Security

PKS 2016: Herausforderungen für die Sicherheitswirtschaft

26.04.2017 - Trotz ihrer begrenzten Aussagekraft schon weil sie das unbestimmt große Dunkelfeld nicht angezeigter Delikte nicht umfassen kann, einige Kriminalitätsbereiche (Staatsschutzkrimina...

Trotz ihrer begrenzten Aussagekraft – schon weil sie das unbestimmt große Dunkelfeld nicht angezeigter Delikte nicht umfassen kann, einige Kriminalitätsbereiche (Staatsschutzkriminalität, Verkehrskriminalität, Finanz- und Steuerdelikte, unmittelbar bei der Staatsanwaltschaft bearbeitete Straftaten) ebenso wie den späteren justiziellen Ausfilterungsprozess nicht berücksichtigt -, ist die PKS ein wichtiger Gradmesser für die Sicherheit, vor allem durch Jahresvergleiche in Zeitreihen. Einige Zahlen sind auch für die Sicherheitswirtschaft hochinteressant, weil sie die Auswirkung des Einsatzes von Sicherheitstechnik und Sicherheitsdienstleistungen auf die Entwicklung bestimmter Kriminalitätsarten zeigen und Hinweise für neue Herausforderungen und Entwicklungspotentiale der Sicherheitswirtschaft geben. 

Am 24. April 2017 wurde die PKS vom Bundesinnenminister und dem Vorsitzenden der IMK vorgestellt. Die Anzahl der registrierten Straftaten ohne ausländerrechtliche Verstöße sank gegenüber 2015 um 0,7 % auf 5,928 Millionen Fälle. Die Häufigkeitszahl (Zahl der Straftaten je 100.000 Einwohner – der wichtigste Gradmesser der Kriminalitätsentwicklung) sank ohne ausländerrechtliche Verstöße von 7.301 auf 7.161 (um 1,9 %). Die Aufklärungsquote betrug insgesamt 56,2 % (2015: 56,3 %). Zurückgegangen gegenüber 2015 sind insbesondere Fälle des Wohnungseinbruchsdiebstahls (um 9,5 %), des Ladendiebstahls (um 3,3 %) und der Wirtschaftskriminalität (um 5,6 %). Zugenommen haben vor allem Gewaltdelikte (um 6,7 %), Rauschgiftdelikte (um 7,1 %), Straftaten gegen das Waffengesetz (37,3 %), die Computerkriminalität (um 54 %) und die IuK-Kriminalität im engeren Sinne (um 80 %). 70 % der registrierten Straftaten entfallen auf vier Deliktsarten: Diebstahl (37,3 %), Betrug (14,1 %), Sachbeschädigung (9,4 %) und Körperverletzung (9,0 %). 

Einbruch- und Diebstahlkriminalität

Die Einbruchs- und Diebstahlskriminalität ist zurückgegangen, sowohl im 10 Jahres-Zeitraum wie gegenüber 2015. 

 

2006 (i.T.)

2015 (i.T.)

2016 (i.T.)

Einfacher Diebstahl 

1.363                     

1.349                

1.290

Schwerer Diebstahl

1.239

1.135

1.083

Diebstahl von KFZ

42

37

36

In/aus Büros, Fabrikations- und
Lagerräumen

180

132

123

In/aus Verkaufsräumen

518

470

447

Wohnungseinbruchsdiebstahl

106

167

151

 

Der Wohnungseinbruchsdiebstahl, der sich seit 2005 bis 2015 in einer ununterbrochenen Aufwärtsbewegung befand (Anstieg um 52 %), ist 2016 erstmals rückläufig. Der Versuchsanteil stieg von 2015 auf 2016 von 42,7 % auf 44,3 %. 

Auch der Diebstahl aus Büros, Fabrikations- und Lagerräumen sowie aus Verkaufsräumen hat sich günstig entwickelt. Gleichwohl liegen die registrierten Fälle des Diebstahls aus Unternehmen insgesamt auf hohem Niveau: Stündlich waren es mindestens 100 Geschäftsdiebstähle. Und zusammen mit Wohnungseinbrüchen und sonstigen Einbrüchen im nichtgeschäftlichen Bereich wurden 2016 jede Minute etwa zwei angezeigt. Dass viele von ihnen im Versuchsstadium stecken blieben und wenigstes ein Teil der Fälle aufgeklärt werden konnte, ist nicht zuletzt den Leistungen der Sicherheitswirtschaft zu danken. Sowohl die mechanische wie die elektronische Sicherheitstechnik, modernste Einbruchmeldetechnik und Videoüberwachung sowie Perimeterschutzanlagen mit Alarmierungssystemen haben Einbrüche verhindert und aufgeklärt. Als besonders wirksam haben sich Videoüberwachungsanlagen erwiesen, die zu einer ständig besetzten Notruf- und Service-Leitstelle (NSL) mit verzögerungsfreier Analyse und Entsendung von Interventionskräften aufgeschaltet sind und mit einem Audiosystem kombiniert die sofortige Ansprache von erkannten Tatverdächtigen ermöglichen. 

Die Zahl der tatsächlich begangenen Ladendiebstähle lässt sich wegen des großen Dunkelfeldes nicht erkannter Straftaten nicht feststellen. Das Forschungs- und Beratungsinstitut EHI geht von einer Dunkelziffer von 98 % aus und beziffert den entstandenen Schaden auf über zwei Milliarden Euro. Immer mehr Ladendiebstähle werden nach Erkenntnissen des Instituts von organisierten Banden begangen. Die Abwehrstrategie besteht aus dem Einsatz flächendeckender intelligenter Videoüberwachung, Ausstattung vieler Warenarten mit Sicherheitsetiketten und qualifiziertem Sicherheitspersonal. Um die ca. 15.000 Einzelhandelsdetektive besser zu qualifizieren, hat die Deutsche Sicherheits-Akademie einen Zertifikatslehrgang mit je 40 Unterrichtseinheiten in zwei Modulen entwickelt. Die einzelnen Sicherheitssysteme werden zunehmend in ein Gesamtsystem integriert, und analoge Überwachungskameras werden durch wirksamere IP-Kameras und Wärmebildkameras (zum Aufspüren von Waren, die unter der Kleidung versteckt werden) ersetzt.

Bank- und Geschäftsraub

Die Raubkriminalität ist insgesamt langfristig leicht angestiegen. 

                                                                    2006                 2015              2016

Raub und räuberische Erpressung              53.696                   44.666             43.009 

Raubüberfälle auf Geldinstitute                    463                      148                128 

Raubüberfälle auf Spezialgeldtransporte         4                       2                    3 

Raubüberfälle auf Kassenboten                     135                   108                  84 

Raubüberfälle auf Zahlstellen/Geschäfte     4.032                3.416               3.075 

davon: auf Spielhallen                                    456                   628                  633 

            auf Tankstellen                                   832                     636                  571 

Im Durchschnitt sind damit auch 2016 jeden Tag fast 10 Raubüberfälle oder Fälle räuberischer Erpressung auf Unternehmen verübt worden. Der langfristig starke Rückgang von Raubüberfällen auf Geldinstitute ist zu allererst den räumlichen und organisatorischen Veränderungen im öffentlich zugänglichen Bereich, ihrer sicherheitstechnischen Ausrüstung, aber auch der Abnahme des Bargeldverkehrs und der zeitverzögerten Bargeldausgabe zu verdanken. Stark zugenommen haben dagegen 2016 Angriffe auf Geldautomaten, und zwar sowohl Skimming-Attacken wie Sprengungen. Die Schutzmöglichkeiten gegen solche Sprengungen – allein in NRW wurden bis Mitte August 2016 vor allem im ländlichen Raum 87 Fälle ermittelt – reichen von der Erhöhung des Widerstandsgrades der eingesetzten Wertbehältnisse bis zum Einfärben oder Verkleben von Banknoten bei starken Erschütterungen, die mit dem Vorgang der Sprengung verbunden sind. Auch die Neutralisierung des zur Sprengung eingesetzten Gases wird in Erwägung gezogen. Das mögliche Schutzpotential ist in vielen Geldinstituten noch nicht ausgeschöpft. Das Sicherheitsunternehmen Kasperski hat vor der neuen Version einer Schadsoftware gewarnt, mit deren Hilfe Hacker die Kontrolle über Geldautomaten übernehmen. Schuld an dieser Möglichkeit sei die Ausstattung vieler Geldautomaten mit dem 15 Jahre alten Microsoft-Betriebssystem XP, in dem diverse Sicherheitslücken bestünden.  

Videoüberwachung erschwert Raubüberfälle auf Geschäfte, speziell auf Spielhallen und Tankstellen. Der Geschäftsraub in Einkaufsvierteln ließe sich stärker reduzieren, wenn sich das Konzept der „City Guards“ durchsetzen könnte: Eine auf einen begrenzten Geschäftsbezirk fokussierte Gruppe von mobilen Interventionskräften, die auf den Notruf des überfallenen Geschäfts hin in kürzester Zeit vor Ort sind, um die Betroffenen zu unterstützen und Täter möglichst zu verfolgen und „auf frischer Tat“ vorläufig festzunehmen.

Brand- und Explosionskriminalität

                                                                                         2006            2015         2016

Vorsätzliche Brandstiftung und
Brandgefahrverursachung                                                 12.381             11.762           12.037 

Fahrlässige Brandstiftung und
Brandgefahrverursachung                                                  11.968               7.489        7.086 

Sprengstoff- und
Strahlungsverbrechen                                                              379           1.436             1.902

Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion                                 350           1.422         1.883 

Jeden Tag wurden 2016 in Deutschland durchschnittlich zwischen 52 u.53 Brandstiftungen begangen oder Brandgefahren vorsätzlich oder fahrlässig verursacht. Aber selbstverständlich gehen die Brandgefahren weit über diese Straftaten hinaus. Dass die durch Brände und Explosionen verursachten Personen- und Sachschäden in möglichst engen Grenzen gehalten werden, dafür sorgt das in Deutschland gut organisierte Feuerwehrwesen der Berufs- und Werkfeuerwehren sowie der großen Zahl Freiwilliger Feuerwehren. Und dafür sorgen baulich-technische und organisatorische Brandschutzmaßnahmen, die in gesetzlichen Vorschriften und technischen Normen und Richtlinien reguliert und standardisiert sind, ebenso wie nach Brandursachen, Brandlasten und situativen Bedingungen differenzierte Löschtechniken. Sowohl die Sensortechnologie der Brandmeldeanlagen wie die Löschtechnik sind sehr innovativ geprägt. Zu den Zielen gehört die Brandschutzplanung mit ingenieurwissenschaftlichen Methoden ebenso wie die Brandfrühesterkennung oder der Brandschutz per Brennstoffzelle in Rechenzentren und Telekommunikationsanlagen mit besonders hohem Brandrisiko. Zur Branddetektion in schwer zugänglichen Bereichen setzen Werkfeuerwehren auch Drohnen ein. Betriebs- und Lagerstätten mit prozessbedingten Explosionsgefahren gelten als besondere Herausforderung für den Brandschutz, die mit dem Einsatz BUS-fähiger Explosions-Sicherheitsbarrieren bewältigt werden soll. 

Luftverkehrskriminalität

                                                                                      2015     2016

Straftaten nach dem Luftsicherheitsgesetz                       97       131 

Gefährliche Eingriffe in Bahn-,Schiffs- u.Luftverkehr   2.798    2.808 

Die hohe Empfindlichkeit der Luftverkehrssicherheit erfordert ebenso gründliche wie lückenlose Sicherheitsmaßnahmen für die Sicherheitsbereiche der Flughäfen und der Kontrolle von Passagieren und Luftfracht. Dies lässt sich nur mit absolut zuverlässigen und hoch leistungsfähigen Sicherheitsdienstleistern erreichen. Gewährleistet werden kann das nicht durch Rückverlagerung der Passagierkontrollen von Beschäftigten privater Sicherheitsunternehmen auf Angestellte des Bundes, sondern durch eine sorgfältige Auswahl der Auftragnehmer in einem Vergabeverfahren, in dem die Qualität der Leistung mehr Gewicht hat als der Preis, durch gründliche Qualifizierung der Einsatzkräfte und permanentes konsequentes Qualitätsmanagement. Noch nicht ausgeschöpft sind die Möglichkeiten der Sicherung des öffentlich zugänglichen Bereichs im Flughafen durch flächendeckende Videoüberwachung mit intelligenter Analysesoftware und sofortiger Interventionsmöglichkeit, professionelle Verhaltensbeobachtung und nicht berechenbare Kontrollen im Außenbereich des Terminals. Zu begrüßen ist das vom BMFT geförderte It-Konzept „Trans4Goods“ für die Rückverfolgbarkeit von Warenbewegungen für den Luftverkehr in komplexen Lieferketten und das Verbundprojekt SiLuFra (Strategien und Technologien für sichere Luftfracht-Transportketten). Zu begrüßen ist ferner die Novellierung des Luftsicherheitsgesetzes vom November 2016 mit der Verhängung von Einflug-,Überflug-, Start- und Frachtbeförderungsverboten für bestimmte Luftfahrzeuge (Drohnen) und eine Verstärkung der sogenannten „sicheren Lieferkette“. 

Straßenkriminalität

                                                                     2006         2015         2016

Straßenkriminalität                                                  1.557.626      1.329.000     1.316.866 

Gefährliche und
schwere Körperverletzung auf
Straßen, Wegen und Plätzen                                     60.122        56.479           61.281 

Sachbeschädigungen im
öffentlichen Bereich                                                 125.910       149.087         156.790 

Sachbeschädigungen durch Graffiti (insgesamt)     96.623    105.094 

Selbstverständlich ist die Bekämpfung der in hohem Maße gewalttätigen Straßenkriminalität in allen ihren Schattierungen in erster Linie Sache der Polizei. Darüber hinaus ist die kommunale Sicherheit eine wichtige Funktion der Ordnungsämter der Kommunen im Rahmen der Daseinsvorsorge für ihre Bürger. Die Sicherheitswirtschaft kann beide Funktionsträger aber in vielfacher Weise unterstützen. Ein unerlässliches Mittel zur Gewährleistung öffentlicher Sicherheit ist auch hier die Videoüberwachung, verbunden mit einer Stadtplanung, die dunkle, intransparente, verwahrloste Plätze und Anlagen nicht duldet. Die auch von Politikern immer wieder geforderte stärkere Videoüberwachung öffentlicher Räume muss endlich realisiert werden. Sie macht freilich nur Sinn, wenn die Kameras auf der Basis einer topographischen Gefahrenanalyse projektiert, mit intelligenter Analysesoftware ausgestattet und auf eine NSL mit sofortiger Interventionsmöglichkeit aufgeschaltet werden. Sicherheitsdienstleister unterstützen die Polizei im Rahmen von Sicherheitspartnerschaften, die seit vielen Jahren vereinbart sind, aber zu wenig umgesetzt werden. Die Sicherheitspartnerschaften sehen vor, dass die Einsatzkräfte privater Sicherheitsunternehmen auf Fahrtstrecken im öffentlichen Raum verdächtige Gegenstände und Ereignisse auf dem vorgeschriebenen Weg ohne Zeitverzug der Polizei melden, und dass sie von der Polizei in Öffentlichkeitsfahndungen eingeschaltet werden. Sicherheitsdienstleister könnten ferner mit kommunalen Ordnungsämtern gemischte Streifen vereinbaren oder im Auftrag des zuständigen Ordnungsamtes eigene Streifen in gefahrträchtigen öffentlichen Bereichen einsetzen. Effizient wären solche Streifen insbesondere, wenn der Gesetzgeber sie mit (niedrigschwelligen) Hoheitsbefugnissen der Personalienfeststellung und des Platzverweises beleiht.  

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