Management

Sicherheit am größten europäischen Luftdrehkreuz - Interview mit Philippe Bauer

21.01.2013 - Seit knapp fünf Jahren ist am Flughafen Leipzig/Halle das „DHL Air Hub Leipzig" in Betrieb. Es ­ist neben Hongkong und Cincinnati (USA) das zentrale europäische Drehkreuz des weltw...

Seit knapp fünf Jahren ist am Flughafen Leipzig/Halle das „DHL Air Hub Leipzig" in Betrieb. Es ­ist neben Hongkong und Cincinnati (USA) das zentrale europäische Drehkreuz des weltweiten Luftfrachtnetzes der Post-Tochter. Allein der Gebäudekomplex umfasst 23.000 m² Hangar­fläche und 48.000 m² Warehousefläche. Zu dem 200 Hektar großen Gelände gehören auch Flugfeld und zahlreiche Liegenschaften. Das riesige Logistikzentrum wird täglich von mehr als 50 DHL-Frachtflugzeugen angesteuert und pro Nacht werden über 1.500 Tonnen Fracht umgeschlagen. Hier sind umfangreiche und sehr ­spezielle Sicherheitslösungen erforderlich.

Unser wissenschaftlicher Schriftleiter Heiner Jerofsky sprach mit dem Leiter für Sicherheit der DHL Hub Leipzig GmbH, Philippe Bauer,
über Logistiksicherheit und über besondere Herausforderungen beim effizienten Einsatz von Personal und Technik am größten euro­päischen Luftdrehkreuz.

GIT-SICHERHEIT.de: Die Gesamtanlage DHL Air Hub Leipzig ist jetzt seit fünf Jahren in Betrieb. Welche Erfahrungen haben Sie mit der ursprünglich vorgesehenen Sicherheitsarchitektur gemacht? Wo musste nachgebessert oder etwas verändert werden?

Philippe Bauer: Die Besonderheit an unserem Luftfrachtdrehkreuz Leipzig/Halle war von Anfang an der direkte Zugang zum Luftsicherheitsbereich. Unsere Fluggesellschaft EAT (European Air Transport) betreibt am Standort nach § 9 im Luftverkehrsgesetz einen sogenannten „überlassenen Bereich". Dies erfordert einen angemessenen Sicherheitsplan, der durch das LBA (Luftfahrtbundesamt) genehmigt und regelmäßig geprüft wird. Die zu Projektzeiten ausgewählte Sicherheitstechnik erfüllt zuverlässig ihren Dienst. Nur wenige Verschleißkomponenten, beispielsweise Video-Server, wurden ausgetauscht. Das autarke Sicherheitsnetzwerk hat sich bewehrt und auch hier wurden schon Erweiterungen vorgenommen. Lediglich ein neues Ausweisverwaltungssystem wurde eingeführt und momentan halten wir Ausschau nach einem übergreifenden Sicherheitsmanagementsystem. Einen wesentlichen Beitrag an der Zuverlässigkeit der Anlage trägt die richtige Auswahl des Sicherheitstechnikdienstleisters und die Einhaltung eines strikten Wartungsvertrags.

Der Umschlag und die Lagerung von riesigen Warenmengen schaffen auch Begehrlichkeiten von Kriminellen. Daneben ist ein Luftverkehrskreuz auch gegen terroristische Angriffe zu sichern. Wie sind Ihre Sicherheitsplanungen darauf eingestellt?

Philippe Bauer: Die Sendungen, die unser Hub erreichen, werden bei uns nicht gelagert, sondern noch in derselben Nacht weitergeleitet. Bis zu 250.000 Sendungen werden pro Nacht in unserem Warehouse umgeschlagen. Alle unsere Mitarbeiter werden vor ihrer Einstellung polizeilich überprüft und erhalten ihren Vertrag erst nach Bestätigung der sogenannten ZÜP (Zuverlässigkeitsüberprüfung). Jeder neue Mitarbeiter durchläuft ein Trainingsprogramm zum Thema Sicherheit noch bevor er den offiziellen Zutritt zum Sicherheitsbereich erhält. Zudem führen wir Austrittskontrollen aller Mitarbeiter und Besucher beim Verlassen unseres Luftsicherheitsbereiches durch. Ab 2013 wird DHL weltweit auch das „Certified International Specialist Programm" mit einem 8-stündigen Sicherheitstraining für alle Mitarbeiter ausrollen. Wir setzen was Diebstahl angeht eindeutig auf Prävention.
Nach den Vorfällen im Jemen hat die DHL Geschäftsführung entschieden alle Güter beim Eingang in das Luftfrachtnetzwerk zu überprüfen. Diese Entscheidung brachte einen großen Investitionsplan mit sich, um die Detektionsmöglichkeiten an verschiedenen Standorten zu erhöhen. Wir sind stolz darauf hier in Leipzig eine automatisierte Röntgenanlage integriert zu haben, die uns erlaubt, in kürzester Zeit erhebliche Mengen an Packstücken überprüfen zu können. Die Anlage hilft uns dabei aktuelle Anforderungen nach EU Gesetz sowie von anderen Luftsicherheitsbehörden
effizient umzusetzen. Auch hier liegt der Schwerpunkt auf Prävention durch Detektion, Abschreckung und Verzögerung. In diesem Bereich wird eng mit den Sicherheitsbehörden zusammengearbeitet und für den Ernstfall geprobt. Die Anzahl der befähigten Personenwarenkontrollkräfte mit der Zusatzausbildung „Fracht" konnten wir voriges Jahr um 80 % erhöhen. Neben diesen aufwendigen Schulungen verfügen wir über Röntgentechnik mit sogenannter „dual-view-technology" sowie mehrere Sprengstofferkennungsgeräte.

Haben Sie eigenes Sicherheitspersonal im Einsatz und ­welche ­Tätigkeiten haben Sie mit ­welchen Erfahrungen fremd
vergeben?

Philippe Bauer: Sicherheit ist in unserem Bereich das A und O. Deshalb beschäftigt die DHL Hub Leipzig GmbH fast 200 eigene Mitarbeiter, die für alle Aufgaben im Security-Bereich inklusive Arbeitsschutz und betriebsinterner Feuerwehr zuständig sind. Bei Personalengpässen wird von Zeit zu Zeit auf qualifiziertes Personal von Leiharbeitsfirmen zurückgegriffen.

Wie und von welcher zentralen Stelle aus werden alle technischen Meldungen, wie z. B. Einbruch- und Störungsmeldungen, Videoanalyse oder Zutrittskontrolle koordiniert und haben Sie Interventionskräfte vor Ort?

Philippe Bauer: Wir haben einen internen Sicherheitsleitstand und über 600 Überwachungskameras installiert. Hier werden hauptsächlich die Grenzen des Sicherheitsbereichs überwacht. Zudem werden auf dem Vorfeld alle Luftfahrzeuge und die Fracht gesichert. Der Leitstand fungiert auch als Notrufzentrale, bei welchem sämtliche Störungsmeldungen und Notrufe entgegengenommen und Einsätze koordiniert werden. Alle Einsätze werden durch eigene Interventionskräfte abgewickelt und bei Notwendigkeit von Behörden und der Flughafenfeuerwehr unterstützt. Neben dem Sicherheitsleitstand gibt es die Ausweisstelle, die rund um die Uhr Zutrittskontrollen durchführt und für die Ausgabe der Dienstausweise zuständig ist.

Zur Überwachung des Geländes, der Gebäude und der Fracht werden über 600 Videokameras eingesetzt. Haben sich die Dome- und Festkameras bezüglich Bild­qualität, Schnelligkeit, Sensorik und Störanfälligkeit bewährt und sind intelligente Systeme im ­Logistikbereich empfehlenswert?

Philippe Bauer: Wir sind mit der Auswahl der verschiedenen Kameratypen zufrieden. In Ausnahmefällen überlegen wir, Dome-Kameras durch feste zu ersetzen. Hier liegt jedoch meist eine bauliche Veränderung zugrunde. Bei neuen Kameras werden wir auf jeden Fall auf HD-fähige Geräte zurückgreifen. Wir beobachten stets die Marktentwicklung im Bereich er intelligenten Systeme. Aufgrund der überdurchschnittlichen Dimension unserer Sortieranlage wird eine Umrüstung jedoch nur Stück für Stück erfolgen.

Perimeterschutz ist bei einem derart großen und wichtigen Gelände unverzichtbar. Wie können sich unsere Leser die Geländesicherung an der sehr langen Grundstückgrenze vorstellen?

Philippe Bauer: Wir haben einen Sicherheitszaun nach ICAO Normen, der sowohl durch einen regelmäßigen personellen Kontrollgang als auch durch eine Kombination aus Video- und Alarmmeldetechnik abgesichert wird.

Ausweiswesen mit zuverlässiger Personenidentifizierung und Zutrittskontrolle sind wichtige Bausteine eines Sicherheitskonzeptes. Wie wird verhindert, dass fremde Personen mit einem gestohlenen oder gefälschten Ausweis das Gelände betreten?

Philippe Bauer: Jeder Mitarbeiterarbeiterausweis ist durch ein entsprechendes Lichtbild eindeutig zuzuordnen. Bei Verlust kann der Ausweis auch aus der Ferne gesperrt werden, sodass ein unbemerkter Zutritt nicht mehr möglich ist. Besucher müssen sich mit einem gültigen Lichtbildausweis bei uns anmelden und registrieren. Der Zugang zum Sicherheitsbereich ist außerdem nur in Kombination des Ausweises mit einem biometrischen Abgleich möglich. Dieser erfolgt per Venen-Scan mit der dem Ausweis zugeordneten Person. So wird ein Ausweismissbrauch effizient unterbunden.

Die gesamte Sicherheitstechnik ist von der unterbrechungs­freien Stromzufuhr abhängig. Wie gewährleisten Sie den nötigen Ausfallschutz und
mit welchem Aufwand?

Philippe Bauer: Wie viele Unternehmen unserer Größe, verfügen auch wir über Notstromaggregate, die für eine gewisse Zeit die Stromzufuhr in unserem Haus aufrechterhalten. Darüber hinaus sind die neuralgischen Elemente der Sicherheitsinfrastruktur mit unterbrechungsfreien Stromversorgungseinheiten ausgestattet. Der Aufwand ist sehr umfangreich und kostenintensiv, jedoch unabdingbar, um eine lückenlose Sicherheit des Standortes zu gewährleisten.

Inwieweit sind Sie auch für Aviation Security zuständig und wie können Sie den Schutz der Luftfahrzeuge, die auf dem Gelände abgestellt sind, personell und technisch sicherstellen?

Philippe Bauer: Wir haben ein Team von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, das die Kontrollen an den Flugzeugen bei jeder Be- und Entladung sicherstellt. Zudem sind alle Flugzeugparkplätze per Lichtsensor gesichert und lösen bei unbefugtem Betreten einen Alarm aus.

Der Umschlag von riesigen Frachtmengen vom Flugzeug auf Lastkraftfahrzeuge und die Ladungsverfolgung erfordert einen hohen logistischen Aufwand. Wie und mit welchem personellen und technischen Aufwand erreichen Sie die Aufrechterhaltung der Logistikkette?

Philippe Bauer: Uns erreichen an sechs Nächten pro Woche bis zu 60 Flugzeuge und zirka 80 Fahrzeuge, die mehr als 200.000 Sendungen zu und von unserem Hub transportieren. Das Be- und Entladen der Flug- und Fahrzeuge, sowie die Sortierung und Verzollung der Sendungen erfordert eine enge Zusammenarbeit aller Bereiche. Auf dem Vorfeld arbeiten ca. 500 Mitarbeiter, die in Einklang mit den mehr als 1.000 Mitarbeitern im Warehouse pro Schicht den reibungslosen Ablauf und den pünktlichen Weitertransport der Fracht gewährleisten. Die Abläufe werden durch verschiedene EDV-Systeme unterstützt, die ständig weiterentwickelt werden, um den operativen Anforderungen gerecht zu werden.

Die Sicherheit sorgt für möglichst reibungslosen und störungsfreien Betrieb des DHL Air Hub Leipzig. Wie beurteilen Sie täglich die
aktuelle Sicherheitslage und wie sind Sie auf außergewöhn­liche Störungen und Krisen vorbereitet?

Philippe Bauer: Wir bewerten die aktuelle Sicherheitslage auf der Grundlage aller Informationen, die uns zur Verfügung stehen. Diese erhalten wir nicht nur von offiziellen Quellen, sondern auch aus der Luftfahrtindustrie. Darüber hinaus sind unsere Kollegen aus dem weltweiten Security-Netzwerk in der Lage uns mit zeitnahen Informationen zu versorgen. In unserer Qualitäts- und Kontrollabteilung ist ein Mitarbeiter für das Notfall- und Krisenmanagement bis hin zum „business continuity management" zuständig. Regelmäßig werden abteilungsübergreifende Übungen durchgeführt und eine Vielfalt an Szenarien geprobt. Dies kann vom Zaundurchbruch über Bombendrohungen bis hin zu Vorfällen mit Luftfahrzeugen sein. Selbstverständlich gibt es für diesen kritischen Standort entwickelte Pläne, um die Auswirkungen eines solchen Ereignisses zu minimieren.


Herzlichen Dank für die offenen Worte und den interessanten Einblick in Ihre schwierige tägliche Arbeit. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Glück und das nötige Gespür für diese wichtige Aufgabe.