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Hautschutz: Wie bewertet man die Wirksamkeit von Hautschutzmitteln?

02.05.2013 - In seinem Beitrag „Alles Hautschutz?" (erschienen in der Printausgabe GIT SICHERHEIT + MANAGEMENT 6/2012) riet Dr. Peter Kleesz von der DGUV, bei der Anschaffung von Hautschutz­mit...

In seinem Beitrag „Alles Hautschutz?" (erschienen in der Printausgabe GIT SICHERHEIT + MANAGEMENT 6/2012) riet Dr. Peter Kleesz von der DGUV, bei der Anschaffung von Hautschutz­mitteln genau hinzusehen - die Angaben zur Schutz­wirkung seien freilich „ein Trauerspiel". Dabei mangelt es im ­Grunde nicht an einer normativen ­Regelung dieser ­Frage, wie der Hautexperte Dr. Wolfgang Pittermann in ­seinem ­ergänzenden Überblicksbeitrag zeigt.

Die Verdachtsmeldungen über Hauterkrankungen sind, so schrieb Peter Kleesz in GIT SICHERHEIT, „in manchen Bereichen in den letzten Jahren massiv gestiegen" - und „Angaben zur Schutzwirkung von Hautschutzmittel kann man als Trauerspiel bezeichnen". Dieses Resümee kann nur verwundern, denn es mangelt nicht an Regelungen - sie müssen von den Herstellern nur eingehalten werden. Und die Kunden sollten dies einfordern. Ein näherer Blick auf diese Regelungen zeigt allerdings in der Tat, dass diese nicht ausreichend konkret und oft praxisfern Durchführung und Bewertung von Wirksamkeitsnachweisen von Hautschutzmittel beschreiben.

Leitlinien Berufliche Hautschutzmittel und TRGS 401
Bereits seit 2003 gibt es zunächst einmal die Leitlinien Berufliche Hautschutzmittel - in der Erstfassung gemeinsam herausgegeben von der ABD (Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie in der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft) und der GD (Gesellschaft für Dermopharmazie). Eine wissenschaftliche Anleitung zum Wirksamkeitsnachweis von Hautschutzmittel liegt also seit Langem vor und sollte sich im betrieblichen Alltag bewährt haben. Aktuell gilt die derzeit aktualisierte Leitlinie Berufliche Hautmittel der ABD.

Zusätzlich liegt die Handlungsanweisung TRGS 401 vor, die ebenfalls explizit auf Hautmittel und Wirksamkeitstests eingeht. Hier waren die Hersteller von Hautschutzmitteln, der IKW und der Bundesverband Handschutz (BVH) von Beginn an einbezogen.

Leitlinien als Orientierungshilfe
Die Leitlinien gelten als „Orientierungshilfe für alle betroffenen ärztlichen Fachgruppen für den Bereich der Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention von Berufsdermatosen". Die Adressaten sind aber auch die Zielgruppe der Patienten mit beruflich bedingtem Handekzem. In der Präambel des überarbeiteten Vorschlags sind einige Besonderheiten von Hautschutzmitteln angesprochen. Hautmittel (= Hautschutz-, Hautreinigungs- und Hautpflegemittel im betrieblichen Umfeld) „unterliegen der Kosmetikverordnung, die zwar für die ausgelobten Eigenschaften den Nachweis der Wirksamkeit fordert, die Art des Wirksamkeitsnachweises aber offenlässt". Das ist ein Grund, warum sich Auslobungen ohne naturwissenschaftlich fundierten Nachweis unbeschadet am Markt halten können. Die Präambel führt sogar konkrete Beispiele an.

Drei-Säulen-Modell
Im Kapitel 1 (Berufliche Hautschutzmittel, Definition und Anwendung) wird das Drei-Säulen-Modell erläutert. Nach diesem Konzept werden die Hautschutzmittel ergänzt durch milde Hautreinigungsmittel (gegen Schmutz und aggressive Substanzen) und Hautpflegmittel zur Pflege und Regeneration nach der betrieblichen Hautbelastung.

Die Wirksamkeit eines beruflichen Hautschutzmittels ist in der Regel an die Gesamtformulierung und nicht an einzelne Inhaltsstoffe geknüpft. Der wissenschaftliche Erkenntnisstand erlaubt für die Formulierung grundsätzlich unterschiedliche galenische Systeme, die allerdings die Wirksamkeit spezifisch beeinflussen können. Das ist eine entscheidende Frage für die Wahl der Untersuchungsmethode. Die Wirksamkeit eines Hautschutzmittels kann allein aufgrund einer theoretischen Betrachtung des galenischen Systems nicht beurteilt werden. Lange Zeit meinte man dogmatisch mangels geeigneter Nachweise, dass lipophile Formulierungen besonders wirksam gegen hydrophile Noxen seien und umgekehrt. Im betrieblichen Alltag konnte diese Grundsätzlichkeit nicht bestätigt werden.

Der Stellenwert des pH-Wertes von Hautschutz- und Hautpflegemitteln (leave-on-Produkte) wird kontrovers diskutiert. Wichtiger als der leicht einzustellende pH-Wert erscheint nach unseren Ergebnissen jedoch die Gesamtformulierung. Zum Beispiel liegen bei Kühlschmierstoffen pH-Werte von 9,0 vor, ohne dass diese Arbeitsstoffe a priori hautirritierend wirken. Die Leitlinie bestätigt diese Beobachtungen.

Prävention
Im Kapitel 2 (Hautmittel in der primären und sekundären Prävention berufsbedingter Hauterkrankungen - Wirksamkeitsnachweise) wird die Bedeutung für die Prävention dargestellt. Es wird deutlich gemacht, dass In-vitro- und In-vivo-Methoden zum Wirksamkeitsnachweis von Hautschutzmitteln häufig nicht oder nur sehr eingeschränkt die tatsächliche Situation am Arbeitsplatz berücksichtigen. In den meisten klinischen Studien steht auch in der Regel nicht die Wirksamkeit eines Hautschutzpräparates im Mittelpunkt, sondern die eines vollständigen Hautschutzprogramms. Zudem erschweren kleine Fallzahlen und zu kurze Nachbeobachtungszeiten eine sichere Interpretation.

Unter den In-vitro-Methoden werden die „fortgeschrittenen" Ex-vivo-Modelle, wie die hornschichtausbildende Keratinozytenkultur, dreidimensionale Humanhautmodelle und das perfundierte Kuheutermodell günstiger beurteilt. Die Leitlinie betont, dass In-vivo-Verfahren zum Wirksamkeitsnachweis von Hautschutzmitteln der Ergänzung von In-vitro-Verfahren dienen, da diese Prüfmethodik eine nach wie vor ungeklärte bzw. eingeschränkte Aussagefähigkeit ausweist. Die Leitlinie konstatiert aber im Weiteren, dass es eine Vielfalt beruflicher Noxen gibt und es nicht möglich sei, diese Noxen aus ethischen und methodischen Gründen in In-vivo-Tests einzubeziehen. Stattdessen sollten Standardirritantien (Natriumlaurylsulfat, Natronlauge, Milchsäure und Toluol) eingesetzt werden, denn diese Standardnoxen würden „als annähernd repräsentativ für Gruppen von Noxen mit unterschiedlichen Eigenschaften gelten". Weitere Hinweise, welche Standardirritantien für welche betriebliche Noxen „annähernd repräsentativ" sind, fehlen. Dass chemisch reine Chemikalien wie z. B. Toluol oder Natriumlaurylsulfat per se andere Penetrations-/Irritationsprofile als ausformulierte Produkte haben, ist lange bekannt. Die Leitlinie „Berufliche Hautmittel" gibt der Zielgruppe somit keine konkreten Hinweise, wie Auslobungen von Hautschutzpräparaten zu bewerten sind. Die Ausführungen von Dr. Kleesz in GIT SICHERHEIT 6/2012 bestätigen diesen Sachverhalt.

Der zweite, wichtige Punkt bei einer Wirksamkeitsprüfung ist die Methodenauswahl. Hier stellt die Leitlinie fest, dass den repetitiven Irritationsmodellen aufgrund ihrer stärkeren, nicht näher erklärten Praxisnähe Vorrang vor Modellen mit nur einmaliger Applikation einzuräumen sei.

TRGS 401
Die TRGS gibt den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte Erkenntnisse für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen einschließlich deren Einstufung und Kennzeichnung wieder. Sie wird vom Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) aufgestellt, vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales veröffentlicht und schreibt vor, was bei den Tätigkeiten mit Gefahrstoffen getan werden muss.

Im Kapitel 6 sind die „Allgemeine Hygie­nemaßnahmen, technische, organisatorische und personenbezogene Schutzmaßnahmen (Handschuhe/Hautschutzmittel)" zusammengefasst. Für die Wirksamkeitsprüfung der Hautschutzmittel wird auf die Leitlinie „ Berufliche Hautmittel" verwiesen, nach der dieser Nachweis vorzugsweise mit einer In-vivo-Methode (z. B. repetitiver okklusiver Irritationstest) ausgewiesen sein muss. Mindestens aber sollte die Wirksamkeit mit dem BUS-Modell (Bovine Udder Skin = perfundiertes Kuheuter) oder einem 3-D-Hautkulturmodell getestet sein. Während es sich beim BUS-Test um einen definierten Test handelt, gibt es verschiedene 3-D-Hautkulturmodelle. Die Diktion der TRGS 401 ist jedoch eindeutig - bei jeder Auslobung muss ein Wirksamkeitsnachweis vorliegen, vorzugsweise mit einer In-vivo-Methode, mindestens aber mit einer In-vitro-Methode.

Der BUS-Test ist im betrieblichen Bereich der am häufigsten eingesetzte und publizierte Test. Mit dem Hautmodell des isoliert perfundierten Rindereuters werden neben Kosmetika-Testungen die Hautverträglichkeit von marktgängigen Kühlschmierstoffen, den Inhaltsstoffen und schließlich die Wirksamkeit von Hautschutzmittel geprüft. Es erfolgt eine offene Einmalapplikation mit Modell-Irritantien oder realen Noxen/Arbeitsstoffen in jeder betrieblich relevanten Konzentration. Hautverträglichkeit und Wirksamkeit werden in Ganzhautstanzen biochemisch bestimmt. Während der BUS-Test standardisiert mit drei Expositionszeiten und zwei Parameter (Zytotoxizität [irreversibel]/Entzündung [reversibel]) durchgeführt wird, gibt es für 3-D-Hautkulturmodelle kein standardisiertes Prüfdesign für Noxen und Hautmittel. Daher wird auch nicht die Vergleichbarkeit und Vorhersagekraft erreicht wie im BUS-Hautmodell mit seiner natürlichen Hornschichtoberfläche.

Zusammenfassend ist zu bemerken, dass die spezifische Leitlinie Berufliche Hautmittel und die TRGS 401 nicht ausreichend konkret und oft praxisfern Durchführung und Bewertung von Wirksamkeitsnachweisen von Hautschutzmittel beschreiben.