Security

Mobotix-Gründer Dr. Ralf Hinkel im Gespräch mit GIT SICHERHEIT

18.05.2015 - Wer sein Unternehmen vor drei Jahren gekannt habe, werde es heute nicht wiedererkennen - sagt Mobotix-Gründer Dr. Ralf Hinkel im Gespräch
mit GIT SICHERHEIT.
Grandma ready muss ...

Wer sein Unternehmen vor drei Jahren gekannt habe, werde es heute nicht wiedererkennen - sagt Mobotix-Gründer Dr. Ralf Hinkel im Gespräch
mit GIT SICHERHEIT.

„Grandma ready" muss Sicherheitstechnik bei Mobotix sein. Das gilt ­jedenfalls für kleinere Unternehmen und Privatanwender. Dieses Prinzip der kompromisslosen Bedienerfreundlichkeit kommt auch beim neuen Videomanagement-System ManagementCenter zum Tragen. Steffen Ebert von GIT SICHERHEIT sprach mit dem Unternehmens­gründer Dr. Ralf Hinkel über aktuelle Ver­änderungen im Videomarkt, die ­strategische Ausrichtung seines ­Unternehmens und über jüngste ­Zuwächse im Mobotix-Produkt­portfolio.

GIT SICHERHEIT: Herr Dr. Hinkel, lassen Sie uns mit einem aktuellen Thema beginnen, das immer mehr Bedeutung gewinnt: Smart Home Security. Wir planen noch in diesem Jahr ein Themen-Special dazu in GIT SICHERHEIT. Was bietet Mobotix für das sichere und smarte Heim oder das Kleingewerbe?

Ralf Hinkel: Bei Smart Home ist wichtig, dass  keine große Neuinstallation notwendig und das Smartphone integriert ist. Wir arbeiten hier nicht primär mit KNX, da dieser Standard zusätzliche Leitungen benötigt und nicht verschlüsselt ist. Daneben ist die Programmierung von KNX aus meiner Sicht für den Anwender aber auch für den Installateur viel zu kompliziert. Zwar ist KNX Secure in der Planung - aber das macht das Ganze nicht einfacher. Das ganz große Problem bei KNX ist die Konfigurationssoftware: Wie schaffen Sie es, dass das Licht angeht, wenn Sie auf den Schalter drücken?

Dabei muss man sich um Adressen und auch um das Routing kümmern: Wie kommen die Daten von hier nach dort usw.?

Ralf Hinkel: Deswegen haben wir einen anderen Weg gewählt und vor drei Jahren den Zweitdrahtbus MxBus und ein neues Bediendisplay entwickelt. Dieses Display, das wie ein Smartphone mit Touchscreen und Gesten bedient wird, ist über IP angebunden und steuert Geräte sowohl über IP als auch über den kostengünstigen MxBus. Und zwar immer verschlüsselt und immer per Broadcast, so dass alle angeschlossenen Geräte auch erreicht werden, ohne sich über das Routing Gedanken zu machen. Für das Smartphone gibt es eine App, die wie unser Display bedient wird, so dass der Anwender sich nicht umgewöhnen muss.

Was wollen Sie mit Ihrem Konzept alles miteinander vernetzen im Haus?

Ralf Hinkel: Alles. Und das - wichtig - mit dem Smartphone. Heutige Bedienteile von Video-Türsprechstellen sind gegenüber einem Smartphone ja riesig und man trägt sie in der Wohnung nicht mit sich. Das Smartphone dagegen hat jeder immer dabei. Zudem ist dieser Weg billiger. Wir integrieren also „Smart Home" mit „Smart Phone". Deshalb haben wir ein Smartphone für die Wand, unser Display, gemacht. Wir vernetzen Türstation, Zutrittskontrolle, Videoüberwachung und Haustechnik - also Licht schalten und Garagentor öffnen. Dazu kommt in Zukunft auch die Heizungssteuerung. Vorteil: Ich habe heute alle diese Daten schon auf meinem Smartphone. Und was hier wieder die Mobotix-Lösung ausmacht: wir brauchen keinen Computer oder eine Hardware-Box im Hintergrund, die das macht. Das leisten unsere Produkte selbst! Gira hat zwar schon lange den Homeserver, der seit Beginn mit Mobotix zusammenarbeitet. Aber das ist ein zentrales Konzept: Ein PC nimmt diese Steuerung vor und dort loggt man ein. Aber wehe, der PC läuft nicht mehr!

...und Sie arbeiten dezentral.

Ralf Hinkel: Richtig. Wir haben keine Intelligenz im Hintergrund - die Intelligenz sitzt im Produkt bzw. im Display selber. Wir steuern über das Display in Zukunft natürlich auch KNX-Module, direkt oder über ein Gateway.  Allerdings werden wir den Leuten die Möglichkeit lassen beides, MxBus und KNX, auf Wunsch parallel zu betreiben. Aber wir glauben, dass wir von der Hardware-Seite die bessere Lösung haben. Vor allem haben wir heute den einzig sicheren Haustechnik-Bus - neben dem reinen Ethernet -, nämlich unseren ­MxBus, einen Zweidraht-Bus. Er ist von Grund auf verschlüsselt - und er war nie unverschlüsselt. Das heißt: Sie könnten sich bei uns nicht in den Bus einklinken und können deshalb auch keine Tür unberechtigt  öffnen. Bei KNX loggen Sie sich ein, sehen die Befehle und schicken sie nach - geknackt. KNX ist heute nicht sicher.

...anders als Ihre Lösung.

Ralf Hinkel: Unsere Zutrittslösung ist sicher. Sie haben eine Karte, auf der ist der Schlüssel. Der wird bereits verschlüsselt auf die Innenseite des Hauses übertragen, auf den Doormaster. Nur dort liegen die Zutrittskontrolltabellen. Wenn also jemand die Türstation abschraubt und mitnimmt, kommt er trotzdem nicht an die Zutrittsberechtigungen. Datenübertragung und Stromführung erfolgen dabei über den MxBus. Sie brauchen auch keine Stromleitung an der Tür, um den Öffner zu betätigen. Bei Stromausfall läuft der Kartenleser mit den Akkus des Doormaster noch 80 Stunden weiter und sie können weiter die Tür öffnen.

Daher kommt ja demnächst der neue Baustein KNX Secure. Aber bleiben wir bei Mobotix. Welche Produkte werden Sie denn in zehn Jahren bauen?

Ralf Hinkel: Wir stellen heute schon das her, was die Leute 2025 haben wollen. Wir waren der Welt schon immer voraus. Beweis: Was unsere Kameras heute machen, steht in einer Broschüre von uns schon aus dem Jahr 2000. Deswegen gewinnen wir momentan auch sehr viele Patentstreitigkeiten in den USA. Auch dort hat man mittlerweile gute Ideen entwickelt. Deren Pech ist nur: Wir hatten es schon vorher. Wir haben mittlerweile sehr viele Patente gelöscht - und sind immer noch dabei. Jetzt haben dort alle Angst vor uns - und der Grund dafür ist unsere erste Cebit-Broschüre 2000. Da steht - auf Englisch - alles drin, was wir heute machen. Damit war danach nichts mehr patentierbar.

Sie brennen für jedes neue Produkt, das sieht man Ihnen förmlich an. Wie kommen Sie auf immer neue Ideen - für Mobotix und neuerdings Abionix?

Ralf Hinkel: Ich denke mir einfach aus, was ich in meinem Haus brauchen könnte. Das wissen auch unsere Entwickler. Ich bin der erste User. Sie entwickeln eigentlich für mich. Außerdem haben wir die Forderung entwickelt: „Grandma ready", also einfache Bedienbarkeit. Ein Ergebnis dieser Leitidee ist beispielsweise das neue Mobotix ManagementCenter. Jeder, der sich heute damit auseinandersetzt, wird das erkennen - bis hin zur Konfiguration.

Ein Beispiel?

Ralf Hinkel: Eine Zutrittskontrollanlage für vier Apartments, mit Karte, Kamera und Display können Sie heute ohne Probleme programmieren, ohne dass Sie einen PC brauchen. Auch der Elektriker, der vielleicht auch nicht immer die Netzwerkerfahrung hat. Der große Sicherheitspartner kommt nicht zu mir nach Hause, um mir eine solch kleine Anlage zu installieren. Das Volumen ist ihm oftmals viel zu gering. Für den Elektriker aber ist es interessant - er muss ohnehin Kabel verlegen, ist ohnehin im Haus. Und deshalb sind wir auch in diesem Markt so erfolgreich, den außer uns nur noch Abus bearbeitet, die Türsprechstellen-Hersteller Siedle und Gira. Letztere natürlich nicht in dieser umfassenden Form mit Kameras.

Lässt sich das Prinzip ‚Grandma ready' auch für gewerbliche Projekte verwirklichen?

Ralf Hinkel: Wenn ein System einfach zu installieren und zu bedienen ist, ist das für alle gut. Das gilt natürlich auch für gewerbliche Objekte - das kleine Bauunternehmen, das Rechtsanwaltsbüro, den Autohändler, das kleine Einzelhandelsgeschäft. Große Anlagen mit 100 Kameras oder mehr sind nicht das Ziel von „Grandma ready". Große Speditionen oder Logistikzentren, Bahnhöfe statten wir auch erfolgreich aus - aber Masse wird im kleinen Bereich gemacht. Dort haben wir auch unseren Vorteil gegenüber Waren aus Fernost: Was nützt eine Kamera, die Sie nicht in Betrieb nehmen und einstellen können, wie Sie es brauchen? Oder wenn die Software nicht zuverlässig ist und Sie keinen Ansprechpartner haben? Hier sehe ich unsere Nische - jetzt noch mehr, durch den Verkauf von Axis an Canon.

...Sie sprechen hier die Meldung vom 10. Februar an. Die Ankündigung seitens Canon, Axis übernehmen zu wollen, beschäftigt die Sicherheitsbranche in der Tat. Wie nehmen Sie das wahr?

Ralf Hinkel: Zunächst einmal: Die ersten 40% der größten Aktionäre sind noch besser vergütet worden als die letzten. Das heißt für mich: der Deal belief sich nicht auf 2,5 Milliarden Euro (2,8 Mrd. Dollar), sondern auf deutlich mehr. Legt man diese Maßstäbe auf Mobotix an, auf die Jahre 2011 bis 2013, käme man auf einen Börsenkurs von gut 50 Euro - bei einem heutigen Kurs von etwa 13 bis 14 Euro. Der EBIT von Axis war in all diesen drei Jahren nur etwa vier Mal so groß wie bei Mobotix - das bedeutet eine große Kursreserve. Der Canon-Axis-Deal hat damit auch einen Wert in der Sicherheitsbranche gesetzt. Wobei aus meiner persönlichen Sicht Canon zu viel gezahlt hat - oder anders gesagt: Axis hat sich gut verkauft.

Also ist der Deal auch gut für Ihre Aktionäre...

Ralf Hinkel: Wobei man auch sehen muss: Wir sind Systemhersteller - und Axis sehe ich als Komponentenhersteller. Für den Gesamtdeal gehe ich davon aus, dass Canon über 3 Milliarden Euro für den Deal bereitstellt - das muss über Stückzahlen wieder reingeholt werden. Daher gehe ich davon aus, dass viele Kameras ab sofort über Einfachschienen vertrieben werden - etwa über Media Markt. Denn sicherlich will man auch die Endanwender, und dabei die professionellen Zielgruppen, behalten. Hier muss man schauen, wie Canon das vertrieblich hinkriegt. Das birgt Konfliktpotenzial: Was hieße es wohl für die Vertriebspartner im Sicherheitsbereich, wenn es Axis-Kameras unter dem Canon-Label im Media Markt gäbe? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Label Axis ewig weiter läuft. Auch das wäre gut für uns, denn Axis und Mobotix sind meiner Meinung nach seit Ende der 90er Jahre die beiden IP-Pioniere. Auch bei der Entwicklung muss man sehen, wie das weitergeht. Denn Canon kann ja Kameras bauen. Was Ihnen bisher fehlte, war die Software, um die Kameras zu betreiben.

Wobei Canon natürlich ein funktionierendes Geschäft mit einer starken Mannschaft und Organisation gekauft hat. Schwer vorstellbar, dass man dies leichthin über Bord wirft?

Ralf Hinkel: Es müssen zwei Unternehmen mit unterschiedlichen Kulturen zusammenkommen - dabei alle Schlüssel-Mitarbeiter zu halten, ist eine große Herausforderung. Ein Vergleich mit dem Deal Chrysler und Daimler liegt nahe. Was Canon wollte, ist die Nummer eins vom Markt zu holen, damit sie Platz haben, sich geschäftlich auszubreiten. Ich bin mir sicher, dass Canon irgendwann unter eigener Regie entwickelt und baut. Das ist meine Vision vom Markt, wie er sich entwickelt.

Richtig. Wobei es natürlich ganz anders kommen kann.

Ralf Hinkel: Es bleibt die beschriebene vertriebliche Konfliktsituation. Und da sehe ich Vorteile für uns und mögliche neue Vertriebspartner im Sicherheitsbereich. Gerade auch bei unserem neuen Produktprogramm und all den Roll-outs, die jetzt kommen.

Was bedeutet die neue Marktsituation für die Preise von Kameras?

Ralf Hinkel: Preise geraten sicher weiter unter Druck, aber darauf wird es nicht ankommen. Es kommt auf die Software an. Wie man die Kameras betreibt, welche Apps zur Verfügung stehen. Aus unserer Sicht ist dies wiederum unerheblich, weil wir Systemhersteller sind - und immer auch eine Software zu den Systemen anbieten. Wir profitieren immer noch von unserem Image, solide und innovative Ware zu haben. Da wir Systemhersteller sind, sind bei uns Türsprechstelle, Display, Schalten von Licht, Öffnen von Türen und/oder Toren, RFID ins Gesamtsystem integriert, wie Sie es sonst nirgendwo bekommen. Für eine Spedition mit 100 Mitarbeitern z.B. lohnt es sich, ein großes System zu integrieren. Aber eine Arztpraxis, die eine Türsprechstelle will, eine Kamera, eine Zutrittskarte - da denkt keiner an ein großes integriertes System. Dafür müsste er ja verschiedene Systeme einsetzen, und dieser Integrationsaufwand ist zu groß.

Wie schätzen Sie die Entwicklung bei größeren Projekten ein?

Ralf Hinkel: Im professionellen Bereich großer Sicherheitsprojekte mit 50 und mehr Kameras wird der Preis meiner Meinung nach weiter unter Druck bleiben. Bei großen Anlagen haben Sie einen Sicherheitsprofi am Werk, der Ihnen die Anlage aufbauen und konfigurieren kann. Privatleute kaufen vielleicht zwei Türsprechstellen, eine Kamera, zwei Displays. Wir aber sorgen dafür, dass man das alles alleine machen kann - ohne PC oder Box im Hintergrund eine solche Anlage betreiben kann. Man drückt auf eine einzige Taste, trinkt eine Tasse Kaffee - und das System ist bereits grundlegend konfiguriert. Wir setzen ganz klar auf die automatische und benutzerfreundliche Konfiguration. Und da haben wir in den letzten drei Jahren richtig viel entwickelt. Wer Mobotix aus der  Vergangenheit von vor drei Jahren kannte, wird uns heute nicht mehr wiedererkennen.

Auch Ihr neues Videomanagement-System ManagementCenter funktioniert nach dem Prinzip Einfachheit?

Ralf Hinkel: Ja. Auf der Security in Essen haben wir das neue VMS gezeigt, das Ende Mai in der ersten Vollversion ausgeliefert wird - nach gut drei Jahren intensiver Entwicklungsarbeit. Das ManagmentCenter läuft jetzt richtig effizient - und schnell. Für uns ist es ein neuer Meilenstein - auf Englisch ‚The New Milestone'. Viele und unter anderem auch der Video-Experte Klaus Michael Meissner (Anm. d. Red.: BHE Vorsitzender des Fachkreises Video, früher bei HeiTel, jetzt Inhaber von Aevisio) bezeichnen das neue VMS als „Game Changer". Das hört man derzeit überall auf der Welt bei Präsentationen.

Was ist die wesentliche Neuerung beim ManagementCenter?

Ralf Hinkel: Er ist ganz einfach zu bedienen und zu konfigurieren - und verkürzt die Installationszeit um den Faktor zehn. Beim ManagementCenter lassen sich mit dem Finger Ereignisse suchen und aufrufen, wie man es vom Smartphone kennt. Per Fingertipp schalten Sie um auf Fullscreen. Ohne das Menü zu verändern, schaltet man zwischen den letzten Alarmbildern und dem Livebild hin und her. Jeder, der das bisher ausprobiert hat, ist davon beeindruckt. Gruppen von Kameras lassen sich sehr schnell ändern. Man braucht nur eine Bewegung, um die Passwörter in allen Kameras zu verändern, oder um die Aufzeichnung von einem NAS aufs andere zu schieben - das geht blitzschnell. Dazu unterstützen wir neben den Mobotix-Kameras auch H.264-Onvif-Kameras - ebenfalls kostenfrei.

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