Management

Matthias Rebellius über Trends in der Gebäudesicherheit

19.07.2011 - Seit drei Jahren leitet Matthias ­Rebellius als CEO die Business Unit Fire Safety Security ­Products bei der Siemens Division Building Technologies.
Bei einem Besuch der ­interna...

Seit drei Jahren leitet Matthias ­Rebellius als CEO die Business Unit Fire Safety & Security ­Products bei der Siemens Division Building Technologies.

Bei einem Besuch der ­internationalen Firmenzentrale in Zug in der Schweiz hatte Heiko Baumgartner Gelegenheit, für GIT-SICHERHEIT.de mit Matthias Rebellius über Trends in der Gebäudesicherheits- und Brandschutztechnik.

GIT-SICHERHEIT.de: Das Siemens One-Konzept sieht einen Ansprechpartner für Ihre Kunden vor. Wie definiert sich die Siemens One-­Organisation?

Matthias Rebellius: Siemens One ist keine eigenständige Geschäftseinheit, sondern eine über die Sektoren hinweg agierende Vertriebsorganisation. Sie wird von unserem CEO Peter Löscher und dem Industry Sektor Chef Siegfried Russwurm gefördert. Unsere Business Units sind darin über Key Account Manager vertreten, die über gute Kenntnisse des Gesamtgeschäfts verfügen. Die Corporate Key Account Managers von Siemens One garantieren einen zentralen Ansprechpartner für unsere Kunden und vertreten das breite Angebot von Siemens - über alle Divisions und Sektoren hinweg. Ihre Ansprechpartner finden sich auf der Management-Ebene.

Wie entscheidet sich, welcher Account ­Manager welches Projekt betreut?

Matthias Rebellius: Bei der Besprechung neuer Kundenprojekte entscheidet sich, welche Experten der Siemens One-Organisation in die Projekt­organisation dazugenommen werden. Die Account Manager müssen integriert arbeiten und auch rechts und links schauen können. Die Nähe zum Kunden steht dabei vor der Technologie und den Lösungen an erster Stelle.

Können Sie etwas zu den vertikalen Märkten sagen?

Matthias Rebellius: Ein Beispiel für einen vertikalen Markt, den wir bei Fire Safety bewirtschaften, ist der Hotelmarkt, für den ich im Business Lead bin. Dadurch, dass wir die Prozesse unserer Kunden im Hotel sehr gut kennen, sind wir in der Lage, unseren Corporate Account-Managern speziell auf Hotels ausgerichtete Lösungen an die Hand zu geben. Die Sicherheit und der Schutz der Hotelgäste ist ein sehr wichtiges Thema, nicht zuletzt aufgrund der gesetzlichen Anforderungen. Durch die Erfüllung der rechtlichen Pflichten alleine ergeben sich jedoch nicht zwingend auch Vorteile für die Geschäftsprozesse eines Hotelbetreibers. Erst durch eine gute Kombination der Sicherheits- und Brandschutzsysteme mit den integrierten Gebäudeautomationssystemen, die wir „Total Building Solutions" nennen, lassen sich Vorteile optimieren. Denken Sie zum Beispiel an vorhandene, informationsgebende Geräte wie den Bildschirm, der in den Hotelzimmern bereits heute unterschiedlichste Funktionen wie Gästebegrüßung oder Fernseh- und Radioprogramm sowie Internet bietet. Dieses Gerät könnte so in das Gesamtsystem integriert werden, dass auch im Falle einer Massenevakuierung wichtige Meldungen darauf aufgeschaltet werden können. Dadurch entfällt ein Suchen des Fluchtplans im Ernstfall. Intelligente Fluchtweglenkung mit Licht unterstützt die Evakuierung in solchen Szenarien.

Wie entwickelt sich das Geschäft im Residential-Markt?

Matthias Rebellius: Die Veränderung der Normenlage führt dazu, dass Neubauten, aber auch vermehrt Altbauten mit Rauchmeldern ausgestattet werden müssen. Hier handelt es sich im Wesentlichen um einfache Technologie, die bisher nicht in unserem Fokus ist.

Können Sie etwas zur Rolle der Sprachalar­mierung für die Gebäudesicherheit sagen?

Matthias Rebellius: Die Sprachalarmierung wird in Zukunft ein noch wichtigerer Bestandteil von Sicherheitssystemen sein. Die Ausprägung ist sehr vom Gebäude und der jeweiligen Nutzung abhängig. In einem Krankenhaus ist beispielsweise eine Pauschal-Sprachalarmierung nicht gewünscht. Hier greifen intelligente Evakuierungssysteme nach einem abgestuften Evakuierungskonzept, bei dem nach Etagen oder Räumen evakuiert wird. Über eine lokale „Command & Control Solution" wird die Evakuierung auf verschiedenen Informationsebenen eingeleitet und fortlaufend nachverfolgt. Dies dokumentiert die Vorgänge für potenzielle Haftungsfragen. Die Haftungsthematik wird stark durch den US-Markt vorangetrieben. Dort ist beispielsweise besonders bei großen Universitätsarealen wichtig, den Krisenstab aktiv zu unterstützen. Bei Bedrohung in einem großen Campus durch Feuer oder Amokläufe sind gute Massen-Sprach­alarmierungssysteme unverzichtbar. Diese sind ein wichtiger Bestandteil von „Intelligent Response" Solutions für situative, intelligente Notfallsituationen.

Wird „Intelligent Response" für alle ­vertikalen Märkte eingesetzt?

Matthias Rebellius: Ja, es lässt sich in fast alle Security-Konzepte einbinden. Die nötige Funktionalität dafür ist in unserem Portfolio abgebildet. Mit unserer Lösungs- und Applikationskompetenz bündeln wir diese Funktionalität zu intelligenten Response-Lösungen für unsere Endkunden.
Siemens unterstützt ja den „best-of-breed" Ansatz, den Einsatz der jeweils besten ­Produkte für eine Lösung.

Wie wirkt sich dies auf integrierte Lösungen aus?

Matthias Rebellius: Die Ausschreibungen berücksichtigen ja oft bewusst mehrere Lieferanten. Unser Ziel ist immer das bestmögliche Zusammenspiel aller Komponenten und deshalb setzen wir auf die BACNet-Standards und Ethernet. Auch setzen die Security-Lösungen auf offene Schnittstellen und Integrationsfähigkeit. Offen gestanden ist es uns jedoch am liebsten, wenn vollumfänglich unsere Produkte zum Einsatz kommen.

Wie sehen Sie das Zusammenwachsen der verschiedenen Gewerke zu einer Lösung?

Matthias Rebellius: Wir sehen ein Zusammenwachsen von Brandschutz-, Zutrittskontroll- und Einbruchsystemen. Aufgrund der Integrationsfähigkeit und Offenheit der Systeme sind wir in der Lage, unseren Kunden die beste Lösung für ihre Anforderung zu bieten. Dabei ist das Siemens Management System die Brücke für die Integration. Unsere Danger Management Station MM8000 kann beispielsweise für kleinere Anforderungen genauso genutzt werden wie als Zentrale über mehrere Standorte hinaus. Um z.B. des Hotels zurückzukommen, können hier neben dem Brandschutz- und Zutrittskontrollsystem auch das Buchungs- oder Raum-Managementsystem eingebunden werden.

Betrachten Sie die Integration nur auf ­Managementebene?

Matthias Rebellius: Nein, die Integration findet auch auf Controller-Ebene statt. Beim Feldbus kann beispielsweise Videotechnik auf dem Loop der Brandmeldetechnik integriert werden und auf dem Feuerwehr-Bedienfeld angezeigt werden. Damit können wir ein „pre recording" in der Brandsituation erstellen, welches den Interventionskräften frühzeitig wertvolle Information liefern kann. Das Ethernet-basierte Netzwerk und das vollumfängliche Aufsetzen auf IP-Technologien garantieren höchste Sicherheit, Verfügbarkeit und Redundanz durch eine Cluster-Backbone-Architektur, die EN 54-konform ist und in die sich bis zu 64 Zentralen einbinden lassen.

Welche Trends sehen Sie im Bereich der Brandmelder?

Matthias Rebellius: Drahtlose Brandmeldesysteme sind zunehmend gefragt. Wir investieren hohe Summen in die Forschung und Entwicklung solcher Systeme und der nächsten Generation von Brandmeldern. Aufgrund des hohen Qualitätsniveaus unserer Detektoren, die auf ASA-­­Technologie basieren, sind wir in der Lage, unseren Kunden eine Echtalarm-Garantie zu geben. Eine solche Sicherheit lässt sich durch zusätzliche Sensorik kaum noch steigern, deshalb sehen wir die Trends bei Brandmeldern eher in der Kombination von Fire und Life Safety, z. B. Turboisolatoren am Loop oder CO-Sensorik. Bei den Brandmeldern wird sich die Entwicklung auf den normalen Generationenwechsel und die Anpassung an neue Technologien konzentrieren.

Welchen Beitrag können chemische Sensoren leisten?

Matthias Rebellius: Chemische Sensoren können zusätzlich zur reinen Branddetektion hilfreich sein, wenn es darum geht herauszufinden, was brennt oder wie ein Feuer ausgelöst wird, beispielsweise durch einen Brandbeschleuniger. Damit dienen chemische Sensoren auch der Analysefunktion. Alles in allem sind die wesentlichen Komponenten bei der Entwicklung von Brandmeldern die Täuschungssicherheit und die Reaktionszeit - daran richtet sich auch künftig die Entwicklung aus.

Sie erwähnten die drahtlose Brandmeldetechnologie, können Sie hierzu etwas sagen?

Matthias Rebellius: Wir führen in Kürze Sinteso Swing ein. Im Unterschied zu den drahtgebundenen Sinteso Brandmeldern mit ASA-Technologie kommt bei Sinteso Swing zusätzlich noch die Mesh Network-Technologie ins Spiel. Das Routing über die drahtlosen Melderpunkte erfolgt in Echtzeit. Dies sowie die drahtlose Lösungsarchitektur erhöht die Verfügbarkeit und Flexibilität beim Engineering enorm. Derzeit befindet sich Sinteso Swing in der EN 5425-Zertifizierung. Drahtlose Brandmeldetechnik könnte damit bald aus der Nische kommen und sich zu einem größeren Markt entwickeln. Sie wird aus meiner Sicht jedoch kein Massenmarkt und kein 100 %-iger Ersatz für drahtgebundene Systeme werden. Ich sehe auch Hybridlösungen, die der hohen Urbanisierung und Verdichtung in Städten gerecht werden. Beispielsweise in Wohnanlagen oder Shopping Centers können Funksysteme für Bereiche flexibler Umnutzung in bestehende drahtgebundene Systeme integriert werden. In historischen Bauten ist eine Verkabelung oft gar nicht möglich, hier ist die drahtlose Technologie von großem Vorteil.

Welche weiteren Trends können Sie ausmachen?

Matthias Rebellius: Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass wir die Investition unserer Kunden langfristig sichern. Dazu trägt eine nachhaltige Modernisierungs- und Migrationsstrategie bei, die wir mit Sinteso Move bieten. Mit diesem Migrationskonzept lässt sich ein Brandschutzssystem schrittweise modernisieren und damit die Investitionssicherheit gewährleisten. Wir sind seit 160 Jahren im Brandschutz tätig: Einige Systeme sind bereits 30 Jahre im Einsatz. Da ist Rückwärtskompatibilität nicht nur ein Feature, sondern die Basis für eine langjährige und vertrauensvolle Kundenbeziehung.

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