Security

Interview mit René Kiefer und Lukas Linke über das neue Konzept für den Einsatz von Videosystemen

05.07.2014 - Der Deutsche Fußballbund hat ein mit dem ZVEI erarbeitetes neues Konzept für den Einsatz von Videosystemen vorgelegt. GIT SICHERHEIT berichtete bereits ausführlich darüber und spra...

Der Deutsche Fußballbund hat ein mit dem ZVEI erarbeitetes neues Konzept für den Einsatz von Videosystemen vorgelegt. GIT SICHERHEIT berichtete bereits ausführlich darüber und sprach vertiefend mit René Kiefer - er ist Vorsitzender des ZVEI Arbeitskreises Videosysteme, zudem tätig bei Siemens - und mit Lukas Linke vom ZVEI-Fachverband Sicherheit.

GIT SICHERHEIT: Herr Kiefer, Herr Linke, der DFB hat zusammen mit dem ZVEI ein neues Konzept für den Einsatz von Videosystemen in Fußballstadien entwickelt. Wie kann man sich diese Zusammenarbeit vorstellen - und was war Ihnen bei dem Leitfaden besonders wichtig?

Lukas Linke: In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurde klar, dass DFB, DFL und die Vereine das Thema Sicherheit im Fußball angehen müssen. Denn die Erwartungshaltung der Politik stieg, das zunehmende Gewaltniveau im Kontext von Fußballspielen zu adressieren. Es galt, ein einheitliches und umfassendes Sicherheitskonzept für die drei Profiligen zu schaffen. Daraufhin ergriff der ZVEI im Dezember 2012 die Initiative für ein Sondierungsgespräch mit dem DFB.

Die Frage war, wie ein technisches Sicherheitskonzept aussehen und welche Rolle Video dabei spielen könnte. Das DFB- ZVEI-Projekt hatte damit regelrechten Pilotcharakter. Erstmals sollten die unterschiedlichen Anforderungen und Perspektiven der relevanten Akteure von Beginn an in einen Sicherheitsleitfaden einfließen.

René Kiefer: Der DFB wollte früh die technischen Aspekte mit der Industrie besprechen. Dies ist nur zu begrüßen, da es teure technische Missverständnisse vermeidet. Bespielweise ist eine flächendeckende Videoidentifizierung zu jedem Zeitpunkt weder sinnvoll noch nützlich. Es kommt darauf an, Videosysteme zielgerichtet und vorausschauend einzusetzen. Zusätzlich müssen die Verantwortlichen die zahlreichen Einflussfaktoren wie Beleuchtung, Wetter, Kameraprojektierung usw. beachten. Andernfalls kann auch die beste Kamera nicht die Qualität und Sicherheitsleistung erbringen, zu der sie in der Lage wäre.

Lukas Linke: Folglich ist am Ende die Bewährung in der Praxis entscheidend. Ein Sicherheitskonzept muss umsetzbar, abgestimmt - und nicht zuletzt auch finanzierbar sein. Die jeweiligen Rahmenbedingungen in der 1. bis 3. Liga lassen sich nicht über einen Kamm scheren. Neu ist daher auch der Ansatz des Leitfadens, ein Fußballstadion in seiner Gänze zu analysieren. Das bezieht sich auf die örtlichen Bereiche (Vorfeld, Gänge, Ränge etc.) sowie auf die unterschiedlichen Nutzungsphasen eines Stadions. Die vermeintliche Ruhephase in der Woche ist genauso sicherheitsrelevant wie der Hochbetrieb an einem Spielsamstag. Die Anforderungen und Schutzziele unterscheiden sich signifikant vor, während, kurz nach und zwischen den Spielzeiten.

René Kiefer: An dieser Stelle muss man einen Schritt weitergehen. Das Videokonzept integriert Wartung und kontinuierliche Services. Diese haben zwei sich ergänzende Ausrichtungen, was den Vereinen und Videobetreibern bewusst sein muss. Wartung sichert die Qualität des Videosystems auf dem aktuellen Niveau gemäß dem Wartungsvertrag. Services aktualisieren das bestehende Leistungsprofil (Update) und/oder erweitern das technische Leistungsprofil (Upgrade) gemäß dem technischen Fortschritt. Bezeichnend für den Projektverlauf ist, dass seit dem Kick-Off- Meeting der Handlungsbedarf von allen geteilt wird und auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet ist. Das sorgt für die notwendige inhaltliche Klarheit, um technologie- und zielorientiert zu arbeiten. Das gewährleistet die Investitions- und Zukunftssicherheit der Vorgaben und Empfehlungen.

Was sind aus Ihrer Sicht die drängendsten Fragen der Stadionsicherheit - und welchen Beitrag kann Videotechnik nach Ihrer Einschätzung hier leisten?

René Kiefer: Der Einsatz von Videotechnik dient dem verbesserten Schutz jedes Einzelnen in Fußballstadien. Moderne Videosysteme gewährleisten auf der einen Seite eine hochwertige, zielgenaue Verwendung von Videobildern, wodurch eine kritische flächendeckende Videoidentifizierung für die Zuschauerbereiche nicht benötigt wird. Darüber hinaus ist eine Verbesserung der Sicherheitsabläufe, insbesondere im Bereich der Führung von Zuschauerströmen (Crowd-Management), gewährleistet. Die Videotechnik steht dabei unter den Maximen der deutschen Datenschutzbestimmungen. Der Leitfaden berücksichtigt ihre Vorgaben von Beginn an. Im Ergebnis gibt er den Verantwortlichen mehr Handlungssicherheit, indem er ein verbessertes Sicherheitsniveau mit der Wahrung der Persönlichkeitsrechte kombiniert.

Lukas Linke: Diese Handlungssicherheit entsteht zudem, wenn man die vielen organisatorischen Faktoren berücksichtigt, die einem technischen Sicherheitskonzept zugrunde liegen. Ein Umstand, der oft unterschätzt wird. Allein auf dem Weg vom Bahnhof bis zum Stadion treten Bundespolizei, Landespolizei, private Sicherheitsdienste, Stadionbetreiber und Vereinsverantwortliche auf den Plan. Für die Industrie ist es daher wichtig, dass die Verantwortlichkeiten, Anforderungen und technischen Vorgaben beispielsweise für die Übertragung, Vorrangschaltung und Speicherung klar geregelt sind. Stimmen hier die Abläufe nicht, nützt das beste Equipment wenig.

Wie Herr Kiefer bereits ausdrückt, ist absolut klar, dass hierbei der Datenschutz jederzeit zu berücksichtigen ist. Die drängendste Frage ist für uns demnach, ob alle relevanten Akteure an den Sicherheitskonzepten beteiligt sind. Dann erst kann die Sicherheitstechnik präventiv geplant werden. Sicherheitslagen sind sehr dynamisch und Änderungen vorprogrammiert. Um hierfür sensibel zu sein, benötigt es den Input aller Parteien. Dies erleichtert z.B. den modularen Ausbau oder die Verwendung von temporären Videosystemen bei einzelnen Risikospielen.

René Kiefer: Der zweite drängende Aspekt ist die Qualifizierung des Personals, das die Videotechnik bedient. Insbesondere in zeitkritischen Situation ist sprichwörtlich die Fingerfertigkeit entscheidend. Ohne Training und Erfahrung ist die Video-Identifizierung von Einzeltätern, schnelles Umschalten zwischen Zoom und Überblick, oder generell das effiziente Management des Videosystems eine Herausforderung.

Welche Aktivitäten planen Sie in diesem Zusammenhang noch - wie geht es weiter?

René Kiefer: Vorgesehen sind regelmäßige Treffen zwischen DFB und ZVEI zur Überprüfung und eventuellen Anpassung der Technik an Fortschritt und Innovation. Bewusst verstehen wir den Leitfaden als „lebendes Papier". Darüber sind die Inhalte natürliche auch für andere Sportarten relevant. Hierzu treten wir in Kontakt mit den verantwortlichen Stellen und Verbänden. Gleiches gilt für die Verwendung der Sportstätten für andere Events wie z.B. Konzerte.

Lukas Linke: In anderen Worten ausgedrückt, besteht der Reiz des Leitfadens darin, dass die darin formulierten „Video Basics" für Fußballstadien wie für Versammlungsstätten zutreffen. Diese liegen wiederum in 95 Prozent der Fälle im Verantwortungsbereich der Kommunen. Wir gehen daher zusätzlich auf die Städte und Gemeinden zu, um deren Sichtweise auf das Thema Sicherheit einzubringen.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

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