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Kraftwerksicherheit: Brandschutz mit Schiebeelement

07.08.2014 - Mit „Pyrotam SH" hat G+H beim Deutschen Institut für Bautechnik die erste Zulassung für eine Rohrabschottung mit einem ersten Unterstützungsabstand von 8 m erhalten. Erforderlich w...

Mit „Pyrotam SH" hat G+H beim Deutschen Institut für Bautechnik die erste Zulassung für eine Rohrabschottung mit einem ersten Unterstützungsabstand von 8 m erhalten. Erforderlich wurde dies für G+H durch vermehrte Anfragen von Kraftwerkbetreibern und deren praktischen Probleme bei der Montage von Rohrabschottungen. Ein Beitrag von Heidi Burow-Strathoff, G+H Isolierung, zuständig für Forschung und Entwicklung sowie Planung und Beratung passiver Brandschutz.

Herkömmliche Rohrdurchführungen haben in der Regel einen Halterungsabstand von der Wand von max. 1.000 mm. Zusätzlich müssen bei diesen Halterungsabständen bei der Dimensionierung der Abhängungen und Gewindestangen Spannungsgrenzwerte entsprechend den Vorgaben der DIN 4102-4, Abschnitt 8.5.7.5 von 6 bzw. 9 N/mm2 (max. zulässige Zugspannung) eingehalten werden. Dies ist in allen zurzeit auf dem deutschen Markt vorhandenen bauaufsichtlichen Verwendbarkeitsnachweisen (Allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnisse und Zulassungen) für Rohrabschottungen so festgeschrieben.

In Kraftwerken werden üblicherweise Rohrdurchführungen mit Isolierungen aus blechummantelter Mineralwolle (in Verbindung mit eingemauerten Mauerrohren und mit Mineralwollestopfungen zwischen Mauer- und Medienrohren) mit wesentlich größeren Unterstützungsabständen als zugelassen eingebaut. So kommt es in der Praxis nicht selten vor, dass erst 8 m nach der Wanddurchführung der erste Unterstützungsabstand gesetzt werden kann. Zu diesem großen Unterstützungsabstand kommt gleichzeitig die nächste Problematik, nämlich dass die vorgegebenen Zugspannungen nicht eingehalten werden können.

Sicherlich ist für jeden nachvollziehbar, dass es bei der Ausstellung der Übereinstimmungserklärungen regelmäßig Probleme gab. Kann z. B. bei einem ersten Unterstützungsabstand von 4 m unter gewissen Randbedingungen eine nicht wesentliche Abweichung vorliegen? Bei seriöser Vorgehensweise ist jede einzelne Wanddurchführung separat zu betrachten und zu bewerten. Unter Umständen müssen Kompensationsmaßnahmen festgelegt werden. Dies ist sehr zeitaufwendig und kostenintensiv.

Bedingt durch die zunehmenden Anfragen seitens der Kraftwerkbetreiber und der sich praktisch einstellenden Probleme bei der Montage von Rohrabschottungen stellte G+H Ende Dezember 2010 beim Deutschen Institut für Bautechnik einen Antrag auf eine Zulassung für das System „Pyrotam SH" mit folgendem Anwendungsbereich:

 

  • Ø Mediumrohre bis DN 800 in Verbindung mit Mauerrohren bis DN 1200
  • Ringspalt zwischen Mediumrohr und Mauerrohr mit Mineralwollestopfungen bis zu 200 mm
  • Maximaler Halterungsabstand beidseitig jeweils von 8 m
  • Erhöhung der zulässigen Zugspannung der Abhängung auf 150 N/mm², sodass die Funktionsfähigkeit der Abschottungen auch bei Versagen der Abhängung (Aufliegen des Mediumrohres auf dem Mauerrohr) nachgewiesen wird
  • Beim Versagen der Abhängung kann das Mediumrohr auf dem Mauerrohr aufliegen

 

Brandversuch erforderlich

Nach Vorversuchen im MPA NRW im Frühjahr 2011 in einem Kleinbrandprüfstand und Beratungen im SVA (Sachverständigenausschuss) im Oktober 2011 war klar, dass es eine Zulassung nur auf der Grundlage eines Brandversuchs geben würde. Aber wie sollte der Brandversuch konkret durchgeführt werden?

Es folgten viele Diskussionen. Abschließend wurde entschieden, die o.a. Parameter für den Anwendungsbereich 1:1 in einem Brandversuch nach DIN EN 1366-3 nachzubilden. Das hört sich ganz einfach an, heißt aber in der Praxis, dass ein Brandofen her muss, in dem über 11 m lange Rohre eingebaut werden können. Jeder der Leserschaft, der schon einmal in einer Brandprüfstelle war, überlegt jetzt vielleicht, wo man das denn prüfen kann?

Letztendlich fiel im Dezember 2011 die Entscheidung, die erforderlichen Brandversuche im MPA Braunschweig durchzuführen. Der Versuchsaufbau sollte in der „Loreley" stattfinden, einem Ofen mit einer Gesamtlänge des Brandraums von 10 m. Hier hoffte man, ohne nennenswerte Umbaumaßnahmen die Rohrabschottungen praxisgerecht einbauen zu können.

Das Schiebeelement „Pyrotam SH"

Wolfram Adam, langjähriger Niederlassungsleiter der G+H Isolierung Würzburg und Erfinder u.a. der intumeszierenden Bandage „Pyrostat UNI" sowie des I-Kanals „Pyroment IK90", hat wieder einmal keine Ruhe gegeben, bis er eine technische Lösung für die o.a. Problematik gefunden hat.

Wenn Stahlrohre in DN 800 schlagartig versagen bzw. sich so absenken, dass sie auf den in der Wand eingemauerten Mauerrohren aufliegen, wird auf die sich in der Wanddurchführung befindliche Mineralwollestopfung eine unheimlich große Kraft ausgeübt. Dies hat zur Folge, dass die Mineralwolle ihre Elastizität verliert und in der Stauchung verharrt. Es entstehen Spalte, die ein Versagen der Abschottung durch Durchbrand und Rauchaustritt bewirken können.

Das Schiebeelement „Pyrotam SH" verschließt diese Spalte unter Brandbeanspruchung dynamisch und hat folgenden Aufbau:

 

  • Im Bereich der Wanddurchführungen wird die Blechummantelung der Streckenisolierung der Mediumrohre unterbrochen.
  • Statt der durchgehenden Verblechung werden in der Wand über die Isolierung zwei 125 mm lange Blechzylinder geschoben, die jeweils mit Laschen an den Enden der Blechummantelung fixiert werden. Die Blechzylinder haben untereinander keine Verbindung.
  • Sie sind außen zweilagig mit der intumeszierenden Bandage „Pyrostat Uni" verkleidet. 
  • Die eingemauerten Mauerrohre werden zusätzlich innen und außen einlagig mit der intumeszierenden Bandage Pyrostat Uni verkleidet. Der luftdichte Verschluss der so hergestellten Rohrabschottung erfolgt abschließend mit Silikonmanschetten, die auf dem Mauerrohr und der Blechummantelung der Streckenisolierung fixiert werden.

 

Der erste Brandversuch im April 2012

Der erste Brandversuch fand am 11. April 2012 im MPA Braunschweig statt. Es wurden fünf Rohrabschottungen mit Mediumrohren von DN 150 bis DN 300 eingebaut. Dieser Versuchsaufbau forderte allen Beteiligten das Äußerste ab. So wurden insgesamt 1,3 t Stahlrohre verbaut. Mit drei Monteuren wurde in insgesamt drei Wochen der Versuchsaufbau hergestellt. Die eingebauten Abhängungen waren entsprechend einer Zugspannung von 150 N/mm² ausgelegt. Demzufolge waren die Abhängungen so zierlich (bei DN 800 waren sie 26 mm breit und 2 mm dick), dass der für den Aufbau verantwortliche Projektleiter Karl Fischer größte Bedenken hatte, dass diese zierlichen Profile schon vor dem Brandversuch versagen könnten. Aus dieser Sorge heraus wurden die vorher installierten Montage- und Hilfskonstruktionen erst unmittelbar vor Versuchsbeginn durch die Abhängungen ersetzt.

Der Versuchsstart, es geht los. Kann so viel Stahl überhaupt entsprechend den Normvorgaben aufgeheizt werden? Wird die Tragkonstruktion halten?

Nicht einmal fünf Minuten nach Versuchsstart sind sämtliche Abhängungen abgerissen, und die Stahlrohre liegen auf den Steinkonstruktionen auf (Anmerkung: Diese Konstruktionen wurden errichtet, um die Fallhöhe der Rohre praxisgerecht zu begrenzen). Jedes Mal, wenn eine Abhängung abreißt und das Stahlrohr krachend aufschlägt, zucken alle Beteiligten zusammen.

Das System funktioniert: das Schiebeelement geht der Bewegung des Rohres nach, die intumeszierende Bandage reagiert, entwickelt Volumen, füllt die Spalte aus und schmiegt sich dicht an die Mineralwolle an. Wer hätte das gedacht, dass Mineralwolle und intumeszierende Bandage eine so gute Symbiose eingehen können!

15. Minute: in der Wand bilden sich um die Mauerrohre herum die ersten Risse. Luftseitig verbiegen sich die zierlichen Abhänger, sind aber noch intakt. Bei sämtlichen Rohren ist eine Lageveränderung nach unten in den Brandraum hinein festzustellen. Die über Mauerrohr und blechummantelter Isolierung montierten Silikonkautschuk- Membranen fangen an zu spannen.

23: Minute: Feuerseitig fangen die Rohre an, wie Spaghetti durchzuhängen.

30. Minute: Die Wand fängt an, zur Luftseite abzukippen.

74: Minute: Die Rohre biegen sich feuerseitig immer mehr durch. Luftseitig kragen die Rohre mittlerweile über 10 cm in den Brandraum hinein.

122: Minute: Die Auflagerungskonstruktion von PK 1 (DN 300) bricht zusammen, das Rohr stürzt ca. 2 m tief in den Brandraumboden. Selbst bei dieser schockartigen Belastung hat das Schiebelement seine brandschutztechnische Wirksamkeit unter Beweis gestellt!

Nach 129 Minuten werden die Brenner abgestellt. Der Brandraum gleicht einem Schlachtfeld. Auf der Luftseite sehen die Abschottungen noch recht passabel aus, der Raumabschluss wurde gewahrt, es gab keinen Durchtritt von Feuer und Rauch. Es wurden aus dem Stand Feuerwiderstandszeiten von 79 bis 129 Minuten erreicht, das System hat seine Feuertaufe bestanden:

 

  • Sämtliche Mediumrohre liegen auf den Mauerrohren auf. 
  • Die Schiebeelemente haben auf der Feuerseite Spalte von bis zu 400 mm verschlossen. 
  • Luftseitig ist die Mineralwollestopfung vollflächig vorhanden und weist keine Sinterungserscheinungen auf.

 

Im August 2013: die Zulassung

Nach weiteren Beratungen im SVA und zwei weiteren Brandversuchen, in denen auch für Mediumrohre bis DN 800 die brandschutztechnische Wirksamkeit des Systems mit differenzierten Streckenisolierungslängen für die Feuerwiderstandsklassen R90 und R120 nachgewiesen wurde, war es im August 2013 endlich soweit: G+H Isolierung bekam als erster Hersteller eine belastbare Zulassung für diesen Anwendungsbereich.

Der Weg dahin war gekennzeichnet durch einen unheimlich hohen Versuchsaufwand (drei Brandversuche mit einem immens hohen Material- und Personaleinsatz), unendlich viele Gesprächen und engagierter Überzeugungsarbeit - geleistet vor allem durch Wolfram Adam - mit dem DIBT, den Prüfstellen und dem SVA. G+ H ist zuversichtlich, dass das System sich nun auch in der Praxis beweisen wird.

 

Kontakt

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