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Durchgehende Sicherheitskonzepte für öffentliche Verkehrssysteme

30.08.2013 - „Mind the gap" - so lautet das ­berühmte Londoner Äquivalent zu unserem Bahnhofsdurchsagen-­Klassiker „Vorsicht an der Bahn­steigkante". Die dahinter stehende Erinnerung daran, die...

„Mind the gap" - so lautet das ­berühmte Londoner Äquivalent zu unserem Bahnhofsdurchsagen-­Klassiker „Vorsicht an der Bahn­steigkante". Die dahinter stehende Erinnerung daran, die nötigen ­Sicherheitsvorkehrungen stets zu ­beachten, ist freilich für Underground und Hauptbahnhof gleichermaßen sinnvoll. Die Relevanz wird klar, wenn man sich vor Augen führt, dass 10 % des europäischen Inlandsverkehrs mit Bussen, und weitere 7,5 % mit Zügen, S-Bahnen, etc. ­abgewickelt werden - der Rest ­entfällt auf das Auto. Der nach­folgende Übersichtsbeitrag wirft e­inen Blick auf die zu Verfügung ­stehenden Sicherheitssysteme.

Ob Luftweg, Seeweg oder über Land - sämtliche Formen des Reisens mit öffentlichen Verkehrsmittel haben strukturell einige wesentlichen Gemeinsamkeiten. Man geht an einem speziellen Ort an Bord, dort bekommt man meist einen Sitzplatz, auf dem man während der Fahrt auch bleibt. Und schließlich kommt man bei einer Art Terminal ans Ziel. Unterwegs kommt es durchaus nicht selten zu Auseinandersetzungen - auch Diebstähle, Gewalt und Vandalismus kommen vor. Schlimmstenfalls gibt es terroristische Angriffe. In jedem Fall ist es wichtig, dass die Verantwortlichen in der Lage sind, die Lage schnell zu erfassen und angemessene Maßnahmen zu ergreifen.

Einfache Patentlösungen für die Sicherheit von Passagieren gibt es nicht. Wie bei jedem Sicherheitssystem ist es die Summe vieler Einzelaspekte, die für das Maß an Gesamtsicherheit entscheidend ist und die Möglichkeiten für Delikte möglichst auf ein Minimum reduziert.

Gegen dunkle Ecken
Eine Mischung aus passiven und aktiven technischen Aspekten ergänzt sich, wenn es um die Vorbeugung gegen Zwischenfälle geht. Der kalifornische Stadtplaner und Befürworter eines funktionierenden öffentlichen Nahverkehrs, Christopher MacKechnie, sieht eine gute Beleuchtung ganz oben auf der Liste von passiven Sicherheitsmaßnahmen: „Während die meisten neu gebauten Bahnhöfe eine sehr gute Beleuchtung haben, ist das bei älteren häufig nicht der Fall. Gerade auch Bushaltestellen sind oft nur schwach beleuchtete, nachts alles andere als einladende Orte. Soweit der Anschluss an das Stromnetz nicht möglich ist, haben die Verkehrsbetriebe eine Vielzahl von Möglichkeiten, Solartechnik in Durchgängen oder an den Haltestellen selbst einzusetzen". Dunkle, düstere Ecken sind nämlich der ideale Zufluchtsort für flüchtige Diebe, etc.

Hell erleuchtete Wartehallen oder Bushaltestellen bieten nicht nur keine Versteckmöglichkeiten - sie haben auch den positiven Nebeneffekt, die Wertschätzung seitens des Publikums zu erhöhen. Offene Haltestellen, die von allen Seiten einsehbar sind, schrecken Angreifer ab, die Reisenden fühlen sich außerdem wohler. Das gilt insbesondere für Frauen.

Leider verhalten sich viele Reisenden selbst in einer Weise, die einladend auf Kriminelle wirkt. Hier helfen Aufklärungsprogramme. Poster in den Fahrzeugen können zum Beispiel ganz einfache Maßnahmen zur Verbesserung der eigenen Sicherheit empfehlen. Sie sollten etwa darauf hinweisen, dass nur sichere und möglichst stark genutzte Wege genutzt werden sollten, dass möglichst gut beleuchtete Wege benutzt werden sollen, man möglichst nicht alleine reisen sollte und - für Diebe besonders attraktive - elektronische Geräte möglichst nicht verwendet werden sollen.

Sichtbare Kontrollen
Die Sicherheitsmaßnahmen sollten regelmäßig in Zusammenarbeit mit den zuständigen Polizeidienststellen überprüft werden. In welchem Maße Polizeikräfte bzw. private Sicherheitskräfte eingesetzt werden, ist von Land zu Land verschieden - es ist eine lokal zu regelnde Frage, die auch von Budgets und den zur Verfügung stehenden Ressourcen abhängt. Wesentlich ist aber die Sichtbarkeit von Kontrollen, denn sie vermittelt zumeist ein positives Sicherheitsgefühl.

Rachel Worsley, Autorin der für das British Department of Transport erstellten Studie „Rail Passenger Security Screening" hat herausgefunden, dass die meisten Reisenden trotz einiger Überfälle in den letzten Jahren immer noch den Eindruck haben, dass die von der Polizei vorgenommenen Durchsuchungen dazu dienen, der allgemeinen Verbreitung individuellen Waffenbesitzes zu begegnen - und weniger als Anti-Terror-Maßnahme. Auch der Einsatz von Hunden trägt zur Akzeptanz von Durchsuchungen bei. Dies ist deshalb günstig, weil Hunde sehr effektiv sind beim Erschnüffeln von Betäubungsmitteln und Sprengstoffen. Der Einsatz von Hunden ist zwar nur eine ergänzende Lösung aber er ist im Maßnahmen-Mix ein sichtbarer, abschreckend wirkender Faktor, der technische Mittel sehr gut ergänzt.

Kontrollen im Hintergrund
Das Scannen von Reisenden und ihrer Gepäckstücke nach gefährlichen Substanzen und anderem ist üblich im Flugverkehr und auch auf Kreuzfahrtschiffen - selten allerdings im Überlandverkehr. Die Entscheidung, solche Systeme auch hier zu nutzen, würde sicher zu einem Aufschrei der Entrüstung führen - sowohl bei Betreibern als auch bei Passagieren. Anders könnte dies sein, so lassen es die Ergebnisse von Umfragen vermuten, die man bei vielfrequentierten Bahnhöfen durchführte, wenn das System in die Bahnsteig-Eingangsbereiche oder direkt in die Waggon-Türen eingebaut wäre. Dies könnte eine Anregung für die Hersteller sein, die Scanner stärker zu miniaturisieren.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wer im Einzelnen gescannt werden soll: Jeder Reisende, eine Zufallsauswahl oder nur Personen, von denen ein erkennbares Risiko ausgeht? International operierende Fährenbetreiber, vor allem solche die auch Fahrzeuge transportieren, und nationale Bahnbetriebe verkaufen ihre Tickets vielfach vor dem Reisedatum. Wo dies rechtlich möglich ist, eröffnet das ein Fenster für einen Abgleich mit entsprechenden Dateien (wie US Apis in den USA) zur Kriminalitätsvorbeugung.

Bündelfunk
Sobald die Passagiere an Bord sind, spielen Funk- und Datenkommunikation sowie die Videoüberwachung eine aktive Rolle. Private Funknetzwerke sind in Verkehrswegen bereits stark verbreitet und entsprechen den jeweiligen Linzenzbedingungen, Leistungserfordernissen. Herkömmliche analoge System - obwohl robust - wurden weitgehend durch leistungsfähigere digitale Bündelfunksysteme ersetzt. Diese bieten verbesserte Übertragungsmöglichkeiten. TETRA (Terrestrial Trunked Radio) breitet sich rapide in mehr als 120 Ländern aus. Es hat den wesentlichen Vorteil, vollständig kompatibel zu sein mit den Funkstandards der Notfalldienste vieler Länder. Sein Einsatz sichert in Not- und Katastrophenfällen einen gleichmäßigen Wissensstand und einen schnellen Informationsfluss.

Topographische Hindernisse stehen dem Aufbau eines vollständig verlässlichen Funksystems nicht mehr im Wege. Die dynamische Frequenzzuteilung und Repeater-Architektur gut geplanter TETRA-System sorgen für störungsfreie Kanäle, die in bebauten Gebieten und sogar Tunnels ebenso funktioniert wie auf freiem Feld. Seit seiner Einführung in den frühen 90er Jahren haben sich große und kleine Hersteller von Hard- und Software etabliert - und eine Reihe von Entwicklern und Planern maßgeschneiderter Lösungen für besondere Bedarfe. Festinstallierte und mobile Sende- und Empfangsgeräte gibt es in allen Formen und Größen, sowie für unterschiedlichste Anwendungsgebiete - z. B. in besonders robusten und wasserdichten Varianten. Eine Anbieterliste findet sich am Ende dieses Beitrags.

Videotechnologie
Diskrete, aber proaktive Videoüberwachung dient nicht nur der Aufzeichnung, sondert hilft bereits im Vorfeld dabei, Probleme kommen zu sehen. Mobile Technologie ist heute kompakt und preisgünstig genug, dass man sie entlang der gesamten Strecke installieren kann. Axis bietet beispielsweise die Kameras M3113-R und 3114-R an, die sich in das Fahrzeuginnere nahtlos integrieren lassen. Bahnsteigkameras halten heute die krassesten Angriffe aus - selbst Steinwürfe lassen sie unbeeindruckt. Wettergeschützte und Vandalismus-resistente Gehäuse sowie Tag-Nacht-Funktionalität sind wesentlich. Ein Beispiel dafür ist die DDF-4010HDV-WM von Dallmeier. Diese IP-Netzwerkkamera bietet Full HD und eine Vielzahl von Features - einschließlich Zweiwege-Audio.

Die im Fahrzeug entstehenden Videobilder lassen sich unschwer zum Fahrer bzw. Lokführer, Kapitän oder Flugzeugpilot übertragen. Schwieriger war es - abhängig von Verkehrsmittel und Entfernung - lange Zeit, diese Bilder zu einer Leitstelle zu übertragen (Backhauling). Auch hier kommt neuere Technologie zur Hilfe: in Form von mobiler Breitband-Kommunikation in Zusammenwirken mit einer bestehenden oder neuen Netzwerk-Infrastruktur.
Für die direkte Übertragung von Echtzeit-Video über kurze Distanzen von ein paar Hundert Metern sind terrestrische Frequenzen im 2,4 Ghz- und 5 GHz-Band. Das ist sinnvoll bei städtischen Verkehrsmitteln wie Bus, S- und U-Bahn, etc., an Terminals oder bestimmten Hotspots in der Stadt. Geeignete Empfänger, die die benötigten Signale in ein entlang der Route installiertes Netzwerk einspeisen, sind inzwischen bezahlbar. Häufig wird außerdem auf private oder öffentlich Mobiltelefonnetze zurückgegriffen, um die Videobilder zu einer zentralen Einsatzzentrale zu übertragen. Es handelt sich um die

Gleiche Technologie, die bei der Fernseh-Nachrichtenübertragung verwendet wird: An Bord des Fahrzeugs werden die verschiedenen Video-Feeds der IP-Kameras in einen Datenstrom komprimiert, der über ein oder mehrere Mobilfunknetze übertragen wird.

Video on Demand
Der amerikanische Journalist Michale Fickes hat nach einer Analyse der in öffentlichen Transportmitteln eingesetzten Videolösungen richtig festgestellt, dass Netzwerke und Speicherkapazitäten schnell hoffnungslos überlastet wären, wenn sämtliche Daten kontinuierlich von den Fahrzeugen, Waggons, etc. übertragen würden. Deshalb braucht es einen Mix aus Optionen für aktiv eingreifende Fahrzeugführer und automatisch arbeitenden Algorithmen - z. B. für Gesichtserkennung oder die Überwachung definierter Felder. "Unbrauchbares" Material bleibt so außen vor und braucht nicht gesichtet zu werden - gleichzeitig erreicht man einen hohen Grad an Prävention.

Wo nur „near real-time"-Abdeckung benötigt wird, oder wo eine verlässliche Netzwerkabdeckung fehlt, kann man auf Zwischen-Speicher an Bord des Fahrzeugs zurückgreifen, die Bilder und Daten in dem Moment weiterleitet, in dem eine starke Funkverbindung besteht. Diese Daten werden meist auf einem Gerät mit konventioneller aber empfindlicher Festplatte gespeichert. Stabile Hochleistungsspeicher kommen inzwischen aber mehr und mehr in mobilen Geräten zum Einsatz - sie archivieren wichtiges Videomaterial sicher und robust. Für Philip McDouall, Leiter Transportation Product Marketing bei March Networks in Ottawa beispielsweise kommt es für die Akzeptanz dieser „Solid-state"-Speicher vor allem auf die Preisentwicklung an: „Wie bei jeder Technologie fallen auch hier die Preise - und wir glauben, dass sie innerhalb einiger weniger Jahre bezahlbar sein werden".

Es gibt bereits innovative Lösungen zur Übertragung von Video-Live-Bildern aus Fahrzeugen direkt zu Polizeifahrzeugen, die sich gerade in der Nähe befinden. Michael Dillon, Vice President Business Development von Firetide in Kalifornien: „Wenn das Polizeifahrzeug in Reichweite kommt, etabliert die Drahtlos-Technologie an Bord des Busses ein Netzwerk mit derjenigen im Polizeiauto. Die Polizisten haben jetzt Zugriff auf die Kameras im Bus und sehen was passiert". Auch in Massachusetts ist so ein System im Einsatz: Sie bekommen so einen viel besseren Eindruck von einer potentiell gefährlichen Situation.

Stiller Alarm und Panik-Alarm-Knöpfe werden häufig in Einbruchmeldeanlagen für Privathaushalte und auch im gewerblichen Bereich eingebaut. Sie haben nämlich den angenehmen Vorteil, Diebe auf frischer Tat zu ertappen. Es kann vorteilhaft sein, den Eindringling nicht zu warnen, wenn er so besser geschnappt werden kann: Sicherheitskräfte kommen unbemerkt näher an ihn heran.

Sicherheit auf Schiffen
Marine Sicherheit ist mit derartiger Technik natürlich erheblich einfacher zu realisieren, denn ein Schiff hat rund um die Uhr eine ungehinderte Satellitenverbindung. Viele Dienstleister bieten heute entsprechende Sicherheitslösungen an.

Die beängstigende Zunahme von Piraterie, Entführungen mit Lösegeldforderungen und Erpressungsfälle an der ostafrikanischen Küste lenkt den Blick auf High-tech-Lösungen, die - auch wenn sie selbst nicht unbedingt ganz billig sind - den Schiffseigentümern vor Schäden schützen: Vertragsstrafen, Versicherungsprämien oder schlimmstenfalls dem Kauf eines neuen Schiffs. Ein Äquivalent der aus Taxis bekannten Totmann-Einrichtung kann signalisieren, dass an Bord alles klar ist. Das Ausbleiben von Meldungen, in Kombination mit Auffälligkeiten beim GPS-Tracking können gute Gründe für die Vermutung liefern, dass eins der 800 großen Fähren in und um Europa möglicherweise in den Händen nicht autorisierter Personen geraten ist. So lassen sich Maßnahmen einleiten, lange bevor die Entführer es erwarten.

Die Sicherheit des Sicherheitssystems
Abschließend ein Wort zur Sicherheit des Systems selbst. Sobald zwei oder mehrere Geräte miteinander verbunden sind, sind die Eingänge mögliche Angriffspunkt für potentiellen Missbrauch. Es wäre gefährlich, zwar alles daran zu setzen, die Sicherheit der Passagiere zu gefährden - aber die eigene außer acht zu lassen. In Zeiten der IP-ÜBertragung sollten nicht verwendete Ports bei jedem Gerät deaktiviert werden. Firewall müssen die zentralen Bereiche schützen, Passwörter sollten achtstellig sein oder länger - und sie sollten anders lauten, als die vom Hersteller eingegebenen, die man im Handbuch nachlesen kann. Alle Funkverbindungen und auch festen Verbindungen sollten verschlüsselt sein.

Nicht nur der notorisch bekannte Hacker muss davon abgehalten werden, Zugriff zum Überwachungssystem zu erlangen. Terroristische Gruppen haben keine Skrupel, sämtliche Schwachstellen eines Sicherheitssystems vollständig auszunutzen und dieses auszuschalten. Die Sicherheit des Systems fängt im Büro des Sicherheitsverantwortlichen an.