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Sicherheit an Schulen: Drei Fragen an Wilfried Joswig, Geschäftsführer VfS

11.03.2014 - Der Verband für Sicherheitstechnik ist ein nutzerorientierter Fachverband für Planer, Hersteller und ­Errichter von Sicherheitstechnik. Er organisiert wichtige Veranstal­tungen und...

Der Verband für Sicherheitstechnik ist ein nutzerorientierter Fachverband für Planer, Hersteller und ­Errichter von Sicherheitstechnik. Er organisiert wichtige Veranstal­tungen und Kongresse zu aktuellen Sicherheitsthemen und bündelt ­Aktivitäten in verschiedenen Arbeitskreisen. Zu den Themen gehören auch das Erstellen von Handbüchern für Nutzer und Planer. Auf der ­wichtigsten Bildungsmesse „didacta" vom 25. bis 29. März 2014 in Stuttgart organisiert der VfS eine Sonderschau zum Thema „Sicherheit an Schulen". Unser ­wissen­schaftlicher Schriftleiter ­Heiner Jerofsky sprach mit Wilfried Joswig aus diesem Anlass.

GIT-SICHERHEIT.de: Die Sicherheit in Schulen ist spätestens nach den Ereignissen von Winnenden und Ansbach ein hochemotionales Thema, dass weiterhin an allen Bildungseinrichtungen diskutiert wird. Sicherheit an Schulen ist wesentlich mehr als Schutz vor Amok, Brand oder Sachbeschädigungen. Es geht um geeignete individuelle Präventivmaßnahmen. Was erwartet den Messebesucher auf der diesjährigen Sonderschau des VfS im Rahmen der didacta?

Wilfried Joswig: Sicherheit als Grundbedürfnis des Menschen wird immer solange als vorhanden vorausgesetzt bis einschneidende Ereignisse uns vom Gegenteil überzeugen. Dies gilt für alle Lebensbereiche ob privat, bei der Arbeit oder auch in Bildungseinrichtungen. Je spektakulärer das Ereignis, umso stärker die öffentliche Wahrnehmung und die dann folgenden Diskussionen. Sicherheit an Schulen ist aber wesentlich mehr als nur der Schutz vor Amok, Brand, Sachbeschädigung oder Körperverletzung. Sicherheit an Schulen ist ein Qualitätsmerkmal. Wenn wir an dieser Stelle von Sicherheit sprechen, dann sprechen wir von präventiven Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit. Diese Maßnahmen dienen dazu, den Bildungsauftrag zu erfüllen und die damit verbundenen und erforderlichen Prozesse abzusichern. Die dafür erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen sind sehr vielfältig und von diversen Einflüssen abhängig. Auf Grund dieser Komplexität gibt es auch kein universelles Sicherheitskonzept, das auf alle Bildungseinrichtungen übertragen werden kann. Jedes Objekt ist ein Unikat und muss auch so betrachtet werden. Auf der Sonderschaufläche werden wir daher das Thema „Sicherheit an Kitas, Schulen und anderen Bildungseinrichtungen" auf den drei Ebenen Mensch, Organisation und Technik, sowie den damit verbundenen Abhängigkeiten, betrachten.

Das Thema Sicherheit an Schulen umfasst neben dem Einsatz von moderner Kommunikations- und Alarmtechnik, Videoüberwachung auch Beschriftung und Verschluss von Gebäuden und Türen sowie angemessene Sicherheitserziehung. Welche sicherheitstechnischen Produkte sind empfehlenswert und für den schulischen Alltag technisch ausgereift?

Wilfried Joswig: Zum einen empfehlen wir als Verband keine Produkte, aber die richtige Produktwahl ist auch nicht das Kernproblem. Die wirkliche Herausforderung ist die Definition der gewünschten bzw. erforderlichen Anforderungen an die Produkte. Wenn diese eindeutig definiert sind, findet man auch die passenden Produkte am Markt. Leider gibt es z.Zt. noch wenig beschriebene Standards, in denen die Anforderungen für die Sicherheit an Schulen definiert sind. Es wird in verschiedenen Ebenen und Gremien an der Erstellung von Normen oder Richlinien gearbeitet, wie z. B. beim DK, die an der Norm für Notruf-, Gefahren- und Reaktionssystemen für Schulen, Universitäten und den öffentlichen Bereichen von Behörden arbeiten oder auch beim ZVEI der ein Merkblatt zur Beseitigung möglicher Konflikte zwischen Brand- und Amok-Gefährdung erstellt. Diese und weitere Richtlinien werden mit Sicherheit zu mehr Planungssicherheit führen, wobei die Umsetzung dann auch weiterhin so individuell bleibt wie die Bildungseinrichtung. Uns als Verband für Sicherheitstechnik e. V. ist es an dieser Stelle sehr wichtig, den Dialog zwischen Nutzern, Planern, Errichtern und Systemlieferanten anzuregen um auch gemeinsam mit anderen Organisationseinheiten die Herausforderung „Sicherheit an Schulen" voranzutreiben.

Neben dem Schutz liegt der Hauptnutzen von Sicherheitstechnik in der Präventionswirkung. Dazu bedarf es je nach Art und Lage der ­Schule ein angemessenes Sicherheitskonzept, das von allen Nutzern akzeptiert wird und auch noch bezahlbar ist. Welche technische Nachrüstung sollte nach Ihrer Ansicht mittlerweile Standard sein?

Wilfried Joswig: Brandmeldeanlagen und Flucht­wegsicherung möchte ich an dieser Stelle als vorhanden voraussetzen und daher nicht weiter darauf eingehen. Besonders wichtig ist nach meiner Meinung eine Meldeeinrichtung in den Klassenzimmern mit Aufschaltung auf eine ständig besetzte Stelle. Genauso wichtig ist eine Alarmierungseinrichtung, möglichst als Sprachalarmierung, um im Gefahrenfall zum einen den Alarm absetzen zu können und zum anderen Schüler, Lehrer und Interventionskräfte gezielt zu lenken. Hierbei ist das Zusammenspiel zwischen Technik und Organisation unerlässlich. Es ist z. B. sicher zu stellen, das die alarmempfangende Stelle auch tatsächlich immer besetzt ist. Wenn man sich nun den normalen Schulbetrieb vorstellt, so stellt sich die Frage, wo diese Stelle sein könnte, denn weder Sekretariat noch Hausmeister sind im Normalfall permanent erreichbar. Das stellt an sich schon eine organisatorische Herausforderung dar. Die zweite und noch größere organisatorische Herausforderung ist das richtige Verhalten von Schülern und Lehrern im Alarmfall. Unterschiedlichen Situationen (z. B. Brandalarm oder Amokalarm) werden zwar durch entsprechende Alarmpläne beschrieben, die Wirksamkeit dieser Pläne zu prüfen und dies durch wiederkehrende Übungen zu vertiefen, ist jedoch unerlässlich. Das mag zwar für alle Beteiligten lästig sein, ist aber im Ernstfall von entscheidender Bedeutung für die richtige Verhaltensweisen und damit für die Schadensminimierung. Die Nutzung bereits vorhandener Medien zur Alarmierung könnte hierbei hilfreich sein. Ich denke dabei an Alarmmeldungen auf den Multimediasystem wie Whiteboards, PCs und digitalen Hinweistafeln. Es gibt für eine effektive Prävention allerdings auch Techniken, die in der Öffentlichkeit und in den Schulen intensiv und kontrovers diskutiert werden. Das sind die Videotechnik und elektronische Schließeinrichtungen. Die Videotechnik ist für eine wirksame Prävention aus meiner Sicht unerlässlich, allerdings müssen dabei zwingend auch alle Anforderungen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte und des Datenschutzes erfüllt werden. Die heutigen Leistungsmerkmale der Videokomponenten ermöglichen diesen Spagat zwischen Bewegtbilddarstellung und Schutz der Privatsphäre. Wenn man mit allen Verantwortlichen gemeinsam an einem Konzept arbeitet, so werden sich Lösungen ergeben, die allen Anforderungen gerecht werden und die nötige Akzeptanz finden. Dazu bedarf es der Bereitschaft aller Betroffenen und die erforderlichen Experten um die theoretischen Anforderungen in die Praxis umzusetzen. Das ist zum gegenwärtigen Stand der Diskussion über den Einsatz von Videosystemen sicherlich nicht einfach aber doch machbar. Ich gehe auch davon aus, dass zukünftig der Nutzen dieser Technik im Vordergrund stehen wird. In anderen öffentlichen Bereichen ist ein Umdenken bereits erfolgt, z. B. in öffentlichen Verkehrsmitteln, Bahnhöfen etc. Auch in einer offenen Schule sind Schließeinrichtungen eine unerlässliche Sicherheitseinrichtung. Elektronischen Schließeinrichtungen können die Abläufe in der Schule unterstützen bzw. optimieren und die Sicherheit deutlich erhöhen. Das gilt sowohl für den Schutz von Sachwerten als auch für den Schutz von Personen. Aber auch hierbei gilt, dass in einer sinnvollen Planung zusammen mit dem Nutzer die Abläufe und Prozesse zu berücksichtigen sind und diese dann durch den sinnvollen Einsatz von Technik unterstützt werden.

Vielen Dank für die Informationen. Wir ­wünschen eine erfolgreiche Messe.

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