Safety

Digital Natives und die älter werdende Belegschaft

15.10.2018 - Der demografische Wandel innerhalb der weltweiten Arbeitnehmerschaft stellt die Sicherheitsindustrie vor beispiellose Herausforderungen. Diese reichen von den digitalen Bedürfnisse...

Der demografische Wandel innerhalb der weltweiten Arbeitnehmerschaft stellt die Sicherheits­industrie vor beispiellose Herausforderungen. Diese reichen von den digitalen Bedürfnissen der Jahrtausendgeneration bis hin zu den Gesundheitsbelangen einer zunehmenden Zahl älterer Arbeitnehmer. Wie vernetzte Sicherheitstechnologien dazu beitragen können, die Kluft zwischen den Generationen der Arbeitnehmer zu überbrücken und die Sicherheit für alle zu verbessern, erläutert Cleo Cabuz, Vice President of Engineering und Chief Technology Officer von Honeywell Industrial Safety.

Die Unterschiede der Generationen am Arbeitsplatz zu überwinden, kann eine Herausforderung darstellen. Während die sogenannte Generation der Digital Natives (auch Generation Y oder Millennials genannt) – also die zwischen 1980 und 2000 Geborenen – in der Regel nie in einer Welt ohne Technologie gelebt haben, sind ihre älteren Kollegen meist eher mit traditionellen Arbeitsweisen verbunden. Die Herausforderung für die Industrie besteht darin, Sicherheitstechnologien zu entwickeln, durch die Arbeitnehmer aller Altersgruppen sicherer und produktiver sind, die aber zugleich ihren unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden.

Anfälliger: Digital Natives
Bei den Digital Natives sind spezifische Gesundheits- und Sicherheitsherausforderungen zu berücksichtigen. Junge Arbeitnehmer sind überrepräsentiert bei Zeitarbeit und prekären Arbeitsstellen, bei denen sie häufig nicht angemessen beaufsichtigt und geschult werden. Sie sind zudem eher in risikoreicheren Sektoren wie dem Baugewerbe tätig und erfüllen körperlich anspruchsvollere Aufgaben als ältere Arbeitnehmer. Infolgedessen sind junge Arbeitnehmer bis zu 50 Prozent häufiger Opfer von Arbeitsunfällen als ältere Arbeitnehmer und sie sind zudem im späteren Leben anfälliger für das Auftreten von Berufskrankheiten.

Die Generation der Digital Natives hat auch konkrete Erwartungen und Bedürfnisse, die sie vom Rest der Arbeitnehmerschaft unterscheiden. Wie eine aktuelle PwC-Umfrage zeigt, „ist eines der definierten Merkmale der Digital Natives ihre Affinität zur digitalen Welt. Sie sind mit Breitbandinternet, Smartphones, Laptops und sozialen Medien aufgewachsen und erwarten sofortigen Zugang zu Informationen.“ Drei von vier Mitgliedern dieser Generation sind überzeugt, dass der Zugang zu Technologie sie bei der Arbeit effektiver macht, und 41 Prozent ziehen es vor, bei der Arbeit elektronisch und nicht persönlich oder über das Telefon zu kommunizieren

Intelligente PSA
Die Sicherheitsindustrie begegnet diesen vielfältigen Herausforderungen, indem sie intelligentere und besser vernetzte persönliche Schutzausrüstungen (PSA) entwickelt, die den Mitarbeitern das gleiche Maß an Interaktivität und Benutzerfreundlichkeit bieten wie die Technologie, die sie zu Hause verwenden. Was früher ein rein mechanisches Gerät war – vom Schutzhelm über Schutzhandschuhe bis hin zu Fallschutzgeschirren und Gaswarngeräten – kann nun zu einem Bestandteil des Internet der Dinge (IoT) werden, so dass die Arbeitnehmer sicherer und produktiver sind.

RFID- und Bluetooth-fähige PSA und Gaswarngeräte verbinden sich heute mit Smartphones und werden zu intelligenten Edge-Geräten, die Daten sammeln und übertragen können. So können sie dazu beitragen, den Mangel an Ausbildung und Erfahrung jüngerer Arbeitnehmer zu überwinden, und ermöglichen ihnen den Einsatz der Technologien, mit denen sie am meisten vertraut sind. Mitarbeiter können beispielsweise ihre Ausrüstung mit einem Smartphone abfragen und sie erhalten sofort eine abrufbare Schulung zur Verwendung dieser Ausrüstungen, in der Lernvideos, Checklisten oder Anweisungen in einer intuitiven App-Umgebung zur Verfügung stehen.

Vielleicht noch wichtiger ist aber, dass viele manuelle Aktivitäten für die Sicherheitskonformität durch die Transformation von Sicherheitshardware in eine intelligente Ausrüstung automatisiert werden, so dass Sicherheit wie auch Produktivität steigen. Zum Beispiel können Tore, die mit RFID- oder Bluetooth-Identifizierung ausgestattet sind, sofort erkennen, ob Mitarbeiter für den Zugang zu einem Gefahrenbereich geschult sind und die richtige Ausrüstung tragen, um eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Wenn nicht, werden sie auf dem Smartphone gewarnt.

Höhere Akzeptanz
Die Erfahrung von Honeywell mit Kunden zeigt, dass dieser vernetzte Sicherheitsansatz dazu beitragen kann, dass die Mitarbeiter der jüngeren Generationen PSA und andere Sicherheitsausrüstungen bereitwilliger annehmen und korrekt verwenden – und so zur Bekämpfung von Arbeitsunfällen beitragen. Außerdem besteht die klare Chance, die Gesundheit der jüngeren Generation langfristig zu schützen.

Betrachten wir einmal Branchen wie Öl und Gas oder Halbleiter. Während das Hauptaugenmerk in der Vergangenheit auf große, potentiell tödliche Gaslecks gelegt wurde, hat das zunehmende Bewusstsein der Öffentlichkeit für arbeitsbedingte Lungenerkrankungen die Aufmerksamkeit auch auf geringere Belastungen gelenkt. Schon geringe Gaskonzentrationen beispielsweise von Kohlendioxid können, obwohl sie keine unmittelbaren Symptome hervorrufen, im Laufe der Zeit zu ernsthaften Atemwegserkrankungen und sogar zu Krebs führen.

Bluetooth-fähige tragbare Gaswarngeräte in Verbindung mit Software und Cloud-Technologie ermöglichen es Sicherheitsfachkraft, Daten über die Belastung einzelner Arbeitnehmer durch toxische Gase in Echtzeit und im Zeitverlauf zu empfangen und zu analysieren. Mit anderen Worten, es ist möglich, die Gesundheit der Arbeitnehmer von Anfang an zu kontrollieren und proaktive Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, um Berufskrankheiten später im Leben zu verhindern.

Argumente für die Älteren
Durch die zunehmend digitale Welt der Sicherheit am Arbeitsplatz kann es passieren, dass sich ältere Arbeitnehmer, die sich mit Technologie meist weniger wohlfühlen, von ihren jüngeren Kollegen allein gelassen fühlen, die sich wiederum „durch starre oder veraltete Arbeitsweisen“ ausgebremst fühlen. Die vernetzte Technologie kann dazu beitragen, diese Differenzen zu überbrücken.

Wie ihre jüngeren Kollegen haben auch ältere Arbeitnehmer bestimmte Gesundheits- und Sicherheitsbesorgnisse, die berücksichtigt werden müssen. Zunächst einmal lassen gewisse funktionelle Fähigkeiten als Folge des natürlichen Alterungsprozesses nach, vor allem körperliche und sensorische. Ältere Arbeitnehmer sind auch häufiger von chronischen Gesundheitsproblemen betroffen. Die Fähigkeit, sich von einer Krankheit oder Verletzung zu erholen, nimmt mit zunehmendem Alter deutlich ab, so dass die Zahl der krankheitsbedingten Fehltage bei Arbeitnehmern über 49 Jahren stark zunimmt.

Die modernen vernetzten Sicherheitsausrüstungen können dazu beitragen, einige dieser Herausforderungen zu bewältigen. Das aber wird sich als völlig wirkungslos erweisen, wenn sich nicht auch die älteren Arbeitnehmer dafür engagieren, von denen viele aber noch vor der digitalen Revolution aufgewachsen sind. Es ist von grundlegender Bedeutung, dass Arbeitgeber sie auf ihrem Lernweg zur vernetzten Sicherheit unterstützen, damit sie genau verstehen, wie sie in ihrem Arbeitsalltag von den neuen Technologien profitieren können.

Um vernetzte Sicherheitsausrüstung zu akzeptieren, müssen ältere Arbeitnehmer vollständig verstehen, wie diese Technologie zu ihrer Sicherheit und Gesundheit beitragen kann. Obwohl jüngere Arbeitnehmer in der Regel anfälliger für Verletzungen am Arbeitsplatz sind, treten beruflich bedingte Todesfälle häufiger bei älteren Arbeitnehmern auf, wobei die Zahl der tödlichen Unfälle zwischen 55 und 64 Jahren fast doppelt so hoch ist wie bei jüngeren Arbeitnehmern. Viele dieser Todesfälle sind möglicherweise auf das Fehlen geeigneter Präventiv- und wirksamer Rettungsmaßnahmen zurückzuführen. An dieser Stelle treten dann vernetzte datengetriebene Sicherheitsausrüstungen auf den Plan.

Zugriff auf kritische Daten
Mit den neuesten tragbaren Gaswarngeräten in Kombination mit Software und Cloud-Technologie können Sicherheitsfachkräfte unmittelbar auf die auf einem Smartphone, Tablet oder PC gespeicherten kritischen Daten zu beispielsweise Messwerten für toxische Gase, Totmann-Alarm und den Standort von Arbeitern zugreifen, denn diese Informationen werden vom tragbaren Gerät automatisch drahtlos übertragen. PSA, die über tragbare biometrische Überwachungsgeräte verfügt, kann zudem persönliche Vitalstatistiken mit Informationen zu Herzfrequenz, Körpertemperatur und Atemfrequenz messen und vor biomedizinischen Gefahren wie abnormaler Körpertemperatur und gefährlichem Blutdruck warnen. Diese Parameter können frühe Anzeichen einer drohenden Gefahr sein. Ausgestattet mit intelligenten Gesundheits- und Sicherheitsdaten können die Sicherheitsfachkräfte Mitarbeiter, die in einem zugangsbeschränkten Bereich arbeiten, sofort warnen, damit sie sich aus einer gefährlichen Situation zurückziehen, oder sie können sofortige Rettungsmaßnahmen veranlassen, wenn ein Totmann-Alarm eingeht.

Älteren Arbeitnehmern zur Erkenntnis zu verhelfen, dass die von ihnen getragenen PSA oder Gaswarngeräte tatsächlich ihr Leben retten können, ist ein starkes Argument für die Einführung von Technologien für vernetzte Arbeitnehmer. Es gibt jedoch noch einen weiteren wichtigen Grund, weshalb die alternde Belegschaft die neue Technologie übernehmen sollte: nämlich die Fähigkeit, ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden im Laufe der Zeit zu kontrollieren und zu schützen.

Zum Beispiel kann die Integration miniaturisierter Bewegungssensoren und tragbarer Funksendern in PSA dazu beitragen, eine der häufigsten arbeitsbedingten Erkrankungen zu behandeln: Muskel-Skelett-Erkrankungen. Intelligente Geschirre und Sicherheitsschuhe ermöglichen es den Sicherheitsfachkräften, die Körperhaltung eines Arbeitnehmers laufend einzusehen und Muskel-Skelett-Erkrankungen proaktiv zu bekämpfen.

Um die Akzeptanz vernetzter Sicherheitstechnologien in der älteren Generation zu fördern, ist es außerdem wichtig, Schnittstellen zu entwickeln, die so einfach und intuitiv wie nur möglich sind und benutzerfreundliche App-Umgebungen mit Touchscreen bieten. Die Spracherkennungstechnologie führt diesen Trend nun noch weiter, so dass selbst das Berühren überflüssig wird. So werden die Bildschirmgeräte zu reinen Visualisierungswerkzeugen, die keine manuelle Eingabe mehr erfordern.

Vielleicht noch wichtiger ist jedoch, dass die Automatisierung der Datenerfassung und -übertragung dazu führt, dass Daten wie zum Beispiel Gasmesswerte automatisch erfasst und vom Gerät übertragen werden, so dass eine manuelle Datenerfassung und -eingabe überflüssig wird. Diese Technologien vereinfachen nicht nur ganz eindeutig den Einsatz der Geräte selbst, sondern sie entlasten die älteren Mitarbeiter von zeitaufwendigen Aufgaben, so dass sie sich auf ihre Aufgaben konzentrieren können. Das sollte sich positiv auf den Betriebsverlauf und die Produktivität auswirken.

Die Sicherheitsindustrie steht an einem Wendepunkt. Sicherheitsausrüstungen, die bisher nur allzu oft als ein notwendiges Übel betrachtet wurden, werden allmählich mehr und mehr als Wegbereiter für Sicherheit, Gesundheit und Produktivität wahrgenommen, der unabhängig von der Generation für alle Arbeitnehmer von Bedeutung ist. Durch den Einsatz nachgerüsteter drahtloser Datenübertragungstechnologie, wie Near Field Communication (NFC), können alle Ausrüstungen – von der Schutzbrille bis zum Helm – vernetzt werden. Zugleich schaffen weitere Innovationen bei tragbaren Sensoren die Möglichkeit, jeden Parameter einzusehen, der die Gesundheit der Arbeitnehmer beeinträchtigen kann: von der Feuchtigkeit bis zur Strahlung. Letztendlich bewegt sich die Sicherheitsindustrie, um das Risiko am Arbeitsplatz zu verringern, von einem richtlinienbasierten Ansatz hin zu einem informationsgesteuerten Ansatz. Das wird unabhängig vom Alter zu einer sichereren und gesünderen Belegschaft führen.