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Sicheres Tor zur Welt: Interview mit Gerhard Wirth, Sicherheitschef der Flughafen München GmbH

02.05.2013 - Der Flughafen München hat sich als europäische Luftverkehrsdrehscheibe etabliert: Mit 37,8 Millionen Fluggästen belegte Bayerns „Tor zur Welt" im Jahr 2011 erstmals Platz 6 unter d...

Der Flughafen München hat sich als europäische Luftverkehrsdrehscheibe etabliert: Mit 37,8 Millionen Fluggästen belegte Bayerns „Tor zur Welt" im Jahr 2011 erstmals Platz 6 unter den zehn aufkommensstärksten Airports ­Europas. An einem internationalen Verkehrsflughafen hat sowohl die allgemeine Sicherheit als auch der sichere ­Betrieb von Luftfahrzeugen sowie deren Abfertigung höchste Priorität. Die Flughafen München GmbH trägt im Verbund mit anderen behördlichen und privaten Sicherheitsorganisationen dazu bei, dass der Münchner Flughafen heute den Ruf genießt, einer der sichersten Airports der Welt zu sein. Unser wissenschaftlicher Schriftleiter Heiner Jerofsky sprach mit dem Sicherheitschef Gerhard Wirth über seine Aufgaben, Herausforderungen und Strategien.

GIT-SICHERHEIT.de: Sie sind seit 1981 bei der Flughafen München GmbH und seit 1993 ­Leiter des Servicebereiches Security. Damit sind Sie einer der erfahrensten Sicherheitschefs an europäischen Großflughäfen. Worin liegt das Geheimnis Ihrer Arbeit an einem der sichersten Airports der Welt?

Gerhard Wirth: Sicherheit ist immer dann gut, wenn man nicht darüber spricht. Eines meiner Grundprinzipien war daher immer: gute Sicherheitsarbeit leisten und wenig darüber reden. Dies widerspricht zwar dem Grundsatz „Tue ­Gutes und sprich darüber", aber der Erfolg hat mir recht gegeben. Sicherheit ist ein Geschäft, bei dem sehr vieles im Hintergrund abläuft.

Flughäfen brauchen ein engmaschigeres Netz von Sicherheitsmaßnahmen, denn Flugzeuge und große Menschenansammlungen sind ein mögliches Ziel für Terroristen. Damit gehört die gesamte Infrastruktur von Flughäfen zu den wichtigsten und ­empfindlichsten Lebensadern unserer ­Zivilisation. Welche Sicherheits- und ­Serviceleistungen bieten Sie zum Schutz des Flughafens München und der dort tätigen Firmen an?

Gerhard Wirth: Grundsätzlich sind die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten an einem Flughafen im Wesentlichen durch das Luftsicherheitsgesetz festgelegt. Hier gibt es drei wesentliche Player: die Sicherheitsbehörden, die Luftverkehrsgesellschaften und die Flughafenbetreiber. Jeder hat klar zugewiesene Aufgaben. Als Flughafenbetreiber sind wir zuständig für die bauliche, technische und personelle Absicherung des gesamten Flughafenareals. Dazu gehört z. B. das gesamte Zugangsmanagement, wir verwalten etwa 30.000 Sicherheitsausweise und 50.000 Schlüssel für ca. 700 am Flughafen ansässige Firmen. Neben den gesetzlich verpflichtenden Luftsicherheitsaufgaben gibt es bei uns natürlich auch die sog. betriebliche Sicherheit. Wir führen Bestreifungen durch, machen Aufenthaltskontrollen ­etc., also die klassischen Werkschutzaufgaben.

Wie eng ist Ihre Kooperation mit Sicherheitsabteilungen an anderen Flughäfen und welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit staatlichen Sicherheitsbehörden, wie Zoll, Bundespolizei, Landespolizei, Finanz- und Innenministerium? Wo sehen Sie Verbesserungsmöglichkeiten?

Gerhard Wirth: Eine enge Kooperation aller Beteiligten ist wichtig, ich möchte fast sagen lebenswichtig. Sicherheit funktioniert als Netzwerk - sowohl am Standort als auch auf nationaler und internationaler Ebene. Wichtig dabei ist die Verbandsarbeit, durch die man auch politische Weichenstellungen herbeiführen kann. Gerade hier kann ich nur allen Beteiligten anraten, sich zu engagieren, um die Interessen der Luftfahrt - wie im Besonderen auch der Luftsicherheit in der politischen Entscheidungsbildung zu wahren. Ohne die Expertise aus der Praxis fehlt der Politik hier das „Feintuning", um auf die spezifischen Sicherheitserfordernisse der Luftfahrt angemessen reagieren zu können.

Wie viele Mitarbeiter sorgen rund um die Uhr für Sicherheit und wie werden sie - je nach Einsatzgebiet - ausgebildet, wie werden sie weitergebildet und gibt es dazu eine spezielle Firmenphilosophie?

Gerhard Wirth: Am Flughafen München sind insgesamt etwa 3.800 Mitarbeiter im Bereich der Sicherheit tätig - Polizei, Bundespolizei und private Sicherheitsdienstleister, zu denen wir uns zählen, mit eingerechnet. Das sind knapp 13 % aller Beschäftigten am Flughafen. Damit wird auch indirekt ausgedrückt, welchen Stellenwert die Sicherheit an den Flughäfen allgemein mittlerweile einnimmt. Eine fundierte Aus- und Weiterbildung in allen Bereichen ist zwingend, hier gibt es auch seitens des Gesetzgebers umfangreiche Vorgaben. Zu unserem Anspruch gehört es dabei, dass wir innerhalb unseres eigenen Bereiches eine klare Karriereplanung und -entwicklung anbieten und umsetzen.

Wie schaffen Sie es mit Ihren Mitarbeitern, die Servicequalität hochzuhalten und ggf. zu verbessern? Können Ihre Kunden mit Qualitätsmanagement rechnen?

Gerhard Wirth: Wir haben vor vielen Jahren begonnen, systematisch ein Sicherheits- und Qualitätsmanagement aufzubauen. Dieses setzen wir als Kontroll- und Steuerungsinstrument in unseren Betrieb und gegenüber unserem Tochterunternehmen, der CAP Flughafen München Sicherheits-GmbH, ein. Mit unserem eigens entwickelten QM-System sorgen wir nicht nur für eine beständig gute Sicherheitsdienstleistung, sondern haben damit zugleich ein Unterstützungssystem für das Management der FMG und unserem Tochterunternehmen CAP geschaffen. In den letzten Jahren haben wir damit zahlreiche Audits und nicht zuletzt zwei EU-Inspektionen - quasi die Krönung der Qualitätsprüfungen - in den Jahren 2007 und 2012 erfolgreich bestanden.

Die Fluggastkontrolle ist trotz des personellen und technischen Aufwands nicht immer lückenlos. Ganzkörper-Scanner sollen sie optimieren. Hatten Sie diese Geräte schon mal im Einsatz, wie sind Ihre Erfahrungen und sollte diese Technik zukünftig bei allen Passagieren angewendet werden?

Gerhard Wirth: Ganzkörper-Scanner befinden sich derzeit noch in der Entwicklungsphase. Zunächst waren sie am Flughafen Hamburg im Einsatz, die Bundespolizei konnte in dieser Zeit wertvolle Erfahrungen sammeln. Mittlerweile befindet sich die zweite Generation europaweit im Test. Nachdem diese Art von Kontrollgeräten zunächst in der Öffentlichkeit höchst umstritten war, hat sich nunmehr der Sturm der Entrüstung gelegt. Das schafft gute Voraussetzungen für eine kontinuierliche Weiterentwicklung. Ob die zweite Generation bereits anwendungstauglich für die Praxis ist, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abschätzen. Neben einer sicheren Detektion von gefährlichen Stoffen soll ja auch eine Prozessbeschleunigung erreicht werden. Und hier sehe ich noch einen weiten Weg vor uns. Bei uns am Flughafen München werden diese Scanner noch nicht eingesetzt, aber ich schließe nicht aus, dass wir uns in nächster Zukunft an Modellversuchen beteiligen werden, bis die eingesetzte Technik die nötige Marktreife erlangt hat.

Wie und mit welchem technischen Aufwand stellen Sie eine lückenlose Kontrolle der Luftfracht sicher?

Gerhard Wirth: Luftfrachtsicherheit ist ein äußerst spannendes Aufgabenfeld, auf dem sich gerade vieles tut. Die Europäische Kommission hat strengere Regelungen erlassen, die im März dieses Jahres umgesetzt werden müssen. Betroffen hiervon sind im Wesentlichen die sog. bekannten Versender und die reglementierten Beauftragten, also Unternehmen, die eine maßgebliche Rolle im gesamten Frachtabfertigungsprozess einnehmen. Die Gesamtverantwortlichen auf diesem Sektor sind die Luftfahrtunternehmen, somit diejenigen, die schlussendlich die Ware von A nach B transportieren. Als Flughafenunternehmen leisten wir insofern Support, indem wir die nötigen Flächen und ggf. die Infrastruktur für effiziente Frachtkontrollen planen und zur Verfügung stellen und uns damit als Luftfrachtstandort Flughafen München strategisch positionieren. Die CAP als unsere Sicherheitstochter bietet in diesem Rahmen ebenfalls entsprechende Dienstleistungen an.

Mit welchem technischen Mittel und ­perso­nellen Einsatz schützen Sie das riesige Gelände und die Flugzeuge auf dem Münchner ­Flughafen gegen Eindringlinge und Angriffe?

Gerhard Wirth: Im vergangenen Jahr hat die Flughafen München GmbH ca. 35 Mio. € für die Sicherheit ausgegeben, von denen ein Großteil in den Personalaufwand floss. Alleine die CAP mit ihren ca. 700 Mitarbeitern erbringt einen hohen Anteil dieser Sicherheitsdienstleistung. Seit 2006 werden in München, wie im Übrigen an den meisten europäischen Flughäfen, alle Beschäftigten, die ihren Dienst im Sicherheitsbereich verrichten, in gleicher Weise kontrolliert wie die Passagiere. Dazu mussten Kon­trollstellen und Zufahrten technisch mit Röntgengeräten und vor allem personell mit Luftsicherheitskon­trollkräften entsprechend aufgerüstet werden. Daneben sichern wir die Grenzlinie zwischen öffentlichem Bereich und „luftseitigem" Sicherheitsbereich mit hohem Aufwand ab. Wesentliche Bestandteile sind hierbei unser Zutrittskontrollsystem, CCTV, Kommunikationssysteme sowie unsere Gefahrenmeldeanlage. All dies wird in einem hochkomplexen technischen Verbundsystem durch unsere Sicherheitsleitstelle koordiniert.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Sicherheitslage an deutschen Großflughäfen und wie schnell und sensibel können Sie auf plötzliche Lageveränderungen und Krisen reagieren?

Gerhard Wirth: Nach meiner Auffassung unterscheidet sich die Sicherheitslage auf deutschen oder europäischen Großflughäfen nicht gravierend von der Situation an andereren großen Infrastruktureinrichtungen. Bei Flughäfen ist jedoch die mediale Aufmerksamkeit sehr viel größer, Sicherheitsthemen stoßen hier stets auf ein großes Interesse in der Öffentlichkeit und haben dadurch einen beträchtlichen Nachhall. Dies wiederum entfaltet Druck auf die politisch Verantwortlichen, sodass es oftmals zu überzogenen Reaktionen kommt. Vor diesem Hintergrund hat die Flughafen München GmbH im vergangenen Jahr ihr Notfall- und Krisenmanagement reorganisiert und verstärkt, um auf diese Weise schnell, aber auch kontrolliert auf Katastrophen oder Krisensituationen reagieren und Entscheidungsträger besser unterstützen zu können.

Nach unseren Informationen werden Sie noch im Frühjahr 2013 in den Ruhestand gehen. Was würden Sie Ihrem Nachfolger oder Nachfolgerin raten, welche Fehler sollte er oder sie keinesfalls machen und was könnte er oder sie aus Ihrer langjährigen Erfahrung lernen?

Gerhard Wirth: Zunächst möchte ich an dieser Stelle einen Dank an meine Geschäftsführung aussprechen. Sie ist meiner Empfehlung gefolgt, rechtzeitig einen Nachfolger zu suchen. Dieser trat bereits am ersten Februar seinen Dienst bei der FMG an, sodass ein kontinuierlicher Übergang gewährleistet ist. Mit Ratschlägen halte ich mich bewusst zurück, denn mein Nachfolger kommt aus der Sicherheitsbranche und bringt viel Erfahrung mit. Und wenn, dann würde ich ihm einen Grundsatz mitgeben, den ich während meiner Dienstzeit bei der Bundeswehr gelernt habe: Vor großen Entscheidungen eine Nacht darüber schlafen, das erhellt manch komplizierte Situation.

Wie werden Sie den Übergang zwischen einem heißen Managerstuhl und dem häuslichen Fernsehsessel schaffen? Welche Hobbys haben Sie und was haben Sie sich als Jungpensionär besonderes vorgenommen? Werden Sie der Sicherheitsbranche bei Kongressen, Vorträgen oder als Berater weiterhin fachlich zur Seite stehen?

Gerhard Wirth: An dieser Stelle halte ich es mit Franz Beckenbauer: Schau mer mal, dann sehn ma schon. Ich spiele seit einiger Zeit Golf, mache seit Jahrzehnten bayrische Volksmusik und bin begeisterter Jäger. Und dann ist da noch mein neuer Arbeitgeber, der mir zu Hause die eine oder andere Aufgabe zuweisen wird. Also insgesamt eine spannende Lebensphase, bei der ich aber eines beherzigen möchte - entschleunigen statt beschleunigen.

Vielen Dank für das informative Gespräch und alles Gute, Gesundheit und Glück für Ihren weiteren Lebensweg.