Security

BVSW: Jede Krise ist lösbar

Sicherheits- und Risikomanagement bei Entführung, Erpressung & Co.

01.10.2021 - Oliver Schneider, Ex-Offizier beim Kommando ­Spezialkräfte (KSK), gründete 2013 die Firma Risk ­Workers in München und berät heute Privat­personen und Unter­nehmen in ­Krisensituationen. Als „Kidnap for Ransom Consultant“ hat er schon ­mehrere Entführungs­fälle erfolgreich gelöst. Mehr über die Hintergründe seiner ­Arbeit ­erläutert Oliver Schneider im Interview.

GIT SICHERHEIT: Herr Schneider, Sie unterstützen Unternehmen beim Sicherheits- und Risikomanagement auf Geschäftsreisen im Ausland. Mit welchen Herausforderungen sind Sie derzeit konfrontiert?

Oliver Schneider: Momentan ist die Pandemie eine der größten Herausforderungen und eine gute Vorbereitung ist das A und O für jede Reise. Aktuell prüfen wir für unsere Kunden die Einreisebestimmungen in verschiedene Länder anhand der Vorgaben von RKI und des Auswärtigen Amtes. Die Bestimmungen ändern sich laufend und je nachdem woher der Reisende kommt gelten andere Vorgaben im jeweiligen Zielland. Deshalb spielt auch die Zusammenarbeit mit den Behörden vor Ort eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung.

Piraterie, Entführungen und Erpressungen machen manche Länder zu einem gefährlichen Terrain.  Gibt es Länder vor deren Besuch Sie abraten?

Oliver Schneider: Für jedes Zielland ist es hilfreich, eine individuelle Risikoanalyse zu erstellen. In Abhängigkeit vom Risiko ist die Frage zu klären, ob die Reise wirklich wichtig ist, oder ob es noch andere Möglichkeiten gibt. Mit einer guten Vorbereitung sind Reisen aber immer möglich.

Wie sieht eine Vorbereitung in solche Hoch­risikoländer aus?

Oliver Schneider: Ein Awareness-Training muss die Mitarbeiter für die Risiken sensibilisieren, mit denen sie eventuell konfrontiert sein werden. Mit speziellen Vorbereitungsprogrammen für den Notfall lassen sich richtige Verhaltensweisen üben. Besonderes Augenmerk sollten Unternehmen auch auf den Meet-and-greet-Prozess am Zielort legen, um zu verhindern, dass der Mitarbeiter womöglich gleich zu einem Kriminellen ins Auto steigt. Der Transport vom Flughafen will organisiert sein, ebenso wie die passende Unterbringung des Reisenden. Auch gesundheitliche Risiken müssen überprüft werden: Ist der Reisende fit genug, um beispielsweise in Gebiete mit extremem Klima zu reisen? Ist ein ausreichender Impfschutz vorhanden? Außerdem gilt es zu klären, ob es einen Krisenstab im Unternehmen gibt und ob der seinen Einsatz schon mal geprobt hat. An zentraler Stelle müssen Dokumente hinterlegt werden, die klären, wer im Ernstfall zu benachrichtigen ist und ob der Entführte beispielsweise auf Medikamente angewiesen ist.

Mittlerweile gibt es Versicherungen für Entführungen. Haben die Versicherungen Einfluss auf die Höhe der Lösegeldsumme?

Oliver Schneider: Die Versicherungen unterliegen einer sehr strikten Geheimhaltung und im Ausland wissen die Täter in der Regel nichts über die Existenz einer entsprechenden Police. Tatsächlich ist der Abschluss einer Versicherung auch Teil einer guten Vorbereitung. Bei einer Entführung gibt es ja nicht nur das Lösegeld zu bezahlen, sondern es entstehen auch eine ganze Reihe weiterer Kosten, wie beispielsweise für Rechtsanwälte, Rückführung oder dauerhafte Behandlung des Entführungsopfers, das womöglich traumatisiert wurde.

Lösegelderpressungen finden heute meist ­digital als „Ransomware-Attacke“ statt. Welche Tipps können Sie aus Ihrer Erfahrung für eine Verhandlung mit IT-Kriminellen mitgeben?

Oliver Schneider: Bei analogen wie auch bei digitalen Lösegelderpressungen geht es um Geld und damit um die Frage, ob das Unternehmen zahlen will oder nicht. Auch im digitalen Raum muss geprüft werden, ob es alternative Möglichkeiten gibt, die Geiseln, in dem Fall die Daten, zu befreien, sei es durch ein Backup, eine eigene Entschlüsselung oder ähnliches. Wenn sich das Unternehmen entscheidet zu zahlen, ist die Lösegeldübergabe wie bei analogen Entführungen ein kritischer Punkt. Es gilt zu verhindern, dass die Erpresser nachverhandeln wollen, nur eine Geisel freilassen, bzw. nur einen Teil der Daten entschlüsseln. Bei den Verhandlungen muss man deshalb darauf bestehen, dass man einen gemeinsamen Deal hat und eine Vereinbarung auch entsprechend benennen.

Sie sind auch im Personenschutz tätig. Wie darf man sich heute die Aufgaben in diesem Bereich vorstellen?

Oliver Schneider: Personenschutz im 21. Jahrhundert beginnt beim Schutz der persönlichen Daten. Ein wichtiger Teil der Arbeit besteht deshalb aus Recherchetätigkeit, um herauszufinden, welche Informationen über die zu schützende Person verfügbar sind. Dafür überprüfen wir den gesamten digitalen Fußabdruck unserer Klienten und suchen auch im Darkweb nach Informationen beispielsweise zur Familie, Feriendomizilen, Schulen oder ähnliches. Insbesondere in Bezug auf die Nutzung Sozialer Netzwerke ist ein Awareness-Training hilfreich, um zu vermitteln, was gepostet werden darf und wie.

Ihr Buch trägt den Titel „Der Wille entscheidet“ und Sie sagen, dass die mentale Stärke eines Menschen Einfluss auf den Erfolg von Verhandlungen hat. Kann man mentale Stärke trainieren?

Oliver Schneider: Mentale Stärke ist zu einem gewissen Teil vorgegeben, aber jeder hat die Möglichkeit sie zu trainieren, indem man sich Bilder zurechtlegt, wie beispielsweise eine erfolgreiche Verhandlung ablaufen kann. Diese Methode des mentalen Trainings kommt auch im Spitzensport zur Anwendung.

Vom KSK-Offizier zum Unternehmensberater: Welche Kompetenzen aus Ihrer Militärzeit können Sie besonders gut für ihre jetzige Tätigkeit gebrauchen?

Oliver Schneider: Beim Militär sowie bei THW, Polizei und Feuerwehr ist man permanent mit Lagen konfrontiert, die plötzlich auftreten und für die eine schnelle Lösung erforderlich ist. Der Führungsvorgang zur Erlangung von Entscheidungen sowie die Entscheidungsfindungsprozesse sind deshalb fest verankert und jederzeit abrufbar. Die SCRUM-Methode im Projektmanagement sowie das VUCA-Konzept kommen ursprünglich aus dem militärischen Bereich. In einer Geschäftswelt, die von einem immer schnelleren Wandel und größeren Unsicherheiten geprägt ist, bietet die Erfahrung beim Militär das passende Rüstzeug.

BVSW-Vortragsreihe mit Oliver Schneider
Der Bayerische Verband für Sicherheit in der Wirtschaft, BVSW, hat mit Oliver Schneider eine Vortragsreihe organisiert. Start ist am 5. Oktober 2021 um 16.30 Uhr via Teams: mit einem Online-Vortrag zum Thema „Sicher­heit von Projekten und Mitarbeitern am Beispiel eines deutschen Anlagenbauers in der Sahel-Zone“. Anmeldung und weitere Infos unter: www.bvsw.de

Kontakt

BVSW Bayerischer Verband für Sicherheit in der Wirtschaft e.V.

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