Security

Energiekrise und Kritis: Erhöhter Bedarf an Perimeterschutz

27.07.2022 - Interview mit Sorhea über Produktentwicklung in Zeiten von Krieg und Pandemie und die Büroeröffnung in Deutschland.

Für Sorhea ist es ein nächster Schritt auf dem deutschen Markt und ein Signal für weiteres Wachstum: ­die Büroeröffnung in Rüsselsheim bei Frankfurt. Seit dem 14. April 22 finden dort nun regelmäßig ­Besprechungen, Schulungen und technische Einweisungen im Showroom statt. GIT SICHERHEIT war live vor Ort, bekam ­einen Rundgang, eine Übersicht über die Räumlichkeiten und Produkte sowie die Möglichkeit zum Interview. Lisa Holland, Redakteurin bei GIT SICHERHEIT, sprach mit Christian Valette, General­direktor von Sorhea, Benjamin Tate, Head of International Sales und Heiko Viehweger, Verkaufsleiter DACH.


GIT SICHERHEIT: Herr Tate, Herr Valette, warum braucht der deutsche Markt Sorhea?

Benjamin Tate: Deutschland wurde als ein Schlüsselmarkt für Wachstum identifiziert, um unser Exportgeschäft auszubauen. Es gibt ein enormes Potenzial, nicht nur wegen der Größe des Landes, sondern auch, weil es viele sensible Standorte und kritische Infrastrukturen (Kritis) zu schützen gibt. Und es gibt viele Fachleute, seien es Systemintegratoren, spezialisierte Berater, Sicherheitsdesigner mit viel Fachwissen, die sich mit ähnlichen Technologien auskennen, wie wir sie anbieten. Das ist erfolgsversprechend.

Christian Valette: Wenn wir uns die Wettbewerber weltweit ansehen, gibt es viele kleine Unternehmen mit einzigartigen Technologien, denn unser Markt ist eine Nische. Sorhea dagegen hat viele verschiedene Technologien, an denen wir seit der Gründung des Unternehmens arbeiten. Wir haben 7-8 Technologien in unserem Angebot, und das ist ein Vorteil gegenüber anderen Wettbewerbern. Damit sind wir sicherlich unter den ersten Top-drei-Anbietern mit einer breiten Produktpalette.
Sorhea ist auch Teil der Vitaprotech-Gruppe und hat bereits viel Erfahrung in Exportländern. Ungefähr 50 Prozent des Umsatzes werden in Exportländern gemacht (25 % in den USA und 25 % in anderen Exportländern, darunter Deutschland). Die andere Hälfte wird in Frankreich erwirtschaftet. Es ist nicht einfach, aber es ist ein guter Schritt, in einem Land wie Deutschland zu investieren. Es liegt in der Nähe von Frankreich, es gibt Raum für Verbesserungen und wir haben viele Verbindungen. Für Sorhea macht es im Moment Sinn.

Benjamin Tate: In Deutschland ging es bei Perimetersicherheit in der Vergangenheit viel um physische Sicherheit. Damit meine ich, dass es eine Menge hochwertiger Zäune gibt. Es handelt sich um ein riesiges Zaun-Repertoire, das seit vielen Jahren den Markt für Perimetersicherheit in Deutschland dominiert. Aber in den letzten 10 Jahren hat man begonnen, auf elektronische Sicherheit umzusteigen, um zusätzlichen Schutz zu bieten, also ein bisschen später als in anderen Ländern. Als man anfing, elektronische Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, begann man hauptsächlich mit Schockdetektionskabeln, weil man bereits viele hochwertige Zäune hatte und einfach das Kabel hinzufügte.
In Deutschland gibt es viele Anbieter von Detektionskabeln, und deshalb knüpfe ich an das an, was Christian gesagt hat. Wir haben diese Technologien, aber wir haben auch die aktive Infrarot-, Mikrowellen-, duale Technologie, Videoanalyse und andere Systeme, die man an den verschiedensten Orten und in den unterschiedlichsten Umgebungen einsetzen kann, um verschiedene Bedrohungsstufen zu bewältigen. Ja, wir haben viel mehr als nur ein Kabel, das man am Zaun anbringen kann, und das bringt echte Vorteile.


Was genau ist der Vorteil eines vielseitigeren Portfolios?

Benjamin Tate: Viele Leute vergessen, dass jeder Standort einzigartig ist und man ihn individuell behandeln muss. Ob es um die Sicherheitsbedrohungen geht, um die Umgebung, um die Eigenschaften des Standorts oder um die Aktivitäten auf dem Gelände – jeder Standort ist anders! Vegetation, Topologie, Nachbarn, Bedrohungsgrad – jeder Standort ist einzigartig. Eine Technologie, die an einem Ort perfekt funktioniert, funktioniert an einem anderen aus den genannten Gründen nicht. Genau hier kommen wir ins Spiel, und genau hier braucht Deutschland Sorhea. Denn wir haben all diese Optionen, die Kunden nutzen können, um sicherzustellen, dass sie die besten und individuell angepassten Technologien für jeden einzelnen Standort haben.


Herr Viehweger, was erwarten Sie vom ­neuen Büro und dem deutschen Markt?

Heiko Viehweger: Für den deutschen Kunden ist es sehr wichtig, dass er einen Vertrag mit einer realen Person abschließen kann. Für den deutschen Käufer oder Installateur ist es nicht wichtig, ob wir Erfolge oder gute Partnerschaften in Paris oder Lyon führen, es ist wichtig, dass wir Referenzen in Deutschland haben und einen kurzen Weg der Unterstützung. Wenn wir innerhalb von 48 Stunden Hilfe leisten, ist das immer noch zu lang – sie wollen eine sofortige Reaktion und Maßnahmen je nach Bedrohungsgrad und Standort. Deshalb müssen wir vor Ort sein. Wir haben in Deutschland mehrere Jahre lang mit einem Vertriebspartner zusammengearbeitet, aber es ist etwas ganz anderes, als Hersteller in direktem Kontakt zu stehen. Uns gehen keine Informationen verloren, und Informationen sind für uns sehr wichtig. Wenn ein Installateur oder Integrator auf die Baustelle kommt und eine Lösung vorschlägt, kann diese aus unserer Sicht ganz anders aussehen, und das können wir nur sehen, wenn wir vor Ort sind. Wir sind der Hersteller und haben einen viel tieferen Einblick in die Technologie, und wir können ein noch besseres und tiefergehendes Fachwissen bieten. Deshalb ist die lokale Präsenz sehr wichtig. Es ist ein Bekenntnis zu diesem Land, hier zu investieren.

Benjamin Tate: Wir wollen nicht als ein französisches Unternehmen erscheinen, das versucht, nach Deutschland zu exportieren. Wir wollen den Leuten beweisen, dass wir ein deutsches Unternehmen sind, mit einem deutschen Büro, mit deutschem technischen Support, deutscher Übersetzung – wir sind deutsch. Denn das hat für die deutschen Kunden einen echten Wert. In Deutschland konkurrieren wir nicht nur mit unseren Produkten, sondern auch mit den Dienstleistungen, die wir anbieten. Und die Dienstleistungen und der technische Support sind für den deutschen Kunden wirklich wichtig. Sie sind sogar noch wichtiger als in anderen Ländern.


Welches ist Ihr vielversprechendster Kundenkreis in Bezug auf die vertikalen Märkte?

Heiko Viehweger: Eindeutig der gesamte Markt der Kritis-Standorte. Es gibt dort einen erhöhten Bedarf an Sicherheit. Seit einigen Jahren hat sich die Bedrohungslage verschärft. Eindringlinge attackieren gezielt Kommunikationsstandorte. Das Bedrohungsniveau ist jetzt viel höher – Eindringen, Sabotage usw. Besonders bei Kommunikationsstandorten gibt es einen hohen Bedarf an Sicherheit. Es gibt viele Standorte in diesem Bereich, die bis jetzt keinerlei Sicherheitsmaßnahmen beispielsweise für ihre Satellitenkommunikation getroffen haben. Im gesamten Kritis-Bereich wird es in den nächsten Monaten und Jahren einen Investitionsschub für die Sicherheit geben.

Benjamin Tate: In Deutschland gibt es im Moment eine Energiekrise. Wenn das Gas abgeschaltet wird, woher soll die Energie kommen? Das ist ein riesiges Thema und deshalb wird es in diesem Bereich viel mehr Aktivität geben. Windturbinen, Solarparks und alles, was mit dem Energiesektor zu tun hat, muss die Produktion steigern. Mehr Produktion bedeutet mehr Lagerbestände und damit gibt es höhere Sicherheitsrisiken durch Sabotage oder Diebstahl. Ein weiteres Thema, das wir im Auge haben, sind Rechenzentren ebenso wie Militärbasen.


Wie hat Sorhea die Lieferkettenproblematik bewältigt?

Christian Valette: Wir arbeiten seit mehr als einem Jahr an der Frage der Lieferketten und haben versucht, mit all unseren Zulieferern eine Menge Dinge vorwegzunehmen. Das war nicht einfach, aber im Moment sind wir in guter Verfassung. Wir hatten keine großen Probleme mit der korrekten Belieferung unserer Kunden.

Benjamin Tate: Unsere Mitarbeiter haben wirklich hart gearbeitet und versucht, sehr kreativ zu sein, um sicherzustellen, dass wir alle Teile haben, um alle unsere Produkte zusammenzubauen. Was wir sagen können, ist, dass wir im Jahr 2021 und Anfang 2022 unsere Standardlieferbedingungen auf dem Niveau von vor der Corona-Panedemie gehalten haben. Wir hatten keine Probleme damit, unsere Lieferfristen um Wochen oder Monate  verlängern zu müssen. Dank dieses Managements und einer Menge harter Arbeit ist es uns gelungen, bis heute nicht davon betroffen zu sein.


Wie geht Sorhea die Entwicklung neuer Produkte an?

Christian Valette: Die Entwicklung neuer Produkte ist ein weiteres momentanes weltpolitisches Problem, denn die Frage kommt auf: Woher bekomme ich elektronische Bauteile für neue Prototypen? Man plant etwas und will einen Prototypen, aber man muss nicht nur dreimal so lange darauf warten wie vor der Pandemie, sondern es hat sich auch der Preis verdoppelt. Natürlich arbeiten wir an neuen Produkten und trotzdem ist es uns auch besonders wichtig, unsere aktuellen Produkte zu verbessern und sicherzustellen, dass es keine Probleme mit dem gesamten Portfolio gibt.
Etwa 7–8 % des Umsatzes werden in Innovation und F&E reinvestiert. Das ist ziemlich viel für ein Unternehmen wie uns.

Benjamin Tate: Es ist Teil unserer DNA, innovative Hightech-Lösungen zu entwerfen und zu entwickeln, sei es die solarbetriebenen Systeme oder die Funkdetektoren – und das hat sich im letzten Jahr etwas verzögert – aber jetzt sind wir wieder voll dabei.

Heiko Viehweger: Wir sind ein französisches Unternehmen, aber wir sind auch bestrebt, mit anderen Zulieferern zusammenzuarbeiten, damit wir unsere Komponenten aus Europa beziehen können. Wir wollen nicht, dass unsere Produkte in Asien hergestellt werden, wo wir nicht die gleichen Beziehungen haben. Deshalb setzen wir uns dafür ein, den europäischen Geist der Entwicklung zu leben.

Christian Valette: Es ist auch eine Chance angesichts des internationalen Kontextes mit dem Krieg in der Ukraine und der Verknappung bestimmter Komponenten, die zu 80-90 % aus Asien kommen: Die europäischen Länder und Regierungen wollen die Produktion in Europa umstrukturieren, so dass einige Industrien und Technologieunternehmen vielleicht wieder hier verstärkt investieren werden und wir wollen das auch leben.

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