Brandschutz

Sprachalarm und Sirenenalarmierung im Vergleich

07.03.2013 - Weg hier - und zwar schleunigst... : Eine Sirene lässt es nicht an Klarheit fehlen. Nur mit der Differenzierung hapert es ein wenig: Wohin eigentlich genau? Was ist eigentlich ­pas...

Weg hier - und zwar schleunigst... : Eine Sirene lässt es nicht an Klarheit fehlen. Nur mit der Differenzierung hapert es ein wenig: Wohin eigentlich genau? Was ist eigentlich ­passiert? GIT-SICHERHEIT.de hat Peter Bock von Honeywell Life Safety ­Austria über die Vorzüge von Sprach­alarmanlagen (SAA) bzw., wie es in Österreich heißt, Elektroakustische Notfallwarnsysteme, befragt.

GIT-SICHERHEIT.de: Herr Bock, wenn im Theater, in einer Schule oder im Krankenhaus die Sirenen losgehen, kann man sich vorstellen, dass durchaus Panik und Verwirrung die Folge sind. Ein elektroakustisches Notfallwarnsystem geht hier weniger ohrenbetäubend vor. Kann die Sirene nicht durchaus sinnvoll sein? Etwa weil sie die Leute wirklich veranlasst, das Gebäude so schnell wie möglich zu verlassen?

Peter Bock: Natürlich kann und wird die Sirene zur Alarmierung zum Beispiel in Bürogebäuden oder Schulen eingesetzt. Also überall dort, wo für gewöhnlich dieselben Leute im selben Bereich tätig sind und mit regelmäßig wiederholenden Probealarmen im Falle einer Evakuierung durch die Sirene an den optimalen Fluchtweg trainiert und erinnert werden. Anders sieht es da schon im öffentlichen Bereich aus. Nur mit einer Sprachalarmierung können sämtliche Personen in einem Gebäude über eine Notsituation informiert und eine rasche Evakuierung initiiert werden. Auch bietet nur die Sprachalarmierung die Möglichkeit, individuelle Eingriffe durch die Feuerwehr zu realisieren. In Österreich haben wir für solche Zwecke eine durch die ÖNORM F 3033 beschriebene Feuerwehreinsprechstelle mit klar definierten Funktionen. Nach einer Evakuierung stellt sich auch die Frage, wie man die evakuierten Personen wieder in das Gebäude zurückbekommt. Eine entsprechende Durchsage, dass die Notsituation nicht mehr besteht und man das Gebäude ohne Gefahr wieder betreten kann hilft hier enorm.

Es lassen sich also Informationen in der ­nötigen Differenzierung vermitteln - das klingt einleuchtend, weil die Situation
des Alarms ja häufig zu Verwirrung und ­Verunsicherung führt?

Peter Bock: Der Sirenenton in einem öffentlichen Bereich führt tatsächlich zu sehr viel Unsicherheit. Jeder stellt sich selbst individuell Fragen wie: Wer oder was war der Auslöser? Betrifft das eigentlich mich? Was muss ich jetzt tun? Muss ich überhaupt etwas tun? Man schaut sich gegenseitig fragend an und schaut, was machen jetzt die anderen? Es ist durch Studien nachgewiesen, dass die Reaktionszeit durch Sprachinformationen beträchtlich verringert werden kann. Auch wird durch die gezielte Anweisung mittels Sprache und mögliche Fluchtweglenkung der Mensch rascher aus einer Gefahrenzone gebracht. Damit ist die Effizienz durch Sprachalarmierung deutlich höher bzw. die Räumungszeiten sind wesentlich kürzer. Dies gilt im Besonderen im öffentlichen Bereich, also dort wo Personen nicht mit den Gegebenheiten eines Gebäudes vertraut sind.
Können Sie einmal ein entsprechendes ­Szenario skizzieren, wenn statt einer Sirenenalarmierung ein Sprachalarmierungssystem eingesetzt wird?

Wie ist hier der Ablauf? Wo liegen im Einzelnen die Vorteile?

Peter Bock: Kurz zusammengefasst sieht das so aus: Ein Brandmelder detektiert Rauch bzw. Temperaturanstieg, Gas oder Flamme. Dann initiiert eine Brandmelderzentrale - abhängig vom Evakuierungsplan oder der Brandablaufsteuerung - die Sirenenalarmierung oder das automatische Auslösen einer oder mehrerer Sprachdurchsagen einer Sprachalarmanlage über Datenprotokoll oder Steuerkontakte. Je nach nationaler Anwendungsrichtlinie, in Österreich z. B. durch die technische Richtlinie für den vorbeugenden Brandschutz TRVB 158 S, wird der Alarm, bestehend aus einem Alarmierungssignal und der eigentlichen Sprachdurchsage ausgespielt und gegebenenfalls wiederholt. Es bietet sich zudem die Möglichkeit, über die Feuerwehreinsprechstelle den Evakuierungsablauf individuell zu beeinflussen. Diesen Vorteil bieten Sirenenalarme zum Beispiel nicht.

Schauen Sie sich auch den Informationsfilm des Vereins der Brandmeldeanlagenhersteller Österreichs zum Thema "Sprachalarmierung versus Sirenenalarmierung" an

Nun sind Lautsprecherdurchsagen in ­Gebäuden ja schon lange möglich und üblich. Wie hat sich die Sprachalarmierung technisch in jüngerer Zeit weiterentwickelt?

Peter Bock: Hier ist vor allem die Vernetzungsmöglichkeit hervorzuheben. Sehen Sie in einem Projekt verschiedene Standorte von Verstärkerzentralen und abgesetzten Sprechstellen. Die Verkabelung muss mit einfacher, meist auch mit der vom Betreiber zur Verfügung gestellten, Infrastruktur realisiert werden können. Auch ist die Schnittstelle einer Sprachalarmanlage nach außen, z. B. zur Brandmelderzentrale, zum Gebäudemanagementsystem oder zu weiteren Anzeigesystemen nur mit einem Datenprotokoll ab einer bestimmten Projektgröße wirtschaftlich abzuhandeln. Gerade in der Verkabelung zu den von der Zentrale weiter entfernten Lautsprechern entwickelt sich die neue Möglichkeit einer Ringverkabelung und der damit höheren Verfügbarkeit von Durchsagen zu einem äußerst wichtigen Merkmal. Diese Eigenschaft - bei Brandmeldern ist sie bereits seit vielen Jahren verfügbar und anerkannter Stand der Technik - wird in Zukunft auch in der Lautsprecherverkabelung eine enorme Bedeutung haben. Als weiterer Gesichtspunkt ist die höhere Effizienz der Verstärker durch Class-D-Typen zu nennen. Die damit verbundene Reduktion der Gesamtleistungsaufnahme eines Systems, gerechnet auf die permanente Verfügbarkeit über viele Jahre hinweg, ist ebenfalls ein nicht zu vergessendes Merkmal eines modernen, zukunftsträchtigen Systems.

Wo liegen die technischen und baulichen Herausforderungen und wo machen sich dementsprechend möglicherweise Qualitätsunterschiede der auf dem Markt vorhandenen Systeme bemerkbar?

Peter Bock: Die Herausforderungen stellen sich auf der technischen Ebene insbesondere im Realisieren eines mehr oder weniger komplexen Ablaufs des Durchsagesystems - zum Beispiel die Einstellung von Prioritäten, individuelle Lautstärken, Zwischenspeichern von Durchsagen, Interfacing. Dazu kommt die einfache Planbarkeit, Realisierung und Inbetriebnahme vor Ort. Sämtliche Funktionen müssen durch die Bediener und Betreiber mit einer einfachen und logischen Bedienerführung aufgerufen und abgehandelt werden können. Eine einfache und individuelle Anpassung an wechselnde Situationen wie zum Beispiel die Änderung des Nutzungskonzepts eines Shops für Weihnachten, Neujahr, Ostern durch das Einspielen adaptierter Audiokonserven für Werbung und Musik, oder das Ändern von Informationsdurchsagen bezüglich Öffnungszeiten ist ebenfalls sehr wichtig. Als bauliche Herausforderungen eines Gebäudes stellen sich u.a. unterschiedliche Standorte für Verstärkerzentralen und vor allem die korrekte Auswahl der für die baulichen Gegebenheiten richtigen Lautsprechertypen dar. Lässt man dies außer acht, sind die zur vernünftigen Qualität von Sprachdurchsagen notwendigen SPL und STI Werte nicht zu erreichen. Beide Herausforderungen, sowohl die technische als auch die bauliche sind nur durch entsprechend ausgereifte Sprachalarmsysteme, Fachplaner und Fachfirmen mit gut geschulten Mitarbeitern zu bewerkstelligen.

Nach welchen Kriterien soll der Kunde ­vorgehen? Gibt es unabhängige Praxistests?

Peter Bock: Akkreditierte Testlabors prüfen, ob die eingesetzten Sprachalarmsysteme, Energieversorgungseinrichtungen und Lautsprecher den gängigen Vorschriften genügen. Da steht die Praxistauglichkeit hinten an. Oftmals werden auch bei nicht passenden Systemen oder z. B. falsch gewählten Lautsprechern erst bei der Inbetriebnahme Mängel festgestellt oder eine schlechte Praxistauglichkeit sistiert. Diese im Nachhinein zu korrigieren, stellt einen hohen Zeit-/Kostenaufwand dar und ist mit Verzögerungen und Verärgerung des Betreibers verbunden. Darum empfehle ich bei der Auswahl ein System mit möglichst umfangreichen Funktionspool und dem Projekt entsprechend positiven Referenzen zurückzugreifen. Ein Fachplaner sorgt für das Einhalten entsprechender nationaler/internationaler Vorschriften. Eine zertifizierte Fachfirma errichtet die Anlage und bietet optimale Wartung und Instandhaltung. Natürlich tragen aber vor allem die Hersteller von Sprachalarmanlagen im entscheidenden Maße dazu bei, die vorgeschriebenen Funktionen, gepaart mit optimaler Praxistauglichkeit in ihrem Produkt zu vereinen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bock.