Brandschutz

Eventsicherheit: Wolfgang Friedl über Brandschutz- und Sicherheitsmaßnahmen

06.09.2011 - Eventsicherheit: Wolfgang Friedl über Brandschutz- und Sicherheitsmaßnahmen. "Alle wollen raus". Dieses Zitat von Dr. Bernhard Schanz, allseits bekannter und geschätzter Fachmann ...

Eventsicherheit: Wolfgang Friedl über Brandschutz- und Sicherheitsmaßnahmen. "Alle wollen raus". Dieses Zitat von Dr. Bernhard Schanz, allseits bekannter und geschätzter Fachmann für Feuer- und auch Einbruchschutz beschreibt einmal mehr die natürliche Reaktion von Menschen, wenn es brennt. Erst recht gilt dies bei Veranstaltungen. Wenn sich viele hundert oder auch mehrere tausend Menschen zum gleichen Zweck am gleichen Ort treffen, dann muss Vorsorge getroffen werden. Was das bedeutet, erläutert Dr. Wolfgang Friedl.

Wenn sich viele hundert oder auch mehrere tausend Menschen zum gleichen Zweck am gleichen Ort treffen, dann greift die Versammlungsstättenverordnung des jeweiligen Bundeslandes für die baulichen und technischen, aber auch organisatorischen präventiven und kurativen Brandschutz- und Sicherheitsmaßnahmen. Grundsätzlich wird unterschieden, ob eine Versammlung selten in bestimmten Räumlichkeiten stattfindet, oder ob diese primär für Versammlungen errichtet wurden.

Während man an Arbeitsstätten oder in Wohngebäuden relativ genau weiß, wer anwesend ist und wie viele Personen und sich diese auch noch mit den örtlichen Gegebenheiten gut auskennen, so ist das bei Versammlungen grundsätzlich nicht so; hieraus resultieren Orientierungsprobleme und falsches Verhalten in Notsituationen wie Panik, Rauchausbreitung oder Brandausbruch. Hinzu kommt, dass Besucher sich manchmal nicht friedlich verhalten, in der Motorik beeinträchtigt oder betrunken sind und damit sich und andere gefährden.

Vorübergehende Nutzung

Werden Versammlungen, etwa eine große Betriebsversammlung, die Weihnachtsfeier (mit den ortsunkundigen Partnern) oder ein Tag der offenen Tür in den Arbeitsräumlichkeiten eines Unternehmens abgehalten, so ist dies eine andere Nutzung mit anderen Gefahren. Hierfür benötigt man eine behördliche Genehmigung, die man erhält, wenn man nachweisen kann, dass die Räumlichkeiten nur vorübergehend so genutzt werden, wenn man ein schlüssiges Sicherheitskonzept (Brandschutz, Rettung, Versorgung, Beleuchtung u. a. m.) vorweisen kann und wenn es keine Bedenken behördlicherseits gibt.

Möglicherweise bekommt man die eine oder andere sinnvolle, zusätzliche Auflage. In jedem Fall sollte man aber nicht nur die Brandschutzbehörde, sondern auch den Feuer- und den Haftpflichtversicherer informieren. In diesem Fall muss man einige sinnvolle Punkte, keinesfalls jedoch alle Vorgaben der Versammlungsstättenverordnung einhalten, weil man schutzzielorientiert vorgeht: Was ist zu tun und zu unterlassen, damit es zu einer sicheren Durchführung der Veranstaltung kommt?

Ständige Nutzung

Wird ein Gebäudekomplex primär oder ausschließlich dafür genutzt, um Versammlungen durchzuführen, dann gelten die Vorgaben der jeweiligen Versammlungsstättenverordnung. Hierbei ist besonders auf die Art und Anzahl der Menschen zu achten sowie auch auf die Art der Aktivitäten. Mit "Art" der Menschen ist gemeint, dass es besonders hilfs- und schutzbedürftige Menschen wie Kinder, alte Menschen oder körperlich und/oder geistig eingeschränkte Menschen gibt - hier ist der Veranstalter in der Pflicht, ein Schutz- und Rettungskonzept aufzustellen, das gerade in Notsituationen für deren Sicherheit garantiert.

Mit "Art der Aktivität" ist gemeint, dass es sowohl bei Popgruppen, als auch bei Fußballspielen oder anderen Events häufiger als früher zu pyrotechnischen Vorführungen kommt und diese - nicht nur in geschlossenen Räumlichkeiten - zu einer Gefährdung von Menschen führen können. Ansonsten gibt es sehr viele Vorgaben baulicher Art, die hier natürlich nicht aufgelistet sein können.

Sicherheitskonzept

Ein immer individuell und schriftlich auszustellendes Konzept gliedert sich in zwei Hauptbereiche: Erstens, wie verhindert man Notsituationen und zweitens, wie reagiert man, wenn es doch zu Notsituationen kommt. Der Präventionsgedanke muss dabei im Vordergrund stehen; ebenso Gedanken, wie man Panik und verstopfte Fluchtwege vermeiden kann oder wie man sicher gewährleistet, dass es auch bei Ausfall der Stromversorgung nicht zur kompletten Dunkelheit kommt; gibt es hierfür keine Lösung, so wird die Veranstaltung nicht bis nachts genehmigt werden.

Neben technischen Lösungen sowie günstigen baulichen Gegebenheiten (mehrere Ausgänge, möglichst entgegengesetzt liegend) werden primär die organisatorischen Maßnahmen von Bedeutung sein: Ausreichend viele Mitarbeiter, die miteinander über Funk kommunizieren können, die professionell (z. B. Freiwillige Feuerwehr, THW) ausgebildet sind verhindern, informieren, greifen ein, geben vor.

Die Erfahrung zeigt, dass die nachfolgenden Punkte immer wieder zu Problemen führen:

  • Zu viele Menschen
  • Die Anwesenden sind ohne Ortskenntnisse
  • Viele angetrunkene bzw. sogar volltrunkene Personen
  •  Boshaft handelnde Menschen (etwa: Zünden Abfall an)
  • Sehr viele hilfebedürftige Menschen (Kleinkinder; Gehbehinderte)
  • Menschen ohne Deutschkenntnisse (Verstehen den Inhalt von Durchsagen nicht)
  • Verstellte oder gar versperrte Ausgänge lt. Strafgesetzbuch verboten!
  • Fehlende Einweisung der Helfer Brandgefahr durch Kerzen, Petroleumlampen oder pyrotechnische Vorführungen
  • Stromausfall mit nachfolgender Orientierungslosigkeit durch Dunkelheit

Bei Veranstaltungen muss immer mindestens eine Person als Verantwortlicher anwesend sein, möglichst aber mehrere (fähige, unterwiesene, nüchterne) Personen und das gilt auch bzw. gerade für die Weihnachtsfeier im Unternehmen. Mittels Megaphon oder Lautsprecher kann man die Menschen informieren und zum richtigen Verhalten anleiten. Evtl. ist eine Sicherheitsbeleuchtung vorhanden, die mindestens 1 Lux gewährleistet.

Besonders die Rauchfreihaltung oder auch die Rauchentfernung für die Versammlungsbereiche und deren Fluchtwege muss durch technische Einrichtungen schnell und effektiv möglich sein. Somit ist auch der Einsatz von Pyrotechnik oder Nebelanlagen äußerst kritisch zu sehen.

Rettungswege

Rettungswege sind nicht nur abgetrennte Flure, sondern auch Gehwege, bspw. in einem Bierzelt; diese sind ständig frei zu halten, dürfen nicht anderweitig (etwa durch Verkaufsstände oder zum Verweilen) genutzt werden. Man muss sie ausschildern, ggf. auch beleuchten und sie sollten immer in beiden Richtungen zu Ausgängen führen. Andererseits ist es wichtig, dass die Rettungskräfte in Notsituationen (Feuerwehr, Polizei, THW) verzögerungs- und hindernisfrei bis direkt an/in die Versammlungsstätte gelangen können, ohne von fliehenden Personen behindert zu werden. Große Stadien haben deshalb eigene Anfahrtswege, die für Besucher nicht zugänglich sind.

Organisatorische Belange

Als Daumenwert gilt, dass man je m² maximal 2 Personen in einen Raum lässt. Die Garderobe ist so angeordnet, dass sie die Flucht nicht erschwert; gleichzeitig muss einem klar sein, dass sich bei Regen oder Minusgraden einige 100 Menschen nicht gern freiwillig ohne Schutzkleidung ins Freie begeben!

Raumausschmückungen und Dekorationen werden auch unter Brandschutzaspekten gewählt, sie sind nichtbrennbar oder schwerentflammbar. Die Garderobentische sind fest (unverrückbar) und ein zügiges Ausgeben der Garderobe wird durch viel Personal gewährleistet - oder man bringt im Brandfall die Garderobe ins Freie.

Ein Rauchverbot bei Versammlungen sollte heute üblich sein und die Ausstattung mit Feuerlöschern ist Pflicht: Keine Pulverlöscher, weil das Pulver die Sicht nimmt; keine Löscher mit CO2, weil das Löschmittel bei Feststoffbränden uneffektiv und für Menschen gefährlich ist. Somit kommen primär Wasserlöscher, ggf. auch Schaumlöscher in Frage. Es muss eine Unterweisung für alle Betriebsangehörige und Aktiven zum Verhalten und zu den Betreibervorschriften geben. Stuhlreihen sind nicht breiter als 16 Stühle (in der Mitte bis zu 50 Stühle) und die Stühle miteinander fest verbunden.

Fazit

Die Versammlungsstättenverordnung gibt vor, dass der Betreiber den Betrieb einzustellen hat, wenn die für die Sicherheit notwendigen Anlagen, Vorrichtungen und Einrichtungen nicht betriebsfähig sind; alternativ kann er den Betrieb genehmigen, wenn es gleichwertige Kompensationsmaßnahmen gibt. Man darf sich jedoch die Frage stellen, ob es sich eine Person wirklich leisten kann, ein Bundesligaspiel, den Phil-Collins-Auftritt, die Modeschau, eine Politikveranstaltung, eine Firmenweihnachtsfeier oder auch Opas 75. Geburtstag mit knapp 100 Gästen abzusagen bzw. zu verlegen - weil die Entrauchungsventilatoren ausgefallen sind oder der Notstromdiesel nicht anspringt.

 

KONTAKT

Dr.-Ing. Wolfgang J. Friedl
Ingenieurbüro für Sicherheitstechnik, München
Tel.: 089/94004670
Fax: 089/94004671
wf@dr-friedl-sicherheitstechnik.de
www.dr-friedl-sicherheitstechnik.de