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Gerichtsurteile: Videoüberwachung im Einzelhandel

02.05.2013 - Das Landesarbeitsgericht Hamm hat jüngst eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Bocholt bestätigt *), wonach es in aller Regel keine Entschädigungsansprüche bei zulässiger Videoüber...

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat jüngst eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Bocholt bestätigt *), wonach es in aller Regel keine Entschädigungsansprüche bei zulässiger Videoüberwachung gibt. Es handelt sich um eine weitere Verfestigung der ständigen Rechtsprechung.
Es berichtet Rechtsanwalt Dr. Ulrich Dieckert, der die beiden Urteile ­erstritten hat.

Es ist ein geradezu alltäglich im Einzelhandel vorkommender Sachverhalt: Eine Bäckerei hat Videokameras in der Filiale installiert, um Einbruchsversuche und Trickbetrügereien, die in der Vergangenheit mehrfach vorgekommen waren, zum Schutze des Geschäfts und der Mitarbeiter zu unterbinden bzw. zu dokumentieren. Die Mitarbeiter wurden vorher genau informiert und erhielten bei der Installation die Gelegenheit, sich über die Funktionsweise und den Erfassungsbereich der Kameras zu unterrichten.

Monate nach ihrem Ausscheiden machte die Klägerin vor dem Arbeitsgericht Bocholt Ansprüche auf eine Geldentschädigung in Höhe von € 25.000 wegen der rechtswidrigen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte geltend. Sie behauptet, die Videoüberwachung habe vornehmlich dazu gedient, die Mitarbeiter zu überwachen, zur Wahrnehmung des Hausrechts oder berechtigter Interessen für konkrete Zwecke sei die Überwachung nicht erforderlich gewesen. Als Verkäuferin habe sie sich zu einem erheblichen Zeitraum in dem beobachteten Bereich aufgehalten, sodass sie einem ständigen Überwachungsdruck ausgeliefert gewesen sei. Dies habe zu einer erheblichen psychischen Beeinträchtigung sowie zur Arbeitsunfähigkeit geführt.

Die Entscheidung der Gerichte
Das Arbeitsgericht Bocholt hat die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts setze nach ständiger Rechtsprechung des BGH einen rechtswidrigen, schuldhaften und schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht voraus, bei welchem die Beeinträchtigung nach der Art der Verletzung nicht in anderer Weise durch Unterlassung, Gegendarstellung oder Widerruf befriedigend ausgeglichen werden könne. Diese Voraussetzungen seien hier nicht gegeben. Zwar sei mit der Installation und dem Betrieb der Videokameras ein Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmerin verbunden. Dieser sei aber nach den Grundsätzen des § 6 b BDSG gerechtfertigt.
Danach ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen zulässig, soweit sie zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des Gerichts erfüllt. Bei dem Verkaufsraum einer Bäckereifiliale handelt es sich um einen öffentlich zugänglichen Raum. Dabei könne der Verkaufsraum nicht in einen öffentlich zugänglichen und einen nicht öffentlich zugänglichen Bereich dahingehend unterteilt werden, dass der Bereich vor der Ladentheke öffentlich zugänglich ist, der Bereich hinter der Ladentheke hingegen nicht.

Die Videoüberwachung sei auch zweckmäßig und erforderlich. Die Überwachung dient der Abschreckung potentieller Täter und damit der Vermeidung von Diebstählen und Trickbetrügereien. Des Weiteren soll sie die Identifizierung etwaiger Täter ermöglichen und damit als repressives Mittel zur Verfolgung etwaiger Straftaten eingesetzt werden. Ein anderes, gleich wirksames und das Persönlichkeitsrecht weniger einschränkendes Mittel zur Erreichung dieser Zwecke ist nicht ersichtlich. Die von der Klägerin ins Feld geführten Videoattrappen seien als repressives Mittel zur Verfolgung und Identifizierung von Straftätern ungeeignet. Trickbetrügereien ereignen sich gerade beim Kassiervorgang, nämlich der Entgegennahme des Kaufpreises und der Herausgabe des Wechselgeldes: Ziel heimlicher Diebstähle wiederum sind die Warenauslagen. Da Trickbetrügereien und Diebstähle häufig erst später bemerkt werden, ist zur Erreichung der festgelegten Zwecke auch ein reines Fernsehmonitoring ohne Aufzeichnung nicht hinreichend effizient.

Nach Auffassung des Arbeitsgerichtes Bocholt ist die Maßnahme auch verhältnismäßig. Zwar ist für die Mitarbeiter mit der Überwachung des Verkaufsraums ein ungleich höherer Druck verbunden, als für betriebsfremde Dritte (Kunden), die sich dort nur kurz aufhalten. Gleichwohl überwiegt das Interesse des Arbeitgebers, sich durch eine Videoüberwachung gegen Straftaten Dritter zu wehren, das Persönlichkeitsrecht der hiervon betroffenen Mitarbeiter, wenn anzunehmen ist, dass sich einschlägige Delikte mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ereignen werden. Dies ist bei geschäftstypischen Straftaten, wie z.B. Ladendiebstählen in Einzelhandelsgeschäften, Überfällen in einer Bankfiliale oder Trickbetrügereien bei Kassiervorgängen regelmäßig der Fall.

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat im Berufungsverfahren die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bocholt bestätigt. Das Arbeitsgericht habe zu Recht darauf abgehoben, dass die Klägerin nicht in ihrem privaten Umfeld, sondern in der beruflichen Sphäre durch die Überwachung der Verkaufsräumlichkeiten beeinträchtigt worden ist. Die Überwachung sei auch angekündigt und ordnungsgemäß gekennzeichnet worden. Schließlich fehle es am Verschulden. Die Bäckerei habe sich von einer Spezialfirma beraten lassen. Sie habe die Videoaufzeichnungen angekündigt und auch die Klägerin schriftlich informiert. Die Klägerin habe während der Überwachung nicht darauf hingewiesen, dass sie sich in ihrem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt fühlt. Daher würde sie ohnehin ein erhebliches Mitverschulden treffen.

*) Urteil des ArbG Bocholt vom 08.03.2012, Az.: 4 Ca 2206/11; bestätigt durch die Berufungsentscheidung des LAG Hamm vom 25.09.2012, Az. 12 Sa 641/12