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Rechtsgrundlagen der Videoüberwachung

01.11.2011 - Die Videoüberwachung ist zu einem Dauerthema in der öffentlichen Diskussion geworden. Populärstes Beispiel ist die verdeckte Überwachung von Lidl-Mitarbeitern bis hinein in die Pri...

Die Videoüberwachung ist zu einem Dauerthema in der öffentlichen Diskussion geworden. Populärstes Beispiel ist die verdeckte Überwachung von Lidl-Mitarbeitern bis hinein in die Privatsphäre. Im Mittelpunkt der innenpolitischen Diskussion steht derzeit der Entwurf des BKA-Gesetzes „Zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus“, wonach Ton- und Videoaufzeichnungen auch in Wohnungen erlaubt sein sollen. Rechtsanwalt Dr. Ulrich Dieckert verschafft uns einen rechtlichen Überblick und gibt Praxishinweise für Planer, Handwerker und Errichter.

Viele sehen Deutschland bereits auf dem Weg zum Überwachungsstaat. Wie häufig in solchen Diskussionen werden gesetzliche Regelungen gefordert, um die Bürger vor einer unkontrollierten Überwachung zu schützen. Dabei wird übersehen, dass sich sowohl Gesetzgebung als auch Rechtsprechung bereits seit Jahren mit dem Thema befassen und deshalb nicht wenige Regelungen bestehen, die diesen sensiblen Bereich normieren.

Für Planer, Handwerker und Errichter, die Videoüberwachungsanlagen im Kundenauftrag planen und einbauen, stellt sich die Frage der Gesetzmäßigkeit aus einer ganz anderen Perspektive. Denn von ihnen wird erwartet, dass sie ihre Leistungen frei von Mängeln planen und errichten. Hierzu gehört jedoch nicht nur die Einhaltung der einschlägigen technischen Vorschriften. Vielmehr muss die Anlage auch sonst gesetzmäßig sein, damit der Bauherr keine Nutzungsuntersagung oder gar Abrissverfügung des Bauordnungsamtes riskiert.

Rechtliche Grundlagen

Beim Recht der Videoüberwachung im Mittelpunkt steht § 6 b Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), der im Jahre 2001 in das Datenschutzrecht aufgenommen wurde und seitdem Gegenstand zahlreicher Gerichtsentscheidungen gewesen ist. Nach dieser Vorschrift ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) nur zulässig, soweit sie zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, zur Wahrnehmung des Hausrechtes oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

Rechtsgrundlagen der Videoüberwachung. Wenn der Staat oder ein Gewerbetreibender also Videoüberwachung betreiben will, so hat er nicht nur zu prüfen, ob dies das „mildeste Mittel“ zur Wahrnehmung seiner Interessen ist, sondern ob nicht möglicherweise Rechtsgüter der gefilmten Personen in unverhältnismäßiger Weise betroffen sind.

Wie eine solche Abwägung stattzufinden hat, hat das Amtsgericht Hamburg kürzlich in Bezug auf die Videoüberwachung einer bundesweit tätigen Kaffeehauskette vorgeführt (Urteil vom 22.04.2008). Danach ist eine Überwachung im Kassen- und Warenbereich nach § 6 b BDSG zulässig, weil dort die Gefahr von Diebstählen und damit die Verletzung von Eigentumsrechten des Kaffeehausbetreibers besonders hoch ist.

Hingegen ist das Filmen im Sitzbereich, in dem die Gäste beim Verzehr länger verweilen, unzulässig, weil dort in die Persönlichkeitsrechte der Kunden (insbesondere ihre soziale Interaktion) in unverhältnismäßiger Weise eingegriffen wird.

§ 6 b BDSG befasst sich jedoch nur mit Räumlichkeiten, die für den Bürger öffentlich zugänglich sind wie bspw. Kauf- und Warenhäuser, Banken, öffentlicher Straßenraum, Parkhäuser etc.

Räumlichkeiten, die nur aufgrund besonderer Erlaubnis betreten werden können, wie z. B. Wohnungseigentumsanlagen, Werksgelände, private Wohnungen und Grundstücke oder auch Büros, Werkhallen und Lagerräume, unterliegen nicht dem Regelungsbereich der Vorschrift. Hier ist eine Videoüberwachung nur möglich, wenn die Betroffenen individuell einwilligen oder die Überwachung durch eine „andere Rechtsvorschrift“ erlaubt ist (vgl. § 4 Abs. 1 BDSG).

Eine solche andere Vorschrift kann bspw. eine Betriebsvereinbarung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 des Betriebsverfassungsgesetzes darstellen. Danach hat der Betriebsrat ein Mitspracherecht bei der „Einführung und Anwendung technischer Einrichtung, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen“. Diese Regelung greift allerdings nur, wenn ein Betriebsrat vorhanden ist, was bspw. bei Lidl nicht der Fall war.

Hinweise für die Praxis

Die Rechtsprechung legt Planern und Errichtern bei der Ausübung ihrer Tätigkeit sog. „Sachwalterpflichten“ auf, die weit über technische Fragen hinausgehen. Zwar ist der Auftraggeber und spätere Betreiber einer baulichen Anlage (einschließlich Videoüberwachung) für die Gesetzmäßigkeit der von ihm durchgeführten Videoüberwachung primär verantwortlich. Er hat jedoch einen Anspruch darauf, dass sich Planer und Errichter bei der Konzipierung der gewünschten Anlage auch mit den einschlägigen Rechtsgrundlagen auseinandersetzen und kann diese daher ggf. in Regress nehmen.

Dies geht jedoch nicht so weit, dass Planer und Errichter zur kostenlosen Rechtsberatung verpflichtet sind. Zwar räumt das novellierte Rechtsberatungsgesetz insbesondere den Architekten einen größeren Spielraum bei der Bearbeitung rechtlicher Fragestellungen ein. Dies betrifft insbesondere Tätigkeiten in der Leistungsphase 6 und 7 nach HOAI, wenn Ausschreibungen vorbereitet und durchgeführt und in diesem Zusammenhang Verträge mit ausführenden Firmen geschlossen werden.

Auch werden Planer immer häufiger im Rahmen der Bauüberwachung (LP 8) mit der Verfassung des VOB/B-Schriftverkehrs betraut. Im Gegensatz zu einem Rechtsanwalt schuldet der Planer jedoch keine erschöpfende Prüfung und Lösung komplexer rechtlicher Probleme.

Wichtig ist jedoch, dass der Planer den Auftraggeber rechtzeitig darauf hinweist, wenn er in Bezug auf eine gestellte Planungsaufgabe rechtliche Probleme erkennt oder zumindest vermutet. Verletzt er derartige Hinweispflichten, dann macht er sich ggf. dem Auftraggeber gegenüber schadenersatzpflichtig.

Im Bereich der Videoüberwachung muss ein Planer bzw. ein Errichter wissen, dass bei der Videoüberwachung im öffentlichen Bereich § 6 b BDSG zu beachten ist. Bei der Überwachung im nicht öffentlichen Bereich (Büros, Werkhallen, Wohnungseigentumsanlagen) muss der Planer wissen, dass es hier der – ausdrücklichen und konkludenten – Zustimmung der überwachten Personen bedarf und dass die Zulässigkeit umso problematischer ist, je mehr die Privatsphäre betroffen ist.

Um sich bei der Planung keinen unnötigen Haftungsrisiken auszusetzen, sollten Planer und Errichter ihre Kunden so früh wie möglich informieren, wenn die gewünschte Überwachungsanlage mit geltendem Recht kollidieren könnte. Dem Auftraggeber sollte empfohlen werden, diesbezüglich kompetenten Rechtsrat einzuholen. Soweit der Auftraggeber die Prüfung dieser Fragen dem Planungsbüro bzw. dem Errichter übertragen will, sollte darauf hingewiesen werden, dass dies eine besondere Tätigkeit darstellt und insofern auch gesondert zu vergüten ist.

Beauftragter Handwerker

Soweit ein Handwerker mit der Errichtung einer Videoüberwachungsanlage beauftragt wird, deren Planung ihm vom Auftraggeber vorgegeben wurde, darf er zunächst davon ausgehen, dass bei der Planung die einschlägigen Gesetzmäßigkeiten beachtet worden sind. Gleichwohl trifft auch den Auftragnehmer eines Bauvertrages die Pflicht, den Auftraggeber unverzüglich schriftlich zu informieren, wenn ihm bspw. Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung kommen (vgl. § 4 Nr. 3 VOB/B). Diese Hinweispflicht beschränkt sich zwar nur auf das, was einem Fachbetrieb an Kenntnissen in Bezug auf die technische Ausführung zugemutet werden kann.

Den Handwerker treffen daher nicht die gleichen Obliegenheiten, wie Planern und Errichtern im Rahmen ihrer Sachwalterpflichten. Gleichwohl wird man auch bei einem Handwerksbetrieb die Kenntnis unterstellen können, dass bspw. die Errichtung von Videoüberwachungsanlagen im öffentlichen Raum ohne die gleichzeitige Vorgabe von Hinweisschildern (vgl. § 6 b Abs. 2 BDSG) unzulässig sein dürfte.

Es kann daher jedenfalls nicht schaden, wenn auch der Handwerker den Auftraggeber vor Ausführung eines Auftrages informiert, wenn ihm an der allgemeinen Gesetzmäßigkeit der zu errichtenden Videoüberwachungsanlage Zweifel kommen.

Zur Person

Rechtsanwalt Dr. Ulrich Dieckert ist Partner der überörtlichen Sozietät Roggelin Witt Wurm Diecker, die u. a. für die Bauwirtschaft beratend tätig ist.

Dr. Dieckert hat sich im Bereich der Sicherungstechnik auf das Thema „Videoüberwachung“ spezialisiert und ist gefragter Referent bei Seminaren und Kongressen der Sicherheitsbranche. So begleitete er beispielsweise die Veranstaltungsreihe „Impulse“ der Unternehmen Geutebrück GmbH und Schneider Intercom.

Die Sozietät RWWD unterhält Standorte in Berlin, Hamburg, Schwerin, Dresden und Frankfurt/ Main. Und berät Unternehmen aus der Bauwirtschaft in allen rechtlich und steuerlich relevanten Fragen. Sie bietet aus Gründen der Prävention baurechtliche Schulungen und Seminare an, die unter www.bauleiterschulung.de abrufbar sind.

Kontakt

Dr. Ulrich Dieckert RWWD, Berlin
Tel.: 030/278707
Fax: 030/278706
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