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Smart-Home-Initiative Deutschland: Ein Gespräch mit Günther Ohland

09.03.2018 - GIT SICHERHEIT: Herr Ohland, gewähren Sie uns doch zunächst mal einen neugierigen Blick in Ihre eigenen Privaträume wie smart ist Ihr eigenes Haus und warum ist Ihnen das wichtig...

GIT SICHERHEIT: Herr Ohland, gewähren Sie uns doch zunächst mal einen neugierigen Blick in Ihre eigenen Privaträume – wie smart ist Ihr eigenes Haus – und warum ist Ihnen das wichtig?

Günther Ohland: Ich wohne tatsächlich selbst in einem Smart Home. Das damals noch nicht smarte Haus habe ich vor zehn Jahren gekauft und nachträglich Schritt für Schritt smart gemacht – und zwar zusammen und in Abstimmung mit meiner Familie. Das ist meiner Ansicht nach wirklich wichtig, denn schließlich lebt man gemeinsam im Haus. Uns war es auch wichtig, die wesentlichen Entscheidungen für Funktionen von Anfang an zu treffen – um ein ständiges Herumbasteln am Haus zu vermeiden.

Wie sind Sie da vorgegangen?

Günther Ohland: Es fing alles an mit der Beschattung, denn wir haben große Fenster Richtung Süden, die das Haus trotz guter Fenster im Sommer sehr stark aufheizen. Wir haben also Rollos installiert – mit zeitlichen Fahrplänen nach denen sie hoch und runter fahren. So können potentielle Einbrecher nicht ins Haus reingucken – und wenn wir weg sind, simulieren die Rollläden unsere Anwesenheit. Wir haben recht lange an diesen Rollofahrplänen gearbeitet, um das Optimum für uns herauszufinden – das betraf die Zeiten, aber auch die Jahreszeiten, Sonnenauf- und Untergang und Wochentage. Außerdem haben wir differenziert nach Küchen-, Wohnzimmer- oder Bürofenstern. Im nächsten Schritt ging es uns darum, immer zu wissen, ob die Fenster auf, zu oder auf Kipp sind – dafür gibt es Funkfenstergriffe, und sogar Systeme, die Fenster schließen, sobald niemand mehr im Haus ist. Gleichzeitig kann dann die Heizung heruntergefahren werden.

...was nicht nur die Sicherheit, sondern auch die Energiebilanz verbessern dürfte...

Günther Ohland: Die Energiesparfunktion ist ein wesentlicher Vorzug eines Smarten Hauses. Als nächstes haben wir uns der Lichtsteuerung angenommen. Das haben wir teils mit Bewegungsmeldern kombiniert, so dass bei zum Bespiel beim Betreten des Kellers automatisch das Licht angeht. Diese Bewegungsmelder reagieren natürlich auch im Falle eines Einbruchs – und schicken dann entsprechende Alarmierungs-E-Mails bzw. Pushmeldungen. Die Heizungssteuerung ist das nächste Projekt  – nach dem Grundsatz, dass nur bei Bedarf geheizt wird – und nicht, wie meist der Fall, abhängig von der Außentemperaturmessung.   

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Wie sieht es mit Kameras aus?

Günther Ohland: Videokameras haben wir innen und außen. Wenn wir in der Wohnung sind, bleiben sie natürlich grundsätzlich ausgeschaltet. Im Einbruchsfall dienen ihre Aufnahmen insgesamt der Verifizierung dieses Vorfalls.  

Lassen Sie uns den Begriff „smart“ etwas genauer unter die Lupe nehmen. Er hat sich ja in den letzten Jahren durchgesetzt – was gehört genau zu einem Produkt oder System, damit man es als smart bezeichnen kann?

Günther Ohland: Zunächst einmal: Die Begriffe „smart“ und „connected“ werden zumindest von ihrer inhaltlichen Bedeutung her oft durcheinandergeworfen. Connected bedeutet einfach, dass alles vernetzt ist – ich kann deshalb zum Beispiel alles vom Sofa aus per Tablet steuern. Aber das allein ist eben noch nicht smart. Wenn ich im Zimmer stehe, um erst mal das Smartphone suchen muss, um das Licht anzumachen, ist das eben nicht besonders smart... Wirklich smart wird es dann, wenn ich dem Haus etwa wie einem Butler einmal sage, wie ich alles gerne hätte – und der mir dann die Routinearbeiten abnimmt. Das smarte Haus arbeitet also wie ein im Hintergrund mitdenkender und tätiger Butler, die Regeln ab, die ich selber aufgestellt habe. Wie der Butler weiß, dass erst die Milch und dann der Tee in die Tasse soll, weiß mein Smart Home eben, dass ich werktags gerne eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang die Rollläden oben habe. Weil ich oft mit zwei vollen Händen den Vorratsraum betrete, macht es dort das Licht von sich aus an. Ans Tablett gehe ich dann nur noch, wenn ich von den üblichen Regeln ausnahmsweise abweichen oder diese ändern möchte.

Das heißt, man macht sich einmal richtig Arbeit – und kann dann um so besser relaxen?

Günther Ohland: Echte Arbeit ist das ja nicht. Es macht ja auch Spaß, sich mit der Familie hinzusetzen und herauszukriegen, wer welche Bedürfnisse hat, und welche Regeln man dafür installieren kann. Beispielsweise kann man sich fragen, was alles zu einem Szenario „Abendessen“ gehört. Soll das Licht gedimmt sein, der Fernseher aus oder nur leise gestellt, darf die Türklingel oder das Telefon noch klingeln? Und ein Szenario „Fernsehabend“ kann wiederum ganz anders aussehen.   

Ihre Initiative ist ja für Hersteller, Dienstleister und Handwerksunternehmen mit  Smart-Home-Spezialisierung gegründet worden. Wie schnell stößt denn der private Bastler und Heimwerker an seine Grenzen, wenn er sein Heim selbst smart machen will? Wie kann er vom Fachmann profitieren?  

Günther Ohland: Am meisten kann man vom Fachmann profitieren, wenn es um einen Neubau geht, bei dem alles von vornherein geplant und auch verkabelt werden kann. Wichtig ist vor allem auch der Elektrohandwerker, wenn es zum Beispiel um den Einbau von elektrifizierten Rollläden geht – hier kann man als Bastler einiges gefährlich falsch machen. Das Gleiche gilt beim Einbau von Heizungen. Auch beim Installieren von Sicherheits-Videokameras kann die Beratung durch einen erfahrenen Fachmann sehr viel bringen – dann vermeidet man zum Beispiel Dinge, die erst hinterher auffallen: Dass man nur die Basecap des Eindringlings von oben sieht zum Beispiel – oder, dass sich die Kamera einfach wegbiegen lässt. Bei 99 Prozent der Smart-Home-Projekte geht es übrigens nicht um Neubau, sondern um Bestand – wenn die Industrie hier nichts anbieten würde, hätte sie einen schlechten Job gemacht. Um Kabel und Dreck zu vermeiden, hat sie sehr gute Funksysteme entwickelt – und die sind meist heimwerkerfähig.

...und eine Belastung durch die Funksysteme ist wohl zu vernachlässigen.

Günther Ohland: Die Funkbelastung ist extrem gering – das ist gar kein Vergleich mit Handy oder Schnurlostelefonie, die ja auch allgegenwärtig sind. Die Sendeleistung von Funksystemen egal welchen Standards, ist gering und tritt überhaupt nur dann auf, wenn der Knopf gedrückt wird. Das ist übrigens auch durch das Ecolog-Institut für sozial-ökologische Forschung und Bildung gemessen und nachgewiesen worden.  

Für viele Nutzer stellt sich ja immer noch die Frage, ob man sich angreifbar macht durch Smart-Home-Anwendungen – ob man etwa Einbrechern mit Hackerkenntnissen unter Umständen Tür und Tor öffnet. Wie viel ernste Gefahr steckt eigentlich hinter dieser Befürchtung?

Günther Ohland: Kurz und knapp gesagt: Die Gefahr ist praktisch nicht vorhanden. Die Berichterstattung gerade im Fernsehen hat bei uns als Experten hauptsächlich Kopfschütteln ausgelöst. Dass Hacker zum Beispiel per Mausklick in die Privatwohnung gucken, oder diese gar öffnen können, ist so gut wie ausgeschlossen. Wir sind diesen Berichten zusammen mit dem Bundesverband Sicherheitstechnik (BHE) detailliert nachgegangen. Und herausgekommen ist dabei, dass man schon alles geradezu absichtlich falsch konfigurieren muss, um solche Gefahren heraufzubeschwören. Die Einbruchsexperten der Polizei sehen das im Übrigen genauso: Der Einbrecher ist kein Hacker – wenn er das wäre, bekäme er mit Leichtigkeit einen ganz anderen, gut bezahlten Job. Solche Vorstellungen sind rein theoretisch und haben mit dem wirklichen Leben nichts zu tun. Einbrecher spionieren auch nicht umständlich Wohnungen aus, indem sie die Videoanlage des Smart-Home-Systems knacken – sie klingeln einfach und behaupten im Zweifel, sei seien von den Zeugen Jehovas.

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Ein verantwortlicher Umgang mit der Technik ist aber im eigenen Interesse natürlich immer anzuraten...

Günther Ohland: Der Nutzer muss sich immer fragen, was er will und was nicht. Auch vom Fernseher wird man heute nach Daten gefragt, man ist ans Internet angebunden, gibt Daten preis an eine Cloud. Wer das nicht will, muss dem nicht zustimmen. Auch Smart-Home-Lösungen können Daten sammeln über meine Lebensgewohnheiten. Wenn ich das nicht will, kaufe ich solche Produkte nicht. Bei einem Produkt made in Germany trifft man auf dergleichen übrigens in aller Regel nicht. Bei Google Nest oder vielen chinesischen Produkten gehört das aber dazu. Sie sind deshalb oft etwas billiger – aber man gibt dadurch eben seine Daten preis: Wie stark heize ich? Wie viel Strom verbrauche ich zu welchen Zeiten? Mit solchen Daten verdienen diese Unternehmen Geld.  

Wie das?

Günther Ohland: Durch Werbung zum Beispiel. Registrieren die Sensoren etwa, dass Sie drei mal in der Nacht zur Toilette gehen, kriegen Sie vielleicht Reklame für bestimmte Medikamente ins Haus. Wenn Sie das nicht wollen, sind Sie auf solche Produkte ja nicht angewiesen, egal wie angesagt sie gerade auch sein mögen.

Ihr Verband leistet ja auch Aufklärungsarbeit in dieser Richtung?

Günther Ohland: Wir haben uns zum Beispiel erfolgreich dafür eingesetzt, dass Router von den Herstellern schon ab Werk sicher ausgeliefert werden, so dass nicht erst der Kunde sie sicher machen muss. Denn sichere Router sind eine Grundvoraussetzung für Smart-Home-Anwendungen die ans Internet angeschlossen sind. Das haben wir unter anderem auch in der „Bad Sodener Sicherheitserklärung“ herausgestellt.

Der Smart-Home-Security-Bereich ist jung und entwickelt sich immer weiter. Wo sehen derzeit und in nächster Zukunft neue technische Trends?    

Günther Ohland: Es gibt einen ganz klaren Trend – und zwar den der Sprachsteuerung. Das funktioniert etwa mit Alexa, Google Assistent – und mit entsprechenden Produkten von Apple und Microsoft. Das kann durchaus praktisch sein. Allerdings gilt auch hier das eben Gesagte: Damit die Geräte funktionieren, müssen sie die ganze Zeit zuhören. Auf den ersten Blick erinnert das wieder an den Butler, der eben auch alles hört was im Haus gesprochen wird. Der Unterschied ist nur der, dass ein Butler ein gewisses Vertrauen genießt und er zum Stillschweigen verpflichtet ist. Was diese Produkte mit dem Gehörten machen, wissen wir nicht. An dieser Stelle muss der gesunde Menschenverstand einsetzen und jeder muss sich fragen, ob er das Risiko eingehen will oder nicht. Man sollte nur einfach eine bewusste Entscheidung treffen.

Wie sehen Sie das Thema der verschiedenen Funkstandards und deren Inkompatibilität untereinander?

Günther Ohland: Das sehe ich offen gestanden eher unproblematisch. Es gibt zum einen viele umfassend ausgebaute Systeme. Die genannten Sprachsteuerungssysteme sind ohnehin unabhängig davon. Vor allem aber ist das Problem in der Praxis meist gar nicht relevant. Wenn ich Opel fahre, möchte ich ja auch nicht beim Fordhändler Ersatzteile ordern – das ist eher weltfremd. Zusatzmodule bekomme ich beim Händler meines Vertrauens von dem Smart-Home-System, das ich verwende.

Die Smart-Home-Initiative Deutschland  
2008 wurde sie die Smart-Home-Initiative Deutschland in Berlin gegründet – von Günther Ohland, Michael Sandrock und Alexander Schaper. Sie versteht sich als gewerkeübergreifende und interdisziplinäre Kommunikationsplattform, die dem aktiven Erfahrungsaustausch zwischen den regionalen Smart-Home-Organisationen und Anbietern aus Forschung, Entwicklung, Industrie, Handel und Handwerk dient. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, einen starken und international wettbewerbsfähigen Smart-Home-Markt zu fördern und die Bereiche zu bedienen, die die vorhandenen Branchenverbände auf Grund ihrer Strukturen und Branchenfokussierung nicht bedienen können. Die Mitglieder der Initiative kommen aus allen Bereichen der smarten Gebäudetechnik: Elektro- und Informationstechnik, Elektronik, Telekommunikation, Unterhaltungselektronik (CE), Medizintechnik, Industrie, Handel, Handwerk, Architektur, Forschung und Lehre.

Kontakt

Smart Home Initiative Deutschland e.V.


Rathausstraße 48
12105 Berlin

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