Safety

Stiefel, die durchs Feuer gehn. Starker Schutz und Tragekomfort – wie passt das zusammen?

23.09.2020 -

Wer für das Leben anderer Menschen durchs Feuer geht, benötigt starken Schutz. Damit Feuerwehrleute ihre Rettungseinsätze unbeschadet über­stehen, sind sie auf robuste Ausrüstung angewiesen. Dazu gehören auch ­Sicherheitsstiefel, die längst mehr bieten müssen als zuverlässigen Schutz. Tragekomfort und Ergonomie spielen eine ebenso wichtige Rolle – erst recht bei teilweise stundenlangen Einsätzen. Wie sich diese Anforderungen kombinieren lassen, hat GIT SICHERHEIT im Gespräch mit Lutz Hentrey erfahren. Er ist Produkt­manager beim Sicherheitsschuhhersteller Elten.

GIT SICHERHEIT: Herr Hentrey, Elten stellt seit über 100 Jahren Sicherheits- und Berufsschuhe für unterschiedliche Branchen wie die Industrie oder das Handwerk her. Auch für die Feuerwehr entwickeln Sie Fußschutz. Hier haben Sie Ihr Portfolio nun ausgeweitet.

Lutz Hentrey: Das ist richtig. Wir entwickeln Lösungen für jeden Anwendungsbereich und jeden Fußtypen. Das gilt selbstverständlich auch für Berufe, in denen der Arbeitsalltag höchste Anforderungen an Mensch und Material stellt. Die Frage nach der Materialsicherheit muss daher an oberster Stelle stehen, wenn sich Feuerwehrleute in brenzligen Situationen schützen müssen – sei es vor Flammen, Säure oder am Boden liegenden Trümmerteilen. Daher kann es nicht nur darum gehen, dass Zehenschutzkappen und durchtritthemmende Zwischensohlen zur Standardausstattung gehören. Details wie spezieller Hitze- oder Schnittschutz tragen beispielsweise zu einer erhöhten Sicherheit bei. Wir stellen uns darüber hinaus stets die Frage, welche Anforderungen einzelne Einsätze an die Sicherheitsstiefel stellen. Denn danach richten sich auch die Bedürfnisse der Träger.

Worauf kommt es denn noch an, damit sich Feuerwehrleute am Einsatzort sicher bewegen können?  

Lutz Hentrey: Die Gefahren am Einsatzort sind schwer vorherzusehen, wenn Feuerwehrleute ausrücken. Das stellt uns als Hersteller vor die Herausforderung, nicht nur einen Feuerwehrstiefel entwickeln zu können, der dann für jeden Einsatz passt. Klar ist aber, dass in den meisten Fällen das Material sehr stark beansprucht wird. Bei oftmals rauen Bedingungen kommt es daher darauf an, dass der Fußschutz nicht allzu sehr verschleißt. Ein abriebfester Spitzenschutz oder TPU-Überkappen sind hier ebenso nützlich wie TPU-Schienbeinprotektoren. Nicht zu unterschätzen ist zudem der Faktor Zeit, denn im Einsatz zählt in vielen Fällen jede Sekunde. Einen Vorteil bieten hier Schlupfstiefel, die sich leicht an- und ausziehen lassen. Das funktioniert auch optimal mit Stiefeln, die über ein Boa Fit System verfügen. Das ist ein praktischer Schnellverschluss, der Schnürsenkel überflüssig macht. Mit nur einem Dreh mit einer Hand wird der Schuh geschlossen. Das spart Zeit, weil der Feuerwehrstiefel schnell fest am Fuß sitzt und genauso schnell wieder geöffnet werden kann.

Und wenn die Einsatzkräfte wirklich durchs Feuer gehen?  
Lutz Hentrey: Solche Einsätze gehören selbstverständlich zu den extremsten überhaupt. Insbesondere die Sohlen der Stiefel müssen hier enormen Temperaturen trotzen. Dabei spielt der Wärmeisolierungswert eine wesentliche Rolle. Sohlen mit einem Leistungsniveau von HI3 etwa halten bis zu 40 Minuten lang 250 °C stand. Ebenfalls eine wichtige Rolle spielt die Auswahl des Obermaterials. Hier hat sich feuerresistentes und strapazierfähiges Rindleder als geeignete Lösung erwiesen. Hersteller wie wir setzen bei den Nähten zudem auf ein sogenanntes Nomex-Garn. Das besteht aus einer Hochleistungsfaser, die minimales Gewicht mit höchster Schutzstufe vereint. Die Faser ist permanent flammhemmend und selbstverlöschend.

Welche Gefahren bei Einsätzen haben Sie bei der Entwicklung der Sicherheitsstiefel geleitet?

Lutz Hentrey: Ein Beispiel sind die Außeneinsätze, bei denen unebene und rutschige Untergründe zu einer Gefahr werden können. Bei einer Personenrettung am Abhang beispielsweise können Einsatzhelfer den Halt verlieren, wegrutschen oder stürzen. Die Folgen könnten dramatisch sein. Glatteis indes kann die Bedingungen ebenfalls drastisch erschweren. Sicherheitsstiefel mit einer grobstolligen Gummi-/PU-Sohle können hier Stürze verhindern, weil diese sehr rutschhemmend ist und auf unwegsamen Gelände für Stabilität sorgt. Sohlen mit Profiltiefen von bis zu sechs Millimetern bieten zudem beim Außeneinsatz auf unebenen Untergründen zuverlässigen Halt. Ein Steilfrontabsatz kann darüber hinaus das Durchrutschen verhindern, beispielsweise beim Steigen auf Leitern.

Und worauf kommt es noch an?

Lutz Hentrey: Ein weiteres Beispiel ist die Arbeit mit einer Kettensäge oder einem Trennschleifer, etwa wenn entwurzelte Bäume von der Straße entfernt oder Personen nach einem Unfall aus dem Pkw befreit werden müssen. In solchen Situationen drohen Schnittverletzungen auch im Bereich der Füße. Helfer benötigen daher speziellen Schnittschutz gemäß DIN EN ISO 17249. Hoch schnittfeste Fasern im Schuh bremsen die Kette durch Aufnahme der Bewegungsenergie ab. Egal, welche Art von Einsatz – robuster und zuverlässiger Schutz steht bei diesen Fußschutzkonzepten also an oberster Stelle.

Sie sprechen von Fußschutzkonzepten – was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff?

Lutz Hentrey: Wir möchten den Trägern unserer Modelle ganzheitliche Lösungen anbieten, die sie nicht nur schützen, sondern zugleich ihre Gesundheit fördern und sie bei der Arbeit unterstützen und nicht beeinträchtigen. Dazu kooperieren wir mit internationalen Universitäten und Hochschulen und entwickeln Fußschutz, der aus wissenschaftlicher und technischer Sicht die Weichen für die Zukunft stellt. Zu den Ergebnissen von Forschungsprojekten gehören etwa das Passformkonzept „Ergo-Active“, eine moderne Dämpfungstechnologie in den Modellen der „Wellmaxx“-Serie, oder die „Dialution“-Modelle für Beschäftigte mit Fehlstellungen, Deformitäten oder Diabetesfolgeproblemen. Den gestiegenen Ansprüchen an Kriterien wie Tragekomfort, Ergonomie oder Gesunderhaltung haben wir uns auch bei der Entwicklung unserer neuen Feuerwehrstiefel der erweiterten Reihe „Fire“ gestellt.

Greifen wir das Stichwort Tragekomfort noch einmal auf: Wie passt dieser mit robustem Schutz zusammen, der im Feuerwehrstiefel höchste Priorität hat?

Lutz Hentrey: Manche Einsätze dauern mehrere Stunden, teilweise werden die Stiefel sogar den ganzen Tag getragen. Wir wissen, was Feuerwehrleute leisten, und arbeiten daran, ihnen die harte Arbeit so angenehm wie möglich zu machen. Die Stiefel sollen deswegen auch bei dauerhaftem Tragen bequem sitzen, anstatt am Fuß zu reiben oder zu drücken. Damit das gelingt, entwickeln wir die aktuellen Modelle auf einem neuen Leisten – für eine komfortable und ergonomische Passform. Die Träger haben dadurch besonders viel Platz im Vorfußbereich. Das ist für alle Einsatzkräfte mit besonders breiten Füßen ein Plus in puncto Tragekomfort. Letztendlich trägt es auch dazu bei, die Sicherheit zu erhöhen. Ist der Fußschutz bequem, wird er auch gerne und damit dauerhaft getragen. Ein weiteres Beispiel ist eine Schnür-Reiß-Kombination, die die Stabilität steigert, weil sie sich optimal an den Fuß und den Unterschenkel anpasst. Ein weiches Knöchelpolster erhöht den Tragekomfort ebenso wie ein spezielles Gore-Tex Stretch Laminat, das sich in die Schuhzunge integrieren lässt. Durch diesen Stretchbereich an der Schaftrückseite und eine Ausziehhilfe an der Ferse kann der Stiefel besonders schnell an- und ausgezogen werden. Besteht auch das Innenfutter aus wasserdichtem Gore-Tex, sorgt es für ein angenehmes Schuhklima und trockene Füße, selbst mitten im Löschwasser.

Ein Blick in die Zukunft: Die Digitalisierung wird in vielen Bereichen vorangetrieben. Kann Sie auch bei Stiefeln für die Feuerwehr Einzug halten?

Lutz Hentrey: Grundsätzlich ist Persönliche Schutzausrüstung für digitale Themen ein geeigneter Einsatzbereich. Wir beschäftigen uns mit neuen Technologien und erforschen, was innerhalb und außerhalb eines Schuhs noch möglich und sinnvoll ist. Bei Feuerwehrstiefeln ist diese Frage möglicherweise noch zentraler als bei Sicherheitsschuhen etwa in der Industrie. Schließlich sind die Anforderungen an das Material hier extrem. Es muss sich daher sicherstellen lassen, dass mögliche Zubehörteile etwa bei Temperaturen von über 200 °C Celsius ebenso geeignet sind wie das Material, mit dem der Schuh hergestellt ist.

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