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Sprengstofferkennung auf molekularer Ebene

01.03.2012 - Leider lassen sich manche Sprengstoffe schwerer detektieren als andere - und dem hochexplosiven PETN auf die Spur zu kommen, das war bislang einzeitraubender und auch teuerer Proze...

Leider lassen sich manche Sprengstoffe schwerer detektieren als andere - und dem hochexplosiven PETN auf die Spur zu kommen, das war bislang ein zeitraubender und auch teuerer Prozess. Will man ein paar wenigen kleinen Molekülen dieses Materials zuverlässig auf die Spur kommen, muss man sich schon modernster ­Nanotechnologie bedienen. Mario Boehme hat im Rahmen seiner ­Doktorarbeit bei Prof. Wolfgang ­Ensinger, Leiter des Fachgebietes Materialanalytik im Fachbereich ­Materialwissenschaft der TU Darmstadt, einen extrem sensiblen Sensor entwickelt, der genau dies leistet.

Dass dem Sprengstoff Pentaerythrityltetranitrat (kurz PETN) so schwer auf die Schliche zu kommen ist, wird nachvollziehbar, wenn man diesen Stoff mit Dingen vergleicht, denen wir im Alltag begegnen. Frisch gemähtes Gras beispielsweise riecht man schon von Weitem. Und den einladenden Brötchenduft aus der Bäckerei an der Ecke erschnuppern wir, kaum dass wir in die Straße eingebogen sind. Gras und Brot haben dabei eines gemeinsam: Sie sondern Millionen von Molekülen ab, die unsere Nasen ohne Weiteres registrieren können.
Haben Sie aber schon mal versucht, eine Porzellantasse zu riechen - oder eine Türklinke aus Aluminium? Sie können noch so nah rangehen - groß zu riechen gibt es hier nichts. Für PETN gilt das Gleiche. Es ist eben geruchlos und macht es damit auch elektronischen Geräten extrem schwer, sie zu registrieren. Und doch reichen eben nur ein paar wenige Gramm für eine veritable Explosion.

Von allen Verfahren zur Sprengstofferkennung - Massenspektrometrie, Chemilumineszenz-Nachweis, Röntgenbeugung, elektrochemische Methoden etc. - hat die in den letzten Jahren verstärkt aufgekommene Nanotechnologie den stärksten Impuls für die Entwicklung tragbarer Spurenerkennung bewirkt. Sie ist ganz offenbar eine maßgebliche Zukunftstechnologie und verspricht erstaunliche Leistungen auf Empfindlichkeitsstufen, die bis vor ganz kurzer Zeit noch Science-Fiction waren. Maß man früher noch in Größenordnungen von einem Part per Million oder einem Part per Billion (ein Teil auf 109 Teile), so sind heutzutage zuverlässige Messungen von Teilchen aus einer Menge von Trillionen (1.012) or oder Quadrillionen möglich (1.015).

Elektronische Nasen
War das Auffinden versteckter Explosivstoffe einst nur bei Flughäfen oder Botschaftsgebäuden üblich, ist es heute an vielen anderen Orten sogar von noch höherer Bedeutung: Bei großen Sportereignissen etwa, bei Konzerten oder in beliebten Clubs, bei Gerichten, Justizvollzugsanstalten oder in öffentlichen Verkehrssystemen, um nur ein paar zu nennen. Üblicherweise wird die Luft rund um Fahrzeuge, Gepäckstücken oder Personen mithilfe von Sensoren gescannt, die auf eine Reihe von Stoffen reagieren. PETN-Messungen bedurften bis vor Kurzem noch einer zeitraubenden Analyse von Abstrichen mit einem Spektrometer.

Eine elektronische Nase ist entweder mit einem Sensor ausgestattet, der für einen bestimmten Sprengstofftypus eingerichtet ist - oder er hat mehrere Sensoren, deren gemeinsame Ergebnisse sozusagen den Fingerabdruck der Substanz erfassen. Die Sensoren selbst nutzen eine ganze Reihe von Verfahren, Alarm auszulösen. Es gibt biologische Sensoren, die auf chemische Reak­tionen setzen, und es gibt optische Sensoren, die eine Veränderung der Absorbierung bestimmter Lichtwellenlängen registrieren. Auch mechanische Sensoren, Cantilever genannt, werden eingesetzt: Sie sind an einem Ende fixiert und auf einer Seite chemisch beschichtet. Sobald diese Schicht mit der Zielsubstanz in Kontakt kommt, verbiegt sich der Sensor. Daraufhin verändert der Nanosensor entweder seine natürliche Fluoreszenz oder seine elektrische Leitfähigkeit.

Feine Sensoren
Die Herstellung von Nanosensoren ist heute so verfeinert, dass sie mithilfe verschiedener Substanzen sowohl verlässliche als vor allem auch sehr spezifische Erkennungseigenschaften liefern kann. Die Sensoren können kostengünstig hergestellt werden und erzeugen eine neue Generation von Produkten, die breite Anwendung finden können, wenn es um die Bekämpfung terroristischer Bedrohung geht. Die Technologie hat ein gewaltiges Potential, das auch Produkte jenseits des Sicherheitssektors hervorbringen wird - und die Entwicklung von Nanosensoren schreitet bereits schnell voran.

Die Herausforderung besteht nun allerdings darin, diese Sensoren in marktfähige Produkte zu integrieren, die auf die mehr als hundert verschiedenen militärischen und zivilgenutzten Sprengstoffe mit einem Alarm reagiert. Es gibt dabei eine ganze Reihe von Dingen, die man berücksichtigen muss. Beispielsweise enthält die vom Sensor untersuchte Luft eine Vielzahl verschiedener Moleküle - mit der Gefahr der Kreuzkontamination. Diese müssen erst enfernt werden, wenn der Sensor effektiv arbeiten soll. Auch die Luftfeuchtigkeit hat einen starken Einfluss auf die Sensorleistung - auch sie muss also kontrolliert werden. Ein weiteres Problem kann es sein, dass Moleküle anderer - aber den gesuchten sehr ähnlicher - Stoffe gefunden werden. Auch bestimmte Bestandteile von Parfums können Fehlalarme verursachen.

Greifbare Vorzüge
In nur wenigen Jahren wird diese neue Sensorgeneration allgemein verbreitet sein, und Sicherheitsmanager weltweit werden sich mit der Veränderung ihrer Arbeitsprozesse mit Hilfe dieser feinen Sensoren befassen. Die neuen Produkte werden wahrscheinlich nicht sofort für die Sprengstofferkennung aus der Entfernung tauglich sein - auf jeden Fall werden sie viel effizienter sein als die herkömmlichen tragbaren Geräte, wenn es um die nähere Untersuchung nach Sprengstoffspuren auf verdächtiger Kleidung oder Gepäckstücken geht.

Vierbeinige Helfer stellen heute mit ihrer Nase heute noch den effektivsten Detektor. Sie könnten jedoch abgelöst werden. Denn die Forschung arbeitet heute daran, Sensoren in Scannerportale zur Sprengstofferkennung einzubauen, die deren Spürnasen entsprechen. So sollen hoher Perso­nendurchsatz mit extremer Sensorgenauigkeit verbunden werden - um damit die heutige Ionen-Mobilitäts-Spektrometrie zu übertreffen. Geräte, die verschiedene Sensormethoden kombinieren und auswerten können, werden letztlich die besten Ergebnisse liefern.

Marktübersicht
Auf dem Markt für tragbare Sprengstoffdetektoren gibt es Anbieter, die auch Röntgenstrahlen-basierende Scanning-Portale herstellen. Eine vollständige Detektor-Ausrüstung für Betäubungsmittel, Waffen, gefährliche Chemikalien und Sprengstoffe braucht heute Scanner-Portale mit hohem Per­so­nendurchsatz, und kleinere tragbare Scanner für die Detailuntersuchung. Dazu kommt nach Möglichkeit noch ein Gerät zur Analyse im Hintergrund, mit der eine beweistaugliche Dokumentation erstellt werden kann. Mit der zu erwartenden Erleichterung der strengen Regeln für die Mitnahme von Flüssigkeiten an Bord von Flugzeugen hat ein Wettlauf unter den Herstellern um marktfähige effektivste Detektoren für gefährliche Flüssigkeiten begonnen.

Bei der Auswahl des Anbieters muss man freilich Vorsicht walten lassen. Denn es gibt eine ganze Reihe nutzloser tragbarer Geräte auf dem Markt - manche davon sind sogar Gegenstand internationaler strafrechtlicher Ermittlung wegen Betrugs. Das moralisch höchst Anstößige daran ist, dass das Leben von Soldaten, Polizisten und Zivilisten gefährdet, wer solche Geräte vertreibt und anpreist. So wird von manchem Gerät behauptet, es sei erstaunlich leistungsfähig selbst durch Betonwände hindurch - und von einem anderen, es könne durch bloßes der Straße entlanglaufen durch „passive Methoden" Landminen oder Waffen aufspüren. Die diesen Geräten zugrunde liegende Technik ist sehr fragwürdig und wurde bei kontrollierten Tests als absolut unzuverlässig erwiesen. Produkte von Trittbrettfahrern sind unter verschiedenen Bezeichnungen in verschiedenen Ländern aufgetaucht - aber sie alle arbeiten nach dem Wünschelrutenprinzip, erkennbar an einer Antenne, die sich bewegen soll, wenn Sprengstoff in der Nähe ist. Wir betonen ausdrücklich, dass die unten genannten Firmen selbstverständlich in keiner Weise etwas mit solchen Produkten zu tun haben - sie alle verwenden ausschließlich wissenschaftlich erprobte Detektionsverfahren!

Die Firma Flir zum Beispiel vermarktet den von ICx Technologies hergestellten tragbaren Fido XT, der mit einem Fluoreszenzverfahren arbeitet, um Sprengstoffmoleküle zu erfassen. Das System besteht aus einem Sensorkopf und einer separaten elektronischen Einheit. Der Kopf kann ferngeöffnet werden - etwa an Bord eines ferngesteuerten Fahrzeugs. Es gibt auch eine Unterwasservariante. Die kanadische Firma Scintrex Trace stellt die tragbare Detektor-Serie EVD her. Sie funktioniert mit einem elektrochemischen Verfahren, das innerhalb von 15 bis 40 Sekunden eine Analyse der gesampelten Luft erstellt.

Smiths Detection bietet einen Multi-Mode-Threat-Detector (MMTD) der auch Betäubungsmittel, giftige Chemikalien und chemikalische Kampfstoffe erkennt. Er arbeitet mit Ionen-Mobilitäts-Spektrometrie zur Analyse von Partikeln. Von Safran Morpho kommt das Produkt Mobiletrace - ein tragbares Gerät, das sehr einfach zu handhaben ist. Es kommt mit einem Farb-LCD-Bildschirm und acht Sprachen.

Explonix von RS Dynamics ist, wie der Name schon andeutet, ein schnell arbeitendes tragbares Detektions- und Analysesystem für Sprengstoffe. Es ist sehr vielseitig und dabei gut gegen Überlastung und Kreuzkontamination geschützt.