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Alarmtröten – Solinger Finanzamt lässt bei Feuer tröten

08.08.2014 - Die Zeiten, in denen Nachtwächter - ausgestattet mit Laterne, Horn und Hellebarde - durchs Dorf liefen und lauthals die volle Stunde verkündeten, sind vorbei. Oder vielleicht doch ...

Die Zeiten, in denen Nachtwächter - ausgestattet mit Laterne, Horn und Hellebarde - durchs Dorf liefen und lauthals die volle Stunde verkündeten, sind vorbei. Oder vielleicht doch nicht? In Anbetracht der Hintergründe bei den Planungen für das neue Solinger Finanzamt kann man diesbezüglich zumindest schon mal ins Grübeln geraten, findet Joachim Meisehen von Novar.

In die Planung des für 16,5 Millionen Euro erbauten und im April 2013 bezogenen Solinger Finanzamtes floss reichlich Gehirnschmalz. Alles Mögliche wurde dabei berücksichtigt - doch das fünfstöckige Gebäude besitzt weder eine automatische Brandmeldeanlage noch eine Sprachalarmanlage, über die im Ereignisfall gewarnt werden könnte.

Damit dennoch alle 230 Mitarbeiter im Notfall rechtzeitig die Flucht antreten können, hatte das Amt die vermeintlich geniale Eingebung in die Tat umgesetzt, einige der Beamten (es sollen um die 20 Personen sein) mit Alarmtröten auszurüsten, um im Brandfall laut interner Anweisung die Besucher und Mitarbeiter in den Büros zu alarmieren. Die Tröten müssen stets griff- und funktionsbereit in den Schreibtischschubladen der ausgewählten Beamten aufbewahrt werden. Sie gehören zum Brandschutz- und Evakuierungsplan des hochmodernen Finanzamtsgebäudes. Ein gewisser Anachronismus drängt sich hier für den Beobachter zwangsläufig irgendwie auf.

Laut Aussage unterschiedlicher Quellen war die Installation einer Brandmeldeanlage nach Baugesetz hier nicht erforderlich, weil das Gebäude auf allen Etagen und Fluren die beiden baurechtlich vorgeschriebenen Fluchtwege für Bedienstete und Besucher hat: Treppenhäuser an den Flurseiten, Notausstiege, Fluchttreppen und in den oberen Etagen spezielle Warte- und Anstellflächen für Drehleitern der Feuerwehr.

Vor diesem Hintergrund drängen sich einige Fragen auf, die zumindest zum vorsichtigen Nachdenken anregen:

Sind die mit einer Tröte ausgestatteten Beamten allesamt Nichtraucher?

Um das nötige Lungenvolumen regelmäßig zu testen, sollten vielleicht sogenannte Peak-Flow-Meter ausgegeben werden (in der Apotheke für kleines Geld erhältlich), die ebenfalls ihren Platz in den jeweiligen Schubladen haben. Bei auffälligen Werten sollte dann rechtzeitig eine geeignete Ersatzperson bestimmt werden.

Nimmt man bei einem Brand in den Nachtstunden, in denen vermutlich niemand anwesend ist, ein unkontrolliertes Abbrennen des Gebäudes in Kauf?

Oder ist man dann auf die Anwohner der umliegenden Gebäude angewiesen? Diese sind ja vielleicht ebenfalls schon mit Tröten ausgestattet und könnten im Bedarfsfall die Feuerwehr alarmieren.

Hat die beschriebene Vorgehensweise versicherungstechnische Konsequenzen? Kürzlich erlitt eine Beamtin des Finanzamtes nach einem Feuer-Probealarm ein schweres Ohr-Trauma. Es war der erste Test seit Bezug des Gebäudes im Frühjahr 2013. Die Beamten in den Büros wurden über die Telefonanlage alarmiert, indem in der Pförtnerloge ein speziell hierfür vorgesehener Signalknopf betätigt wurde. Zunächst lief alles reibungslos nach Plan: Die „Tröten-Beauftragten" traten vor ihre Büros und nutzten ihr Werkzeug für die Alarmierung. Im Verlauf dieser Aktion trat ausgerechnet in diesem Augenblick eine Kollegin auf den Flur und geriet in den Lärm-Schwall einer der 25 Alarm-Tröten. Danach musste sie sich in ärztliche Behandlung begeben.

Wird man beim Bau zukünftiger Sparkassengebäude in ähnlicher Weise verfahren und auf Einbruchmeldeanlagen sowie Überfallmelder verzichten?

Man könnte stattdessen die Angestellten auffordern, im Ereignisfall laut und unmissverständlich den Räubern entgegenzurufen: Wenn Ihr nicht verschwindet, rufen wir die Polizei!

Vielleicht könnte in Anbetracht der städtischen Finanzsituation das leere Stadtsäckel aufgebessert werden, indem Stadtführer interessierten Besuchern die Geschichte Solingens näher bringen und während der Führungen einen Abstecher zum neuen Finanzamt unternehmen, wo man dann auf „Trötenwanderung" geht, um die exotischen Exemplare namens „vuvuzela pecunia solinga" zu begutachten. Ein Spaziergang, der durchaus die Lachmuskeln ansprechen könnte und somit ganz nebenbei noch gesundheitsförderlich wäre.

Abschließend darf man sich noch die Frage stellen, ob sicherheitsrelevante Aspekte tatsächlich in vollem Ausmaß berücksichtigt wurden und bauordnungsrechtlich alles bedenkenfrei ist. Fragen sind also noch offen, eines ist indes gewiss: Die Stadt Solingen hat mit dem neuen Finanzamt an Bekanntheitsgrad bundesweit stark zugelegt.

 

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