Management

Videotechnik: von Sicherheit bis Supply Chain Management

12.08.2016 - Video-Lösungen von Geutebrück führen ein spannendes Leben: Sie schauen zum Beispiel direkt in die Boxengasse am Nürburgring, lassen ihren Blick über die Prager Altstadt schweifen ...

Video-Lösungen von Geutebrück führen ein spannendes Leben: Sie schauen zum Beispiel direkt in die Boxengasse am Nürburgring, lassen ihren Blick über die Prager Altstadt schweifen – oder sie sorgen für Sicherheit in australischen Parks. Matthias Erler von GIT SICHERHEIT sprach mit Geschäftsführerin Katharina Geutebrück über die Entwicklung des Videomarktes in Deutschland und weltweit.

GIT SICHERHEIT: Frau Geutebrück, wenn Sie definieren sollten, was Ihre Systeme auf dem Markt besonders macht – was wäre Ihnen dabei besonders wichtig?

Katharina Geutebrück: Für uns ist zunächst einmal wichtig, immer zu sehen, dass Videotechnik Mittel zum Zweck ist. Wir versuchen deshalb grundsätzlich zu verstehen, was der jeweilige Anwender im Einzelfall erreichen möchte. Ziele sind unser Ausgangspunkt – nicht Funktionen oder Komponenten. Im Ergebnis bekommt der Kunde dann nicht unbedingt was er ursprünglich wollte – vielleicht 13 Kameras –, sondern was er tatsächlich braucht – den effizienten Einsatz von Videotechnik. Das geht wiederum nur im Dialog mit dem Endanwender. Ein weiterer Grundsatz für Geutebrück und unsere „G-World“ ist, dass wir absolute Zuverlässigkeit, Stabilität und Kontinuität anstreben – und zwar mit flexibler und skalierbarer Technik im Sinne langfristiger Investitionssicherheit: Systeme müssen einfach funktionieren, und dennoch mit wechselnden und steigenden Anforderungen veränderbar sein. Außerdem sind Leistung und Performance entscheidende Größen. Das System darf den Anwender niemals warten lassen. Gerade in sicherheitskritischen Phasen darf es nicht noch zusätzlich ablenken oder nervös machen. Das erfordert unbedingte Einfachheit und Komfort bei der Bedienung, so dass man sich im Notfall voll und ganz auf die Situation konzentrieren kann. Wenn das alles funktioniert, sind die Anwender – und wir – begeistert.

Sie verstehen sich eher als Anbieter von Lösungen als ein Anbieter einzelner Produkte und Komponenten. Was macht ein Produkt von Geutebrück zur Lösung?

Katharina Geutebrück: Wir bieten schon immer Gesamtkonzepte – selbst dann, wenn wir in einem konkreten Projekt vielleicht nur einzelne Produkte verkaufen. Das folgt auch daraus, dass wir immer vom Bedarf des Anfragenden ausgehen und uns fragen, wie sich unsere Systeme dort einfügen. Für ein Geutebrück-Produkt sind deshalb Schnittstellen ausgesprochen wichtig. Früher schon haben wir den ganzen Befehlssatz in der Produktdokumentation mitgeliefert – heute ist natürlich alles IP-basiert mit SDKs (Software Development Kits), Programmierbeispielen und Support. Seit den Gründungszeiten unseres Unternehmens erarbeiten wir integrierte Systeme für größtmöglichen Nutzen, Sicherheit und Effizienz.

Sie sind heute in einer beachtlichen Zahl von Branchen unterwegs – inwieweit handelt es sich jeweils um Branchenlösungen?

Katharina Geutebrück: Im Grunde genommen braucht jeder Kunde seine individuelle Lösung – es ist aber technisch und wirtschaftlich sinnvoll, die analysierten Probleme in Gruppen zusammenzufassen. Unsere vertikalen Lösungen entstehen jeweils in enger Zusammenarbeit mit einzelnen Pilotanwendern aus den spezifischen Märkten. So entwickeln wir passende Branchenlösungen. Viele Anwender sind mancher Probleme gar nicht bewusst – und erst recht erwarten sie nicht, dass ihr Problem gerade mit Hilfe von Videotechnologie lösbar ist.

Geben Sie uns ein Beispiel?

Katharina Geutebrück: Supply Chain Security ist ein solches Beispiel. Mit Videotechnik kann man nicht nur Gebäude absichern, sondern auch Prozesse in der Lieferkette – dadurch lassen sich die Zuverlässigkeit erhöhen und das Haftungsrisiko reduzieren. Das Videosystem wird dabei über Schnittstellen in das vorhandene Warenwirtschaftssystem integriert, die Scannerdaten der Warenwirtschaft werden mit den Videosequenzen verknüpft. Unsere Kunden sind dann oft regelrecht überrascht, welche Nutzenpotenziale sich ergeben. Zu Sicherheit zählt eben nicht allein die Absicherung gegen Eindringlinge, sondern auch z.B. Prozesssicherheit. Dies verschafft uns auch eine gute Argumentationsgrundlage beim Kunden. Sicherheit will zunächst einmal jeder – und sie soll möglichst wenig kosten. Anders ist es, wenn wir den Anwender mit einem Nutzen unterstützen können, der über die Sicherheit hinaus geht und sich rechnet, wenn wir zeigen können, wie sich Kosten einsparen lassen, so dass sich die Investition sehr schnell amortisiert. Oft dauert das nur ein Jahr oder sogar nur drei Monate, wie in einem Projekt, das wir realisiert haben.

Drei Monate? Was war das für ein Projekt?

Katharina Geutebrück: Es ging dabei um ein Unternehmen, das Kleinflugzeuge individuell fertigt. Im Hangar stehen dort immer etwa sieben Flugzeuge sowie hochwertiges und sehr teures Werkzeug. Solches Werkzeug kam immer wieder abhanden, Ursachen für Schäden an den Flugzeugen waren nicht nachvollziehbar – so dass regelmäßig hohe sechsstellige Schadenssummen pro Jahr entstanden. Das hörte mit der Integration unserer Videolösung sofort auf. Innerhalb dreier Monate hatte sich die Investition bereits gerechnet. Ein anderes Beispiel – allerdings mit etwas längerer Amortisationszeit – ist der Online-Händler Redcoon. Dort hatte man ein häufiges Problem mit betrügerischen Rücklieferungen. Kunden behaupteten etwa, einen leeren Karton bekommen zu haben – oder sie schickten nicht das Originalgut zurück. Aus Imagegründen regelte man das meist durch Kulanz. Jetzt werden Kommissionierung und Warenrücklieferung vollständig videoüberwacht. Alles wird mit dem Scanvorgang verknüpft – jedes Verpacken und Öffnen wird lückenlos dokumentiert, so dass jeder Sendungsinhalt nachgewiesen werden kann.

Wie wichtig sind hier die verschiedenen Videoanalyse-Methoden?

Katharina Geutebrück: Wir haben hier sehr viel getestet – aber nur wenige Lösungen überzeugen in der Praxis wirklich. Es gibt Anwendungen, bei denen wir solche Videoanalyse regelmäßig einsetzen, etwa in der Außenhausabsicherung und bei der Zufahrtssteuerung. Unsere Kennzeichenerkennung z.B. hat eine sehr hohe Erkennungsrate – auch wenn die Nummernschilder stark verschmutzt sind. Meist konzentrieren wir uns auf die klassische Außenhautabsicherung und Gebäudeabsicherung.  

Wie und mit welchen Partnern implementieren Sie eine Lösung beim Kunden? Könnten Sie uns das anhand eines praktischen Beispiels erläutern?

Katharina Geutebrück: Wir arbeiten prinzipiell indirekt, also ausschließlich über Errichter und Systemintegratoren – und zwar in Deutschland und international. Geutebrück selbst handelt im Wesentlichen als Hersteller und Distributor, entweder mit eigenen Organisationen wie in Frankreich oder über Partner, die unter dem Namen Geutebrück firmieren wie in Australien. Der Dialog mit allen Partnern in der Vertriebs- und Lieferkette ist für uns entscheidend für das konkrete Problemverständnis. Insbesondere bei spezifischen Märkten mit speziellen Anforderungen coachen wir unsere Errichterpartner durch gemeinsame Termine beim Endanwender vor Ort. Aber wir sprechen die Anwender auch direkt an, um sie für unsere Möglichkeiten zur Lösung ihrer Probleme zu sensibilisieren. Die Geutebrück Vertriebspartner sind ein seit vielen Jahren bestehendes Netzwerk in Deutschland. Darüber hinaus haben wir für bestimmte Lösungen wie etwa Supply Chain Security ein besonderes Lösungspartnernetzwerk.

Auf Kundenseite haben Sie es ja inzwischen häufig eher mit IT-Spezialisten als mit Sicherheitsfachleuten im klassischen Sinne zu tun. Was bedeutet das für Sie personell und strukturell?

Katharina Geutebrück: Das hat eine sehr hohe Bedeutung für uns. Durch die Digitalisierung haben sich immer mehr Funktionen in die Software verlagert. Das begann mit der ersten rechnergesteuerten Kreuzschiene auf DOS in den 80er Jahren, dann kam die erste grafische Bedienoberfläche auf Windows 93, dann die Digitalrekorder – bei uns erst Multiscope 1 mit eigenem Betriebssystem, aber schon Standard-Festplatten, später im Jahr 2000 Multiscope 2 auf Windows-Betriebssystem und Standard-Rechnerkomponenten. Seitdem setzte sich die Digitalisierung immer weiter durch und verdrängte analoge Hardware – Kameras, Bediengeräte und andere Komponenten. Videomanagementsysteme sind heute Software. Die Signalübertragung erfolgt über IT-Netzwerke. Das ist seit langem ein Trend. Dementsprechend besteht unsere Entwicklungsabteilung heute schon zu über 95 Prozent aus Softwareentwicklern und immer weniger Hardwareentwicklern oder Konstrukteuren. Damit einher geht die Veränderung der Anforderungen an Kompetenzen in Service und Support. Ähnliches gilt natürlich auch auf Anwender-Seite – wenn wir dort IT-Komponenten einsetzen und die IT-Infrastruktur nutzen, reden wir mit der IT. Wir predigen die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit diesem Thema auch für Errichter und Planer seit zwei Jahrzehnten im BHE. In Deutschland ist das ganz gut gelungen.

Welche Auswirkungen hat das auf die Rekrutierung von Fachkräften für Geutebrück?

Katharina Geutebrück: Die beschriebene Entwicklung hat zur Folge, dass wir auf dem Fachkräftemarkt mit vielen anderen Branchen konkurrieren, die auch IT-Leute brauchen. Deshalb bilden wir bei Geutebrück selbst aus – vor allem Fachinformatiker, aber auch im kaufmännischen Bereich, um im Vertrieb Nachwuchs aufzubauen.

Wie ist es mit sicherheitsspezifischen Risiken dieser Entwicklung?

Katharina Geutebrück: Neben den strategischen Auswirkungen dieser IT-Lastigkeit gibt es noch Risiken, die die Datensicherheit betreffen. Die Verwendung von Standard-IT bedeutet eben auch, dass wir unsere User bei der Abwehr von unerlaubten Zugriffen unterstützen müssen – vor allem auch deshalb, weil wir Standardsysteme anders nutzen: Bei dem hohen Datendurchsatz eines Videomanagementsystems kann ich nicht einfach das Virenschutzprogramm durchlaufen lassen. Das würde das gesamte System ausbremsen. Deshalb nutzen wir z.B. auch eine proprietäre Bilddatenbank, eben hier keinen Standard – so bekommt der Hacker keinen Zugriff.

IT heißt ja auch Vernetzung, Cloud-Strukturen, etc. Wie hat das die Geutebrück-Lösungs-Welt verändert?

Katharina Geutebrück: Was die Cloud betrifft, kommt es natürlich zunächst einmal darauf an, wie man sie definiert. Die Zentralisierung von Speichersystemen, z.B. indem ich von mehreren Rekordern über das Netzwerk auf ein RAID-System streame, ist ja quasi eine „Cloud“. Mit dem Grundprinzip der verteilten Infrastruktur arbeiten wir mit anderen Worten schon lange. Der Unterschied besteht jetzt darin, dass wir es mit Rechner-Infrastrukturen zu tun haben, auf die über öffentliche Netzwerke zugegriffen wird. Hier muss man sich immer fragen, wo in welchem Land die jeweilige Hardware steht, wer sie betreibt und wer sonst noch darauf zugreift. Für professionelle Sicherheitsanwendungen ist das kritisch. An Lösungsansätzen wie etwa dem Aufbau besonders gesicherter Rechenzentren in Deutschland wird gearbeitet. Gerade bei personenbeziehbaren Daten, und das sind unsere Bilddaten meistens, ist der Datenschutz ja besonders gefragt. Die klassische Bildaufzeichnung ist also problematisch. Andererseits können externe Clouds eventuell für Backup-Daten, z.B. Setupdateien, nützlich sein.

Als international tätiges Unternehmen haben Sie ja sehr gute Vergleichsmöglichkeiten mit den Entwicklungen in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern. In welchen Regionen sind Sie derzeit eigentlich präsent?

Katharina Geutebrück: Als deutscher Hersteller haben wir unseren Schwerpunkt in Europa – darüber sind wir mit Partnern in Australien, Neuseeland, in Südafrika und Mexiko aktiv. Dazu kommen die USA, die Türkei und der Mittlere Osten mit Tochtergesellschaften – hier sehen wir viele Wachstumschancen. In Russland wird unsere Niederlassung aktuell durch das Technikembargo und die politische Situation gehemmt. Insgesamt sind wir so aufgestellt, dass wir nicht von einzelnen Ländern, Partnern und Branchen abhängig sind. Unser Wachstum wird auch getrieben durch ein Management by Opportunity – wenn sich Kontakte in neuen Regionen ergeben, deren Potential uns überzeugt, knüpfen wir daran an. So sind beispielsweise auch einige jüngere Partnerschaften in Asien entstanden.

Ist der Umstand, dass Geutebrück ein deutsches Unternehmen ist, in irgendeiner Weise von Bedeutung? Hat die Volkswagen-Problematik daran etwas geändert?

Katharina Geutebrück: Dass wir ein deutsches Unternehmen sind, ist jedenfalls kein Hindernis, sondern transportiert eher ein positives Image, etwa der Zuverlässigkeit – das passt zu unserer Markenpositionierung, schließlich ist Zuverlässigkeit die Grundlage für die Sicherung von Leib und Leben. Die Vorgänge bei Volkswagen werden in anderen Ländern bei weitem nicht so tragisch gesehen wie bei uns.  

Stellen Sie Unterschiede fest, was die Durchsetzung der Trends im Videobereich betrifft, über die wir gesprochen haben?

Katharina Geutebrück: Im Großen und Ganzen entwickeln sich Technik und Anforderungen überall gleich – teils ist man weiter, teils weniger weit. Für Deutschland vergleichsweise typisch ist die Zurückhaltung gegenüber allem was mit Fernzugriff zu tun hat. Das liegt zum einen an Datenschutzbestimmungen, bezüglich der Netzwerkqualität müssen wir aber auch feststellen, dass die Bandbreiten bei uns nicht ausreichen. Deshalb werden verteilte Cloudstrukturen bei uns noch lange brauchen, bis sie sich bei großen Anwendungen etablieren. Für Anwendungen im Privatbereich reicht es regional vielleicht schon – anders sieht es schon bei einem Einzelhandelsgeschäft mit 16 hochauflösenden Kameras aus. Hier sind vor allem Länder, in denen alles erst neu entsteht – etwa im Baltikum – schneller. Vergleichsweise Nachzügler bei IP-Technik sind auch die Briten, was an der traditionsreichen Verwendung von Videotechnik dort liegt: Dementsprechend gibt es dort sehr viel analoge Technik, deren Entfernung sich oft nicht lohnt. Deshalb werden dort auch immer noch viele analoge Kameras verkauft. Insgesamt kann man sagen, dass zwar der Reifegrad der Märkte unterschiedlich ist – die Entwicklung aber weltweit vergleichbar.

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