalls liefern.

2014 wird Riffgat voraussichtlich ans Netz gehen und zukünftig tausende von Haushalten mit klimafreundlicher erneuerbarer Energie versorgen. Damit dies auch im Brandfall so bleibt, hat Wagner für die Umspannstation der Anlage ein umfassendes Brandschutzkonzept entwickelt, das optimal an die Anforderungen eines Offshore-Projekts angepasst ist und alle Vorteile der unterschiedlichsten Brandschutzlösungen zu einem großen Ganzen vereint.

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